Krefeld Der Burgherr

Krefeld · Die Burg Linn und das dazugehörige Jagdschlösschen waren seit 1806 im Besitz der Familie de Greiff. Die Familie folgte damit der Mode der richtig Reichen: Landschaftsgärten mit emblematischer Staffage anzulegen. Mit Hegel zu reden: Das war eine List der Vernunft.

 Cornelius de Greiff kehrt von seinem Aufstieg auf den Burgfried zurück.

Cornelius de Greiff kehrt von seinem Aufstieg auf den Burgfried zurück.

Foto: Philip Lethen

Was einst in England als Ausdruck republikanischer Gesinnung und naturgemäßer, darin: vernünftiger Moralität begann, war nun Ausdruck bürgerlichen Selbstbewusstseins: Landschaftsgärten. Cornelius de Greiff dürfte regelmäßig Gast im Jagdschlösschen gewesen sein, das sein Bruder Philip und auch seine Nichte Marianne Rhodius bewohnten. Die Burg daneben war Staffage, hübsch anzusehen, romantisch und als verfallenes Zeugnis vergangener Zeiten auch ein bisschen Memento mori. Cornelius de Greiff dürfte die Burg aber leichten Herzens betrachtet haben: als hübsches Inventar rieseigen Grundbesitzes seiner Familie. Hier seine Eindrücke.

An die hochwohllöblichen Krefelder anno domini 2017!

 Cornelius de Greiff testet die Sitzgelegenheit oben auf dem Burgfried. Zu seiner Zeit war dort nur eine Plattform.

Cornelius de Greiff testet die Sitzgelegenheit oben auf dem Burgfried. Zu seiner Zeit war dort nur eine Plattform.

Foto: Philip Lethen

Ach wie ist die Burg, die mein Vater selig einst kaufte, immer noch schön anzusehen! Sogar schöner noch als zu meiner Zeit, da nun Mauerwerk und Dächer wieder wohlbestellt sind. Wohlan, mein Bruder Philipp hatte Sinn dafür. Er war Erbe der Burg und des Jagdschlösschens. Wir haben 1830 den berühmten Gartenkünstler Maximilian Friedrich Weyhe (1775 - 1846) beauftragt, die Burg als Zentrum in einen schönen Landschaftsgarten einzubinden. Wenn ihr Heutigen das Gefühl habt, dass rund um die Burg die Zeit stehengeblieben ist und alles so aussieht, als würde gleich ein Haufen Rittersleut übers Land auf die Burg zustürmen, dann ist das kein Zufall, sondern die Kunst Weyhes.

Und was ist das für eine tapfere Burg! Auf meiner Reise durch die Rheinpfalz im Jahre 1819 habe ich in den 26 Tagen meiner Reise 14 Theaterstücke und ein Dutzend Ruinen gesehen und muss sagen: Die Linner war mir doch die liebste.

 Wiedersehen mit sich selbst: Dieses Gemälde von Cornelius de Greiff hängt im Barocksaal der Burg Linn; die Burg gehörte seinem Bruder Philipp; die Brüder gestalteten den Landschaftgarten um die Burg gemeinsam.

Wiedersehen mit sich selbst: Dieses Gemälde von Cornelius de Greiff hängt im Barocksaal der Burg Linn; die Burg gehörte seinem Bruder Philipp; die Brüder gestalteten den Landschaftgarten um die Burg gemeinsam.

Foto: Fotos. Philip Lethen

Ach, meine Treu, es ist ja gut und ein Segen, dass all das Land in Linn, das mir und meinem Bruder, zuletzt meiner geliebten Nichte Marianne gehörte, 1926 in den Besitz der Stadt übergegangen ist. Die Burg ist doch mehr als Staffage; sie gehört allen und der Geschichte, wir haben sie geschätzt, aber vermutlich nicht genug. Spätere Generationen waren klüger; und es ist eine Freude zu sehen, wie heute Kinder in der Burg erleben können, wie es im Mittelalter zuging, oder zu sehen, wie Sonntagsmenschen dort spazieren oder sonstwie unterwegs sind, um sich von des Tages Mühen zu erholen.

