Krefeld Cornelius de Greiff und das Theater

Krefeld · 1786 wurde Krefelds Theatersaal an der Rheinstraße ausgebaut. Bei einer Reise 1819 besuchte Cornelius de Greiff oft ein Theater - die Helden hießen nicht Goethe und Schiller, sondern Iffland und Kotzebue.

 Cornelius de Greiff im Krefelder Theater - man darf davon ausgehen, dass er regelmäßig ins Theater gegangen ist; bei einer Rheinreise notierte er tagebuchartig jeden Theaterbesuch und fügte auch kritische Anmerkungen bei.

Cornelius de Greiff im Krefelder Theater - man darf davon ausgehen, dass er regelmäßig ins Theater gegangen ist; bei einer Rheinreise notierte er tagebuchartig jeden Theaterbesuch und fügte auch kritische Anmerkungen bei.

Foto: Philip Lethen

1799 - Cornelius de Greiff war 17 Jahre alt - wurde in Krefeld Mozarts Zauberflöte aufgeführt, in den Jahren danach Stücke von Schiller und Shakespeare. Doch die Bestsellerautoren und Publikumslieblinge der Zeit hießen Iffland und Kotzebue. Kotzebue erlangte auch deshalb traurige Berühmtheit, weil er 1819 von dem Studenten Karl Ludwig Sand als angeblicher Vaterlandsverräter ermordet wurde. De Greiff kam dem Mörder einmal sehr nahe - in Mannheim bei seiner Rheinreise im selben Jahr.

Krefeld: Cornelius de Greiff und das Theater
Foto: Philip Lethen

An die hochwohllöblichen Krefelder anno domini 2017!

Krefeld: Cornelius de Greiff und das Theater
Foto: Philip Lethen

Es war schon ein seltsames Gefühl, das Zuchthaus zu sehen, in dem dieser Sand einsaß, der den armen und vortrefflichen Kotzebue erdolcht hat. 1819 führte mich meine Reise in die Rheinpfalz auch nach Mannheim; ich war 36 Jahre alt und habe diese Bildungsreise ansonsten sehr genossen, denn sie war erbaulich, lehrreich und kurzweilig. Viele Ruinen habe ich gesehen und wohl gemerkt, dass unsere Linner Burg keinen Vergleich scheuen muss und sich vortrefflich macht; ich war auch im Theater, so oft es eben ging, und habe in den besten Häusern der jeweiligen Stadt logiert.

 Foto oben: Eine Zigarre im Theaterfoyer - heute verboten, zu de Greiffs Zeit gehörte sie in der Pause dazu. Foto links: Cornelius de Greiff dürfte schon aus professionellem Interesse entzückt sein von dem Stoffvorrat des Theaters. Foto rechts: Kickern im Theater mit Blick auf das Seidenweberhaus.

Foto oben: Eine Zigarre im Theaterfoyer - heute verboten, zu de Greiffs Zeit gehörte sie in der Pause dazu. Foto links: Cornelius de Greiff dürfte schon aus professionellem Interesse entzückt sein von dem Stoffvorrat des Theaters. Foto rechts: Kickern im Theater mit Blick auf das Seidenweberhaus.

Foto: Philip Lethen

Ja, das Theater! Schiller war wohl ein Großer, wiewohl seine "Räuber" allzu ungut aufwühlend sind für die Seele und in mancherlei Hinsicht auch bedenklich für die Ordnung und Obrigkeit der Welt. Recht vergnüglich war es doch stets bei Kotzebue und Iffland; die beiden wussten wohl, das Gemüt zu unterhalten und in schöne Affekte zu stürzen. In Krefeld gab es auch reichlich Theater, aber meine Krefelder waren so recht nicht für die Bühne zu begeisterten. 1836 führte der hochbegabte Karl Immermann in einer Spielzeit 35 Dramen und 20 Opern auf; doch der Zuschauersaal blieb weitgehend leer. Dies ist auch deshalb höchst verwunderlich, als das Haus an der Rheinstraße zugleich ein Ball- und Weinhaus war, also zuvörderst geeignet für Kurzweil - allein: Es kamen nicht genug zahlende Gäste für reine Vergnügungen des Geistes. Vielleicht lag's ja auch daran, dass die meisten Krefelder zu arm und zu wenig gebildet waren für einen Theaterbesuch. Meine Weber hatte genug zum Leben, aber war es auch genug fürs Theater obendrein?

So blieb es lange; erst ab 1860 wuchs der Zuspruch zum Theater. 1886 beschloss der Rat der Stadt, dem Theater einen jährlichen Zuschuss zu geben, auch deshalb, um der Verlotterung entgegenzuwirken. Denn gutes Geld verdienen konnte man mit Stücken von bedenklichem Zuschnitt. Rat und Bürgerschaft sahen mit Sorge, dass "die Aftermuse, die lüsterne Operette und die abgeschmackte Posse" auf der Bühne immer weiter um sich griff. Wohlan; so ging es darum, worum es auch heute geht: Man soll schon Dinge aufführen, die die Leute sehen möchten, aber es muss auch Hand und Fuß haben und von Geist sein.

Goethe hat in seinem "Faust" zwar gesagt, man solle nur hineingreifen ins volle Menschenleben - allein, er selbst hat sich zu wenig darum geschert. Bedenkt nur die köstliche Geschichte vom lügnerischen Dorfrichter Adam in "Der zerbrochene Krug". Der große Goethe hat's nicht verstanden, hat wohl zu viel "Iphigenie" im Kopf gehabt, und so ist das Stück am Musenhof in Weimar durchgefallen. Hätt der alte Olympier mal Adam Adam sein lassen und nur recht ins volle Menschenleben hineingegriffen! Kotzebue wäre das nicht passiert.

Ihr Heutigen erfreut euch einer Schaubühne, die recht wohl beides macht: Klassisches spielen und ins volle Menschenleben greifen. Der Zuspruch ist ja vortrefflich. Nutzt es, meine Krefelder, seid dankbar, dass ein gütiges Geschick euch genug Muße und auskömmlich Geld für solcherlei schönen Müßiggang verfügt hat!

Es grüßt euch, wackere Bürgerschar, demütigst euer Cornelius de Greiff

(RP)
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