Düsseldorf. Hoch auf dem jecken Wagen

Düsseldorf. · Werfen, rufen, winken, singen: Zweieinhalb Stunden dauert die Fahrt auf dem Karnevalswagen durch Düsseldorf. Ein Bericht von der Frohsinnsgaleere der Rheinischen Post.

Susanne ist eine strenge Zuchtmeisterin. Okay, wir haben 17.000 Quietsche-Entchen dabei, 13.000 Frucht-Smileys, 2000 Sqeeze-Bälle und 800 Kilogramm Kamelle. Aber als wir gestern Vormittag bei strahlendem Sonnenschein am Düsseldorfer Rheinufer in den Wagen klettern, liegt ein Umzug von fünf Kilometer Länge vor uns. Eine Million Menschen wird am Straßenrand stehen und uns zujubeln. Das närrische Volk ist begeistert, laut -und von Gier getrieben. "Ihr wollt allen etwas geben", warnt Susanne, "aber das könnt ihr nicht." Sie ist mit dem RP-Wagen schon beim Veilchendienstagszug in Mönchengladbach mitgefahren. Sie weiß: Wir müssen das Wurfmaterial einteilen, bis zur Königsallee darf erst die Hälfte verbraucht sein, sonst wird's eng. Ihr Tipp: "Nutzt nur eine Hand zum Werfen, macht kleine Pausen, winkt auch mal nur." Oben auf dem Deck dieser Frohsinnsgaleere sind alle gleich, deswegen hat Kommandantin Susanne die Order ausgegeben, dass sich alle duzen.

Karneval ist Ausnahmezustand, aber kann beim nachgeholten Umzug, der jetzt ein Rosensonntagszug ist, überhaupt jecke Stimmung aufkommen? Und wie das geht! Schon am Rheinufer wird geschunkelt, gesungen, die Stimmung ist ausgelassen, aber nicht überdreht. Viele Familien sind da. Auf vielen Wagen dröhnen Karnevalsschlager aus den Lautsprechern. Käsewürfel, Salamisticks und Frikadellen werden herumgereicht, es gibt Prosecco und Altbier. Dann tut's einen Ruck, es geht los.

Sofort ist alles anders. Die Menschen versuchen, die Blicke der Wagenbesatzungen auf sich zu ziehen. Sie rufen laut Helau, sie winken, der erste Obelix zeigt mit beiden Händen auf sich selbst. Die Botschaft ist in allen Fällen die gleiche: Werft mir etwas zu, mir, mir, mir! Die Taktik geht auf, denn wer oben auf dem Wagen steht, sucht permanent Bezugspunkte in der Menge. Immer wieder werden aus den Quietsche-Entchen Flugenten, die sicher in der Hand des gewünschten Adressaten landen. Zu den Kindern in Reihe 1, die natürlich besonders zu bedenken sind, lässt man die Entchen ganz sanft herunterplumpsen.

Wo sind wir, kommt jetzt das Rathaus? Wer zum ersten Mal auf dem Wagen mitfährt, versucht erst gar nicht, sich zu orientieren. Die lauten Rufe, die Musik ("ich hab Zwiebeln auf dem Kopf, ich bin ein Döner"), die Sonne, das Ruckeln des Wagens - das alles verwirrt die Sinne. Also werfen, werfen, werfen. Susanne spricht kurz vor der Kö "eine globale Abmahnung" aus, es gab zu oft beidhändig kombinierte Kamelle-Flugenten-Würfe. Schuld sind Alt- und Carlstadt, in den engen Gassen haben sich in den Wohnungen Feiergemeinschaften zusammengefunden. Die Fenster sind bis hinauf in den dritten Stock geöffnet - und natürlich ist es ein besonderer Ehrgeiz, das jecke Volk dort ganz oben zu erreichen. Manche Flugente schafft es in die richtigen Arme. Und dann wie auch bei den anderen Punktlandungen werden Daumen gereckt oder es wird der Dank mit Lachen oder Winken signalisiert.

Die Kö ist der Höhepunkt, eine Triumphmeile. Da stehen Zigtausende, jeder Herrscher hätte angesichts der Jubelmassen seinen Spaß. Die meisten Besucher hier sind kostümiert (die Kostümquote liegt insgesamt bei 70 Prozent), auch Kölner Gruppen sind dabei und zeigen lautstark Flagge. Ihre Buhrufe werden im Kamelleregen erstickt. Beste Stimmung also. Das letzte Material segelt kurz vor dem Bilker Bahnhof, es hat gereicht. In Armen und Schultern zieht es etwas. Susanne sagt, wir waren gut und werden alle versetzt. Wäre schön, nächstes Jahr wieder dabei zu sein.

(RP)
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