Eine Villa mit einem Park zu haben gehörte in den besten Kreisen der Gesellschaft zum guten Ton: Der Schönhausenpark wurde 1865 für den Textilfabrikanten Carl Hügel (1820 - 1894) angelegt; der Sollbrüggenpark entstand um 1840, als mein Verwandter Peter de Greiff (1790 - 1845) die alte, verfallene Wasserburganlage Haus Sollbrüggen kaufte, herrichten ließ und das moderne Haus Sollbrüggen als Villa im klassizistischen Stil dazustellte. Wieder hat Weyhe den Park trefflich herzurichten gewusst; so schmal der Park ist, so sehr glaubt man doch, von der Uerdinger Straße aus in eine andere Welt zu blicken.

 Kaufmann und Ritter - Cornelius de Greiff dürfte erfreut sein, dass die Burg innen wie außen in so gutem Zustand ist.

Kaufmann und Ritter - Cornelius de Greiff dürfte erfreut sein, dass die Burg innen wie außen in so gutem Zustand ist.

Foto: Philip Lethen

Heute scheint es mir wie eine - ausnahmsweise mit diesem Hegel zu reden, den man ansonsten nie versteht - List der Vernunft zu sein: Als der Landschaftsgarten erdacht wurde, haben seine Vordenker wie der britische Philosoph Anthony Ashley Cooper, der dritte Graf von Shaftesbury, das Natürliche gelobt, die absolute Herrschaft der Könige als widernatürlich kritisiert - bis die neue Mode dergestalt à la mode war, dass die Könige selbst Landschaftsgärten anlegten. Nun, so etwas tut man nicht ungestraft, denn recht eigentlich wisperten die Gärten, die der Adel da anlegte, von der Überwindung der Herrschaft des Adels. Und sie wisperten, als wir Fabrikanten diese Gärten anlegten, weiter: davon nämlich, dass es nur recht und billig wäre, wenn so schöne Parks von allen genutzt werden können.

So hat es ein Gutes, dass es im 19. Jahrhundert Seidenbarone gab, die dem guten Geschmack folgten und dazu unermesslich reich waren, manche sagen: unverschämt reich geworden durch Ausbeutung der Weber, und solche Gärten anlegten.

 Cornelius de Greiff auf der Zugbrücke zur Burg Linn. Sein Vater Isaak hatte die Burg im Jahr 1806 gekauft.

Cornelius de Greiff auf der Zugbrücke zur Burg Linn. Sein Vater Isaak hatte die Burg im Jahr 1806 gekauft.

Foto: Philip Lethen

Sie sind ja auch klüger geworden, die Seidenbarone: Wilhelm Deuß (1827 - 1911) hat der Stadt noch zu Lebzeiten Grund und Boden für den Stadtwald vermacht und nicht gewartet, bis er gestorben war. Deuß ging überhaupt mit der Zeit: So wie ich mein Leben lang auf Handweben gesetzt habe, setzte er auf Webmaschinen und gründete 1885 seine "Mechanische Seidenweberei und Tuchfabrik Deuß & Oetker". Technisch war das die Pforte ins 20. Jahrhundert! Und als Stifter war er auch moderner! Dass ihr Heutigen im Übrigen von Stadtwald redet, ist eine Untertreibung: ein Garten ist's, ein Landschaftsgarten, und ein sehr schöner dazu.

Wie auch immer, die Zeiten haben sich geändert, heute sind alle Parks grüne Juwelen der Stadt und ihre Häuser Bürgerhäuser - allen voran die Musikschule, die einst Villa für Peter de Greiff war. So nehmt es als List der Vernunft, als wundersame und wundersam gerechte Fügung des Schicksals, dass die Parks nun den Bürgern zur Freude und zur Erholung gereichen.

Ehret sie, und gedenkt, wenn ihr dort der Ruhe pflegt und unter Bäumen den Müßiggang genießt, des Schweißes der vielen Weberfamilien, die auch zum Entstehen dieser Parks beigetragen haben.

Es grüßt euch, wackere Bürgerschar,

demütigst

euer

Cornelius de Greiff

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort