Jüchen 100-Jähriger kämpft um Heimplatz

Jüchen · Seit Anfang 2013 wartet Emil Voetzsch auf eine Entscheidung des Sozialgerichts Düsseldorf: Das Sozialamt des Rhein-Kreises Neuss soll die Kosten für die Versorgung des 100-Jährigen übernehmen. Der pflegebedürftige Rentner kann sie nicht mehr selbst stemmen. Möglichliche Lösung des Konflikts: Wenn die Klage des Rentners abgelehnt wird, zahlt statt des Sozialamtes das Ordnungsamt.

 Der hundertjährige Emil Voetzsch bangt um seine Zukunft.

Der hundertjährige Emil Voetzsch bangt um seine Zukunft.

Foto: lothar Berns

Kein Geld für die Zeitung oder einen Kaffee - so dürftig hatte sich der hundertjährige Emil Voetzsch seinen Lebensabend nicht vorgestellt. Seit sieben Jahren lebt der fast taube und im Rollstuhl sitzende Jüchener im Seniorenzentrum "Haus Maria Frieden". Doch Rente und Pflegeversicherung reichen längst nicht mehr, um die monatlichen Kosten (Pflegestufe 2) zu decken. Auch das Geld aus dem Verkauf des Eigenheims sei weg - jeden Monat wächst für den Senior, der sein Leben lang gearbeitet hat, der Schuldenberg. Eine Räumungsklage hat die Heimleitung bereits ausgesprochen - und auch der Hundertjährige hat geklagt.

Seit Anfang 2013 wartet Voetzsch auf eine Entscheidung des Sozialgerichts Düsseldorf: Das Sozialamt des Rhein-Kreises Neuss soll die Kosten für seine Versorgung übernehmen. Doch: "In der Hauptsache ist noch nichts entschieden, die Zukunft ist für Herrn Voetzsch unklar", sagt sein Anwalt Timm Görgens. Der Jurist will jetzt einen weiteren Eilantrag stellen: Bisher hatte das Sozialamt lediglich vorläufig die Kosten übernommen.

Immer häufiger müssen die Kommunen einspringen, wenn die Rente für die Kosten des Pflegeheims zu gering ist oder wenn das eigene Vermögen nicht bis zum Lebensende reicht. "In diesem Jahr werden wir voraussichtlich 24,8 Millionen Euro als ,Hilfe zur Pflege? ausgeben müssen", erläutert Jürgen Steinmetz, Sozialdezernent des Rhein-Kreises Neuss. Im Jahr 2010 waren es noch sechs Millionen Euro weniger. Und: "Die Ausgaben werden wegen des demografischen Wandels weiter steigen", so Steinmetz. Sozialämter zahlen dann, wenn die Senioren ihre Bedürftigkeit nachweisen können und auf Pflege angewiesen sind.

Laut eines Urteils des Bundesgerichtshofs (BGH) vom Februar 2014 sind Kinder verpflichtet, für pflegebedürftige Eltern Unterhalt zu leisten. "Doch die Freibeträge sind relativ hoch. Wer ein Haus abzahlt oder Kinder großzieht, muss oft nichts zahlen", sagt Görgens. So auch im Fall von Emil Voetzsch: Bei dessen Sohn sei nichts zu holen.

John Esser, Leiter des Seniorenzentrums in katholischer Trägerschaft, hatte betont: "Wir setzen niemanden vor die Tür." Aber: Hohe Außenstände könne sich ein großes Haus mit viel Personal nicht leisten. "Wir müssen auf unsere Liquidität achten", so Esser. Auch Jüchens Bürgermeister Harald Zillikens (CDU) kann dem Hundertjährigen, den er vor kurzem zum Geburtstag besucht hatte, nicht helfen: "Der Kreis ist zuständig."

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Wenn die Klage des hundertjährigen Rentners abgelehnt wird, zahlt statt des Sozialamtes das Ordnungsamt. Die Räumungsklage wird vollstreckt - und in der nächsten Sekunde würde ein Mitarbeiter des Ordnungsamtes den Senior zurück aufs Zimmer bringen. Denn ohne Obdach und Pflege besteht für ihn Lebensgefahr.

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