Ärger um Brauchtum in NRW Anwohner müssen mit Lärm an Karneval leben

Düsseldorf · Die Stadt Kleve genehmigt einer Karnevalsgesellschaft drei Prunksitzungen, obwohl die Behörde Lärmbelästigungen für die Anwohner einräumt. Das öffentliche Interesse an den Sitzungen sei wichtiger als die Nachtruhe für die Anlieger.

Lärmbelästigung an Karneval: Das sagen unsere Leser
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Foto: Berney

Hans-Peter Suchand vom "Comitee Düsseldorfer Carneval" gilt als rheinische Frohnatur, den eigentlich nichts so schnell aus der Ruhe bringen kann. Doch wenn man ihn an die Brauhaussitzung der "Tonnengarde Niederkassel" vor einer Woche erinnert, schüttelt er immer noch fassungslos den Kopf. An dem Abend, so berichtet Suchand, standen plötzlich zwei Mitarbeiter des Ordnungsamtes im Saal, die darum baten, die Musik leiser zu stellen. Ein Anwohner hätte sich beschwert. Die Karnevalisten reduzierten daraufhin die Lautstärke. Doch das reichte den Nachbarn noch nicht aus, so dass eine Stunde später die Ordnungshüter noch einmal auf der Matte standen und daraufhin die Veranstaltung abgebrochen wurde. "Solche Anwohnerbeschwerden sind verheerend für den Karneval", sagt Suchand.

Immer wieder klagen Anwohner über zu laute Musik bei Karnevalsveranstaltungen - meistens richten sich die Beschwerden gegen Sitzungen in Festzelten oder anderen Räumlichkeiten. Ebenfalls in Düsseldorf drohte ein Anwohner dem Präsidenten der Benrather Karnevalsgesellschaft "Schlossnarren" mit der Faust, weil das Festzelt angeblich vier Zentimeter auf sein Grundstück rage.

Bernd Gothe, Vorsitzender des Mönchengladbacher Karnevalsverbandes, fordert die Behörden auf, dass Allgemeinwohl - in dem Fall die Interessen der Karnevalisten - über das eines einzelnen Anwohner zu stellen. "Es kann nicht sein, dass eine einzige Person eine Veranstaltung für Hunderte unterbinden kann", betont Gothe. Die Stadt Kleve hat genau das nun gemacht und der Karnevalsgesellschaft "Brejpott-Quaker Kellen" eine Ausnahmeregelung für ihre diesjährigen drei Prunksitzungen im Schützenhaus erteilt, zu denen jeweils 400 Gäste kommen. Ein Nachbar wollte das verhindern, weil er sich durch den Lärm belästigt fühlte - jahrelang hatte es deshalb immer wieder Ärger gegeben. Nun das Machtwort der Stadt. In der Begründung heißt es dazu wörtlich: "In Anbetracht der durch die Veranstaltung zu erwartende Lärmbelästigung wird währenddessen eine Störung der Nachtruhe der Anwohner nicht zu vermeiden sein. Der Schutz der benachbarten Anwohner vor unzumutbarer Lärmbelästigung muss aber gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Durchführung ihrer Veranstaltung zurücktreten." Der Präsident der Kellener Karnevalsgesellschaft, Helmut Vehreschild, erklärte nach dem jahrelangen Streit erleichtert: "Jetzt haben wir es amtlich. Wir dürfen bis zwei Uhr morgens feiern."

Es ist bei weitem nicht nur der Lärm, der Anwohner ärgert. Massiv gestiegen seien besonders die Beschwerden über sogenannte Wildpinkler, die ihre Notdurft während der jecken Tage in Vorgärten und an Hauswänden verrichten, berichtet Heribert Büth vom Ordungs- und Verkehrsamt der Stadt Köln. "Allein am 11. 11. haben wir 300 Personen erwischt, die das gemacht haben", sagt er. Die Dunkelziffer läge aber ein Vielfaches darüber, betont Büth. Das Problem sei, dass die dabei erwischten Personen in der Regel sehr aggressiv reagierten und meist nicht alleine seien, wenn man sie auf ihr Fehlverhalten hinweise. "Darum benötigen wir für solche an sich banalen Einsätze acht bis zehn Leute, damit wir uns nicht selbst in Gefahr bringen", sagt Büth. Wie das Problem zu lösen ist, weiß auch er nicht. Mehr Toilettenwagen würden nur bedingt helfen. "Spätestens wenn es dunkel wird, geht da keiner mehr drauf und macht dorthin, wo er will", sagt Büth.

(RP)
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