Dinslaken/Duisburg Islamist Nils D. galt als Außenseiter

Dinslaken/Duisburg · In Dinslaken hat ein Islamist unbemerkt im städtischen Schulausschuss mitgewirkt. Der Mann mietete auch das Büro an, in dem sich die "Lohberger Gruppe" traf. Der verhaftete Nils D. galt in der Schule und im Viertel als Außenseiter.

Islamist aus Dinslaken 2015 festgenommen
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Islamist aus Dinslaken 2015 festgenommen

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Foto: dpa, rs pzi

Auf seiner Facebookseite hat sich Nils D. den Namen "Peter Pann" gegeben. Ein Großteil der Einträge und Fotos des 24 Jahre alten Dschihadisten aus Dinslaken, der seit Sonntag in Untersuchungshaft sitzt, werden vermutlich gelöscht worden sein. Geblieben ist sein Profilbild, das einen kleinen Jungen mit einer Fahne mit arabischen Schriftzeichen zeigt. Ansonsten deutet dort nicht viel auf den mutmaßlichen Terroristen hin, der von der Generalbundesanwaltschaft verdächtigt wird, für die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) eineinhalb Jahre lang in Syrien gekämpft zu haben. Stattdessen liest man in seinem Profil, dass er über Comedian Tom Gerhardt lacht, amerikanische Serien und Mafiafilme schaut und gerne im Designer-Outlet in Roermond einkauft.

Die Ermittler schätzen, dass diese Einträge aus der Zeit stammen müssen, als Nils D. noch nicht Teil der "Lohberger Brigade" war. Etwa 25 Mitglieder umfasste die als Keimzelle des Salafismus geltende Gruppierung zu Hochzeiten einmal - die Hälfte von ihnen schloss sich den IS-Terroristen an. Gegen acht Mitglieder ist ein Ermittlungsverfahren anhängig. Neben Nils D. sind mindestens vier weitere von ihnen zurück in Dinslaken. Dem Innenministerium liegen zudem Hinweise vor, dass vier Lohberger Dschihadisten im Krieg getötet worden sind. Darunter sollen sich Marcel L., Mustafa K. und Philip B. befinden - allesamt Gründungsmitglieder. Aus Sicherheitskreisen heißt es, dass der Tod seines Cousins Philip Nils D. dazu bewegt haben könnte, wieder nach Dinslaken zurückzukehren.

D. galt bis zu seiner Radikalisierung vor etwa drei Jahren als Außenseiter. Er war bereits im Jugendalter Vater geworden, soll Drogen genommen und in der Hauptschule gehänselt worden sein, erzählt man sich im Viertel. Dann muss ihn irgendwann sein drei Jahre älterer Cousin Philip B. mit den Lehren des radikalen Salafismus in Kontakt gebracht haben.

Vermutlich nahm B. seinen Cousin eines Abends mit ins Büro des Bildungsvereins, wo sich die Extremisten der "Lohberger Gruppe" zwischen 2011 und 2013 regelmäßig trafen. Das Zimmer lag Tür an Tür mit dem des Integrationsamtes der Stadt Dinslaken, dessen Mitarbeiter aber nichts davon mitbekamen, was nebenan vor sich ging. Hans-Karl Bellinghausen ist für die Vermietung der Räumlichkeiten in dem Gebäude zuständig. Er erinnert sich noch gut an die damaligen Verhandlungen mit Mustafa T., dem Vorsitzenden des Bildungsvereins. "Wir hatten keinerlei Veranlassung, an der Seriosität des Vereins zu zweifeln", berichtete er gestern. Mustafa T. sei sehr überzeugend aufgetreten und habe erklärt, dass der Verein sich dem Ziel verschrieben habe, Jugendliche von der Straße zu holen und ihnen ein Leben zu ermöglichen, wie es T. selber führe. Für die Seriosität des Vereinsvorsitzenden sprach auch, wie die Stadt einen "FAZ"-Bericht bestätigte, dass er einige Zeit als Vertreter der islamischen Gemeinden im Schulausschuss saß.

Nicht nur in Dinslaken rekrutieren islamistische Hassprediger junge Männer für den radikalen Salafismus. Landesweit versuchen Islamisten, Kräfte für ihre menschenverachtenden Zwecke zu mobilisieren. Auch in der Nachbarstadt Duisburg warben sie nach Recherchen unserer Zeitung für den "Islamischen Staat".

Für den Duisburger Ergün M. waren es die Schuhe, die ihm als Erstes auffielen und die ihn stutzig machten. Statt teurer Sneaker trug sein bester Freund plötzlich schwarze Stoffschlappen "Ich habe gesagt ,Alter, bist du jetzt ein Penner, oder was?'", so Ergün. "Doch der faselte immer irgendwas von Allah. So ein Zeug halt, dass wir alle ungläubig seien." Aber wirklich ernst habe das zunächst niemand genommen. "Wir dachte, das sei eine Phase." Nach und nach änderte der Freund sein ganzes Erscheinungsbild. Auch einen Vollbart ließ er sich wachsen. In die Schule kam er immer seltener. Irgendwann, erinnert sich Ergün, habe sein Freund ihn dazu überredet, mal mitzukommen in eine Wohnung in Duisburg-Wanheimerort. Er müsse da unbedingt jemanden kennenlernen. "Das war ein Salafistenanführer - so ein Typ mit Bart und Umhang wie aus den Filmen bei Youtube. Der wollte, dass ich so werde wie mein Freund, weil es mir dann besser geht", sagt Ergün. Er sei dann irgendwann gegangen. "Ich konnte mir den Mist nicht länger anhören."

Während Ergün mit dem Salafismus nichts zu tun haben wollte, bemerkte er, dass sich neben seinem besten Freund auch andere Bekannte in seinem Umfeld einen Bart wachsen ließen und sich anders kleideten. Das sei auf einmal cool gewesen. "Die schaukelten sich gegenseitig hoch. Der eine wollte den anderen übertreffen in seinem Glauben an Allah." Doch dann habe es einen Wendepunkt gegeben, als einige davon erzählten, nach Syrien gehen zu wollen, um dort zu kämpfen. "Als das losging, haben viele mit dem Quatsch aufgehört, sich wieder normal gekleidet und die Bärte abrasiert." Einige wenige seien aber tatsächlich in den Krieg gezogen - auch sein bester Freund. Nach Syrien zu kommen - unbemerkt von den deutschen Sicherheitsbehörden - , sei kein Problem. "Die meisten fliegen von Frankreich oder Holland in die Türkei." Von dort aus gehe es mit dem Auto weiter. "Das ist viel zu einfach", stellt Ergün fest.

(RP)
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