Düsseldorf Gauck mahnt Politiker: "Erkläre, was du tust"
Düsseldorf · Der Bundespräsident stattete NRW einen offiziellen Antrittsbesuch ab. Er besuchte Düsseldorf, Bottrop und Duisburg.
Joachim Gauck reist solo an. Aus Krankheitsgründen hat die Partnerin des Bundespräsidenten, Daniela Schadt, ihre Teilnahme am offiziellen Antrittsbesuch in Nordrhein-Westfalen absagen müssen. Also nimmt Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) im elften Stock der Staatskanzlei nur einen Gast in Empfang und geleitet ihn zum Eintrag ins Gästebuch der Landesregierung. Dort steht noch: "Besuch von Bundespräsident Joachim Gauck und von Frau Daniela Schadt in Nordrhein-Westfalen am 26. November 2012."
Als der Präsident seinen Schriftzug daruntergesetzt hat, sagt Kraft: "Ich habe noch ein kleines Geschenk für Sie." Die Regierungschefin überreicht ihm eine Sonderausgabe von Heinrich Heines Korrespondentenberichten "Französische Zustände". Gauck (72) strahlt. "Normalerweise bekomme ich immer nur Bildbände geschenkt", scherzt er.
Was er mit NRW verbinde, wird er von Journalisten gefragt. Der Bundespräsident, der in der DDR aufgewachsen ist, zögert nicht lange. Für ihn sei NRW früher "der Westen" schlechthin gewesen. Freilich noch mit rauchenden Schloten, mit Kohle, Eisen und Stahl. Das Land habe einen enormen Strukturwandel hinter sich und beispielhafte Strategien zur Innovation und zur Integration entwickelt, sagt er, und darin schwingt Anerkennung mit.
Er wird im Laufe dieses Tages immer wieder darauf zu sprechen kommen. Irgendwie ist der Bundespräsident hier ja auch "heimisch": In Bonn verfügt er über einen zweiten Amtssitz, das Palais Schaumburg. Leider, leider, so beteuert Gauck, könne er diesmal nicht alle Landesteile bereisen. Er wird sich deshalb nach Düsseldorf auf Bottrop und Duisburg beschränken. Er wolle sich aber "nicht nur die glänzenden Dinge" anschauen, kündigt Gauck an.
Das Programm ist dicht. Eine halbe Stunde ist für sein Gespräch mit Krafts Ministerriege vorgesehen. Schon im Vorfeld hat Kulturministerin Ute Schäfer (SPD) dem Staatsgast hohes Lob gezollt: Gauck sei ein sympathischer Mann, der bei den Menschen gut ankomme: "Wir freuen uns, dass er heute kommt."
Vor dem nahe gelegenen Landtag wartet Parlamentspräsidentin Carina Gödecke (SPD) auf das Staatsoberhaupt, das am Morgen mit einer Sondermaschine aus Berlin angereist und auf dem Düsseldorfer Flughafen gelandet ist. Gauck fährt mit Polizeieskorte ("Weiße Mäuse") in seinem gepanzerten BMW mit dem Kennzeichen "0-1" vor und entschwindet mit der Präsidentin in ihr Büro, wo er die Vorsitzenden der fünf Landtagsfraktionen treffen will. Bei dem Gespräch hinter geschlossenen Türen geht es nicht so sehr um landespolitische Details, sondern um die großen Linien wie Bürgerbeteiligung und Freiheitssicherung. Gauck spricht sich für einen verständlichen, bürgernahen Politikstil aus. "Erkläre, was du tust", legt er den Politikern ans Herz. Einem Teilnehmer fällt auf, dass Joachim Paul, der Fraktionschef der Piraten, zum ersten Mal in einer Sitzung keine Kurznachrichten twittert. Nach der Runde mischt sich der Präsident für einige Augenblicke unter die Besucher im Foyer des Landtags. Kraft und Gödecke werden Kameras hingestreckt, und beide Frauen fotografieren die Leute mit dem prominenten Politiker. Als Gauck geht, brandet Beifall auf.
Anders als Wulff, der den Besuch im Düsseldorfer Rathaus erst separat nachholte, verknüpft Gauck seinen Antrittsbesuch in NRW mit einem Abstecher in die Altstadt. Die Besucher des Weihnachtsmarkts vor dem Rathaus staunen über den ausgerollten roten Teppich. Oben im Jan-Wellem-Saal ergreift Oberbürgermeister Dirk Elbers (CDU) die Gelegenheit, um die Vorzüge seiner Stadt hervorzuheben: Kunst- und Kulturstadt, starke Wirtschaftskraft, Schuldenfreiheit und ausgeglichener Haushalt, beitragsfreie Kitas und eine gute Quote bei Betreuungsplätzen für unter Dreijährige. Bevor Gauck sich ins Goldene Buch der Stadt einträgt, nimmt er den Ball auf, lobt das "Klima des Erfolgs" in der Landeshauptstadt. "Blühende Wirtschaft" und erfolgreiche Kommunalpolitik seien gemeinsam selten anzutreffen. "Erzählen Sie davon", ermuntert er Elbers, mahnt aber auch, die Kassen für die Kultur offen zu halten.
Gaucks Reise geht weiter. Er lässt sich in Bottrop das klimatechnische Zukunftsprojekt "InnovationCity" erläutern und besucht eine Familie in einem ehemaligen Bergarbeiterviertel. Dann fährt die Kolonne nach Duisburg, wo der Bundespräsident von OB Sören Link (SPD) empfangen wird. Anschließend stellt er sich den Fragen von Bürgern. Ihm liegt daran, zum Abschluss seines Besuchs mit ehrenamtlich tätigen Menschen zu reden. Gauck lässt sich nicht anmerken, welch anstrengender Tag hinter ihm liegt. Es gibt aber auch Enttäuschte. Eine Gruppe Duisburger ("Klüngelklub Hochfeld") wollte dem Präsidenten Problemecken der Stadt zeigen – doch sie bekam nach eigener Aussage keine Antwort vom Präsidialbüro.