Wirbel um SPD-Bürgermeister Was passierte wirklich bei Kodi in Gelsenkirchen-Horst?

Gelsenkirchen · In einem Facebook-Post berichtet ein Gelsenkirchener Bezirksbürgermeister von einer Gruppe Migranten, die in einer Kodi-Filiale randaliert haben sollen. In Gelsenkirchen befeuert dies die Debatte um Sicherheit. Dabei sind Zweifel an der Echtheit der Geschichte angebracht.

 Eine Filiale der Kodi-Supermarktkette. (Symbolbild)

Eine Filiale der Kodi-Supermarktkette. (Symbolbild)

Foto: barth

Die Polizeiwache in Gelsenkirchen-Horst stand in den vergangenen Wochen immer wieder in der Kritik. Die Einwohner Horsts fühlen sich in ihrem Viertel nicht mehr sicher. Mit einer Unterschriftenaktion haben sie sich für eine höhere Polizeipräsenz stark gemacht. Die Bürger bemängeln, dass die Erreichbarkeit der Polizei vor Ort zunehmend schwierig werde.

Unterstützung erhielt die Initiative auch von Bezirksbürgermeister Joachim Gill (SPD): "2012 waren noch zehn Beamte im Dienst, heute sind es fünf", kritisierte Gill im Herbst 2016 bei einer Sitzung der Bezirksvertretung den Vorstoß der zuständigen Polizeipräsidentin, die Wache in Horst mit dem benachbarten Stadtteil Erle zusammmenzulegen. "Horst als rechtsfreien Raum zu bezeichnen, wäre übertrieben", sagte der amtierende Bürgermeister. Aber schon jetzt gebe es Menschen, "die die reduzierten Öffnungszeiten der Wache und den Personalmangel ausnutzen", sagte Gill in der Sitzung.

Die Debatte über die mangelnde Polizeipräsenz in Horst wird nun durch einen Facebook-Post des Bürgermeisters weiter befeuert. Darin macht er auf einen vermeintlichen Vorfall in einer Kodi-Filiale in der Essener Straße aufmerksam, der sich laut Mitarbeiterinnnen der Filiale so aber nicht ereignet habe.

Unter dem Account des Horster Anzeigenblatts "Familienpost Horst", das laut eigener Aussage von Bügermeister und Journalist Joachim Gill in Personalunion betrieben wird, schrieb er von einer "Gruppe von fünf jungen Männern südländischer Herkunft", die in einer Kodi-Filiale randaliert, Kunden Gewalt angedroht und die Mitarbeiterinnen beschimpft hätten. Daraufhin brach bei Facebook eine Debatte um die Sicherheit der Horster, die mangelden Polizeipräsenz und kriminelle Migranten los.

Der Bürgermeister schließt seinen Kommentar mit dem Hinweis, dass sich die Situation sicherlich schneller hätte beruhigen lassen, wenn die Polizeiwache in Horst besser besetzt gewesen wäre. Eine Position, die er sowohl als Journalist der "Familienpost" sowie als Bezirksbürgermeister und Bürger von Horst vertrete, sagte Gill unserer Redaktion.

Die Mitarbeiterinnen der Kodi-Filiale hingegen stellen den Vorfall deutlich anders dar. "So wie das dargestellt wurde, ist es nicht gewesen", sagt eine Mitarbeiterin, die wie ihre Kolleginnen namentlich nicht genannt werden möchte. "Wir waren entsetzt, als wir von der Dartstellung des Bürgermeisters gehört haben", sagt die Mitarbeiterin unserer Redaktion. "Dass man das so aufbauscht, ist zu viel des Guten. Man hat aus einer Maus einen Elefanten gemacht."

Niemand habe sich bedroht gefühlt, sagt die Mitarbeiterin. "So verhalten sich manche Jugendliche leider nun mal - egal ob Russen, Polen, Südländer oder Deutsche." Eine Gruppe junger Männer habe Feuerwerkskörper kaufen wollen, seien dafür aber nicht alt genug gewesen. Die Jugendlichen seien daraufhin tatsächlich wütend geworden, erzählt die Mitarbeiterin; hätten gegen die Kisten mit dem Feuerwerk getreten. Auch ein paar dumme Sprüche seien gefallen, heißt es im Kodi-Team.

Eskaliert sei die Situation aber bei weitem nicht, sagt die Mitarbeiterin. Man habe die Jugendlichen gebeten die Filiale zu verlassen, was diese dann auch getan hätten.

An dieser Stelle wurde Bürgermeister Joachim Gill Zeuge des Geschehens: "Die Jugendlichen haben andere Kunden beleidigt und Schläge angedroht", sagt Gill unserer Redaktion auf Nachfrage. "Genau so ist das gewesen. Ich habe nichts geschrieben, was ich nicht selbst beobachtet habe." Die Mitarbeiterinnen hätten ihm gesagt, die Polizei nicht rufen zu wollen, aus Angst, die Jugendlichen könnten den Frauen auf dem Nachhauseweg auflauern und sich rächen, erzählt Gill weiter.

Der Post hat bei Facebook mehr als 60.000 Menschen erreicht. Für das kleine Anzeigenblatt ein Rekord, erzählt Joachim Gill. "Ich hätte nie gedacht, dass der Post einen solchen Wind auslöst", sagt der SPD-Bürgermeister. Der Post habe augenscheinlich einen Nerv getroffen. "Das ist die allgemeine Stimmung in der Stadt", sagt Bürgermeister Gill. "Die Leute fühlen sich bedroht."

Joachim Gill verbreitet Fake News gegen Migranten bei Facebook
Foto: Facebook
Joachim Gill verbreitet Fake News gegen Migranten bei Facebook
Foto: Facebook

Aber auch an der Darstellung des Bürgermeisters zweifeln die Gelsenkirchener, der inzwischen eingesteht, etwas vorschnell geurteilt und böse Geister geweckt zu haben. Eine Falschnachricht habe er aber nicht verbreitet.

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