Düsseldorf Iraker geht freiwillig zurück

Düsseldorf · Kret Muhi Ismael flüchtete vor fünf Monaten nach Deutschland. Weil seine Hoffnungen auf ein besseres Leben enttäuscht wurden, geht er jetzt freiwillig in seine Heimat. Der 41-Jährige ist kein Einzelfall.

Kret Muhi Ismael will nur noch weg. Weg aus Deutschland. Ein Koffer, ein Rucksack und zwei Getränkeflaschen sind alles, was er mit sich trägt. Ungeduldig steht er in der Schlange vor dem Check-in-Schalter am Düsseldorfer Flughafen, Terminal C, Schalter 201. In zwei Stunden geht der Flieger zurück nach Erbil und in das Land, aus dem er flüchtete. Ismael ist Iraker, vor fünf Monaten kam er nach Deutschland, in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Nun kehrt er freiwillig zurück in das Land, aus dem sich so viele in Richtung Europa aufmachen. "Ich will nie zurückkommen", sagt er. Nach Wochen in einer engen Notunterkunft ohne Aussichten auf Asyl ist sein Traum von Deutschland vorbei.

Immer wieder kehren Migranten, hauptsächlich Asylbewerber wie Ismael, freiwillig in ihre Heimat zurück. 2015 nahmen bundesweit 37.220 Menschen an der von Bund und Ländern mitgetragenen Rückkehrförderung teil. In Nordrhein-Westfalen waren es 8213, allein im vergangenen Februar 1278. Die meisten von ihnen (531) gingen nach Albanien. 177 Menschen reisten zurück in den Irak. Hinzu kommen Menschen, die auf anderen, inoffiziellen Wegen heimkehren.

Im vergangenen Herbst entscheidet sich der heute 41-jährige Kret Muhi Ismael, aus seiner Heimat zu fliehen. Von Erbil, der Hauptstadt der autonomen Region Kurdistan, fliegt er zunächst nach Istanbul. Nach einer kurzen Busreise sitzt er mit über 60 anderen Flüchtlingen in einem sechs Meter langen Schlepper-Boot, das ihn auf eine griechische Insel bringt. Auf offener See verliert er seinen irakischen Ausweis, was ihm später Probleme mit den deutschen Behörden einbringen wird. Über die Balkanroute gelangt er zunächst nach Österreich, seine Flucht endet schließlich im thüringischen 1600-Seelen-Dorf Wandersleben nahe Gotha. Er wird in einer zur Notunterkunft umfunktionierten Turnhalle untergebracht. Sechs Wochen verbringt er dort, wo Bett an Bett gereiht ist und 50 Menschen auf engstem Raum leben. "Das Essen war schlecht, genau wie die Unterkunft", sagt er.

In seiner Heimat war Ismael Mitglied einer Band. Er spielte Schlagzeug und Flöte und wollte auch in Deutschland Musiker werden, doch er bekam keine Chance. Seine Hoffnungen auf ein besseres Leben sind nach insgesamt fünf Monaten Flucht erloschen. Für die Rückreise hat man ihm in Frankfurt ein sogenanntes Laissez-passer-Reisedokument ausgestellt. Seit 1994 gibt es solche Passierscheine, die zum Beispiel freiwilligen Rückkehrern den Weg erleichtern sollen, wenn sie ihre Dokumente verloren haben.

Menschen wie Ismael müssen die Reise nicht auf eigene Faust antreten. In Deutschland können sich Rückkehrer an die Internationale Organisation für Migration (IOM) wenden. Diese organisiert im Auftrag von Bund und Ländern das Programm REAG (Re-Integration and Emigration Programme for Asylum Seekers in Germany), durch das Beförderungskosten übernommen und Reisebeihilfen gegeben werden. Zusätzlich kann über das ebenfalls von der IOM durchgeführte Programm GARP (Government Assisted Repatriation Programme) Starthilfe in Höhe von 500 Euro pro Erwachsenem und 250 Euro pro Kind unter zwölf Jahren beantragt werden. Die gesamte finanzielle Hilfe erhalten jedoch nur Staatsangehörige bestimmter Staaten. Der Irak gehört dazu. Staatsangehörige Albaniens, Serbiens und Montenegros bekommen lediglich ihre Reisekosten erstattet.

Die Gründe für Migranten, Deutschland wieder zu verlassen, sind unterschiedlich. "Ein Großteil der Rückkehrer hat objektiv keine rechtliche Bleiberechtsperspektive, da sie weder eine Asylanerkennung noch eine sonstige Aufenthaltsberechtigung erhalten", erklärt Kira Gehrmann vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Auch seien vielfach familiäre oder soziale Gründe ausschlaggebend.

Kret Muhi Ismael hat die Förderung nicht beantragt. Die 280 Euro, die sein Flug von Düsseldorf nach Erbil kostet, hat er von einem Freund aus der Notunterkunft in Thüringen bekommen. Von den 4000 Dollar, die er mit auf seine Flucht nahm, ist kaum etwas übrig.

In den Flieger steigt er allein, von Erfurt bis nach Düsseldorf hat ihn sein Freund Bakir begleitet. Bakir ist ebenfalls irakischer Flüchtling, lebt in Gotha mit vier anderen Asylbewerbern in einem Flüchtlingsheim. Er scheint die Entscheidung verstehen zu können. "Vor allem im Osten gibt es manche Nazis, die ihn wegen seiner Hautfarbe schlecht behandelt haben. Dort gibt es keine Liebe für Flüchtlinge", erzählt er. Im Westen Deutschlands sei das anders.

Im Gegensatz zu Ismael will Bakir nicht zurück. Im Irak musste er drei Monate für die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) kämpfen, bevor er fliehen konnte. "Man hat mich gezwungen, mir einen Bart wachsen zu lassen und mit einer Waffe zu feuern", erzählt er. Wenn er sein Sprach-Diplom abgelegt hat, will der 18-Jährige in Jena sein Medizin-Studium fortsetzen. Seine Chancen, als Asylbewerber anerkannt zu werden, seien gut. "Ich will für den Rest meines Lebens hier bleiben."

(tsp)
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