Langwaden Von Aleidis und ihrem unheimlichen Gast

Langwaden · Der Nonne soll im 13. Jahrhundert ein Jüngling erschienen sein, der sie in tiefe Verzweiflung trieb. Dieser entpuppte sich als Teufel.

 Jan Hillen (l.) und Helmut Coenen vor dem Kloster Langwaden. Mit Monika Götz haben sie das Buch "Sagenhafte Geschichten" veröffentlicht.

Jan Hillen (l.) und Helmut Coenen vor dem Kloster Langwaden. Mit Monika Götz haben sie das Buch "Sagenhafte Geschichten" veröffentlicht.

Foto: Kandzorra

Es ist eine Sage, die auf wahren Begebenheiten beruht. Eine Sage, die aus einer Liebestragödie heraus entstand und ihren Ursprung im 13. Jahrhundert hat: Schon vor rund 800 Jahren wurde die Geschichte von Aleidis und ihren immer wiederkehrenden unheimlichen Begegnungen - vom Heisterbacher Mönch Cäsarius in seiner Sammlung "Dialogus Miraculorum" - schriftlich festgehalten. Bis heute kann man die Geschichte nachlesen, längst zählt sie zu den bekanntesten Sagen im Stadtgebiet Grevenbroich. Denn der Ort, an dem sich die Ereignisse in jenen Nächten des 13. Jahrhunderts zugetragen haben sollen, ist ein markanter - ein echter Besuchermagnet: das Kloster Langwaden. Die Zisterzienser im Kloster leben seit Jahrhunderten mit der Sage rund um Aleidis, die als Nonne in das Kloster eintrat, weil ihr schlechtes Gewissen sie immer wieder einholte.

Der Grund: Sie hatte ihre Liebe verlassen - einen jungen Mann, mit dem sie einst lange Jahre zusammen war. Der junge Mann verkraftete die Trennung von Aleidis nicht und nahm sich das Leben. Aleidis sah die Schuld bei sich und trat zur Sühne ins Kloster ein. Als sie eines Tages am geöffneten Fenster stand und in Richtung Erftbend hinausschaute - so die Sage - erschien ihr ein schöner Jüngling, der nicht von dieser Welt zu sein schien. Der Anblick der fast dämonischen Schönheit lähmte Aleidis, fortan erschien der Jüngling, der auf einem imaginären Pfad auf einem Ross heranritt, fast jeden Tag und jede Nacht.

"Reue und Angst plagten die Nonne, sie züchtigte ihren Körper, fühlte sich der Erscheinung ausgesetzt", sagt Helmut Coenen aus Wevelinghoven, der zu den Experten in Sachen Sagen und Mysteriöses in Grevenbroich zählt. Gemeinsam mit der Düsseldorfer Journalistin Monika Götz und dem Cartoon-Zeichner Jan Hillen aus Bedburg hatte er 2007 den ersten Band des Buches "Sagenhafte Geschichten" veröffentlicht, der unter anderem auch die Sage von Aleidis und ihrem unheimlichen Gast beinhaltet.

 Jan Hillen hat das Erscheinen des Jünglings hoch zu Ross und die leidende Aleidis in dieser Tusche-Zeichnung festgehalten.

Jan Hillen hat das Erscheinen des Jünglings hoch zu Ross und die leidende Aleidis in dieser Tusche-Zeichnung festgehalten.

Foto: jan Hillen

Coenen, Götz und Hillen möchten die alten Sagen des Stadtgebiets erhalten. "Schließlich geht vieles im Laufe der Jahrzehnte verloren. Und auch die Tatsache, dass immer mehr Orte im Zuge des Braunkohlentagebaus von der Landkarte verschwinden, macht die Dokumentation der Sagen notwendig", erzählt Grafiker Helmut Coenen.

Die Texte stammten aus verschiedenen Quellen, etwa vom Geschichtsverein Grevenbroich, - und wurden von Monika Götz zusammengefasst. Passende Bilder - genauer gesagt: Tuschezeichnungen - lieferte Jan Hillen. Auch Aleidis hat er gezeichnet: "Auf dem Bild sieht man eine erschrockene Nonne vor einer Steinwand, aus der der schöne Jüngling hervorgeritten kommt", beschreibt der 45-Jährige.

Aleidis litt stark unter der Erscheinung des Jünglings, der sie immer wieder besuchte. Ihre große Not wurde schließlich von einem Pilgrim erkannt, der dem Kloster laut Sage eine Reliquie aus dem Heiligen Land übergeben wollte. Dieser bot Aleidis spontan seine Hilfe an - die Nonne öffnete ihm ihr Herz. "Der Pilgrim erkannte schließlich, dass es sich bei der Erscheinung nicht um den Jüngling, von dem sich Aleidis zuvor getrennt hatte, handelte, sondern um den Teufel", fasst Coenen zusammen.

Der Pilgrim riet der verzweifelten Aleidis, beim Erscheinen des Jünglings den Namen der jungfräulichen Magd zu rufen, die der Schlange (dem Teufel) "den Kopf zertreten" hat. Diesen Ratschlag scheint die Nonne befolgt zu haben: Bei der nächsten Erscheinung und dem verführerischen Lockruf des Teufels "Komm, Aleidis" rief sie: "Heilige Jungfrau". "Laut Sage verwandelte sich das schöne Antlitz anschließend in eine teuflische Grimasse", schildert Helmut Coenen. Was folgte, war ein bösartiger Fluch. Der ungebetene Besucher verschwand augenblicklich wie von Geisterhand - und Aleidis konnte bis an ihr Lebensende in Ruhe leben.

"Ob sich das alles wirklich so zugetragen hat, ist fraglich. Fest steht, dass es Aleidis wirklich gegeben hat", sagt Pater Prior Bruno Robeck aus dem Kloster Langwaden, der sich auf die Lehrgeschichte von Cäsarius von Heisterbach bezieht. Dieser Cäsarius habe es sich im 13. Jahrhundert zur Aufgabe gemacht, den Lesern seiner Schriften ins Gewissen zu reden und abzuschrecken. "Das tat er unter anderem mit der Sage um die Nonne Aleidis", erklärt Pater Prior Robeck.

Aleidis und ihr unheimlicher Gast fänden im klösterlichen Alltag der Zisterzienser übrigens kaum Beachtung: "Jeder weiß zwar, dass es Aleidis wohl wirklich gab. Aber ob an der Geschichte wirklich etwas dran ist, stellen die meisten infrage", erzählt Robeck.

Was bleibt, ist die unheimliche Sage - von Aleidis und dem schönen Jüngling, der sich als Teufel entpuppte. Wie lang die Nonne unter der Erscheinung litt, ist heute nicht mehr nachvollziehbar.

(NGZ)
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