Jazz und Swing neu erleben Schwungvoll ins neue Jahr

Swing und Jazz erleben eine Renaissance. Die beiden musikalischen Verwandten haben ihre Wurzeln in den 20er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Damals eroberte der Jazz die Ballsäle und Tanzflächen.

Der Swing entwickelte sich zur lässigen Variante dieser rhythmischen Musik. Seine Blütezeit erlebte er allerdings in den 50er-Jahren mit dem Comeback Frank Sinatras. Heute ist die Musik von damals, die gepflegt mit Frack und Fliege daher kommt, wieder populär.

Ulrich Tukur und seine Rhythmus Boys haben sich schon lange dem Swing verschrieben. In ihrem neuen Programm möchten sich die sonst so geschniegelt und gebügelten Musiker einmal so richtig danebenbenehmen. Sie räumen mit allen Konventionen auf und wirbeln die Geschichte der populären Musik gehörig durcheinander.

Unsterblichen Melodien verleihen sie einen ganz neuen Klang, Jazz und Swing bekommen in verblüffend neuen Arrangements eine andere Tonlage und Interpretation. Manche sind kaum wiederzuerkennen. Das Publikum sollte sich auf Überraschungen gefasst machen, wenn die Band auf der Bühne in den Kampf gegen das gute Benehmen zieht.

Mit Schwung zelebrieren Andrej Hermlin und sein Swing Dance Orchestra den Silvesterabend. Der gebürtige Berliner und seine Big Band zaubern zum Jahreswechsel amerikanische Ballsaal-Atmosphäre in die ehrwürdige Tonhalle.

Der Sänger und seine Musiker bemühen sich dabei um große Authentizität. Nicht nur die Arrangements und der Klang versetzen das Publikum in eine andere Epoche, auch die Mikrofone und Pulte, die Instrumente und die Garderobe entsprechen den Vorbildern aus den 30er-Jahren.

Seit ihrem ersten Auftritt im "Klub der Bauarbeiterjugend" Ende der 80er Jahre haben sich Andrej Hermlin und seine Musiker zu den führenden deutschen Swinginterpreten entwickelt und inzwischen auch die Metropole New York mit Konzerten im Rainbow Room, im Pennsylvania Hotel und im Lincoln Plaza erobert.

Mit ihrer Stimme erweist Cassandra Wilson dem Jazz die Ehre. Die gebürtige Amerikanerin aus Mississippi scattet und gurrt, sie flirtet, murrt und grummelt, bis daraus unversehens auf einem Vokal gesungene Musikstücke entstehen. Ihre betörende Stimme und ihre außergewöhnliche Bühnenpräsenz fesseln die Zuhörer vom ersten Ton an.

Mit kleinen Gesten dirigiert sie Band und Publikum und umspannt mit ihrem Repertoire gleich mehrere Musikepochen. Mühelos kann sie vom melancholischen Delta Blues zu leichtem Pop oder den Klängen des Seventies Soul wechseln.

Ihre Version von Robert Johnsons "Come On In My Kitchen" macht dem Ursprungswerk Konkurrenz und Joni Mitchells "Black Crow" verlegt sie mittels Jungle Grooves aus dem urbanen Dickicht in die Subtropen. Um ihre Musik zu verstehen, müssen Jazz-Liebhaber sie auf der Bühne erlebt haben.

Genregrenzen überwindet das Ensemble Blechschaden mit Leichtigkeit. Die Musiker nennen sich selbst die Fremdenlegion der Münchner Philharmoniker. Dort sind die elf Blechbläser und der Schlagzeuger aus sechs verschiedenen Ländern einst ausgebrochen, um gemeinsam neue Wege zu gehen. Sie sind allesamt Vollblutmusiker und beherrschen ihr Instrument auf höchstem Niveau.

Gleichzeitig nehmen sie sich selbst und die Musik nicht bierernst, sondern sind zu jeder Schandtat bereit und fähig, Kabinettstückchen wie nebenbei abzuliefern. Was sie in Angriff nehmen, bewältigen sie mit Perfektion. Jazz und Klassik, Elitäres und Populäres, Show und Spielkultur befruchten sich in ihren Konzerten gegenseitig.

(RP)
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