Brauchtum im Rheinland Karneval stört immer mehr Bürger

Düsseldorf · Die Zahl der Beschwerden über angeblich zu laute Sitzungen wächst. Die Karnevalisten beklagen die mangelnde Akzeptanz des Brauchtums, die Linken fordern die Verlagerung ins Gewerbegebiet.

Lärmbelästigung an Karneval: Das sagen unsere Leser
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Foto: Berney

Polizei und Ordnungsamt müssen in der Karnevalszeit immer häufiger wegen vermeintlicher Lärmbelästigung ausrücken. In der Landeshauptstadt sorgten Anwohnerproteste sogar dafür, dass die Sitzung der "Tonnengarde Niederkassel" wegen angeblich zu lauter Musik zum ersten Mal in ihrer Geschichte abgebrochen werden musste. In Düsseldorf-Benrath monierte ein Anwohner, dass das Bierzelt des Karnevalsvereins "Schlossnarren" vier Zentimeter zu weit in seinen Hauseingang rage. "Karneval bedeutet Ausnahmezustand. Normale gesetzliche Regelungen sind da kaum durchsetzbar", sagte ein Sprecher des Ordnungs- und Verkehrsamts der Stadt Köln.

Der Düsseldorfer Karnevalsprinz Christian Zeelen bedauert die mangelnde Akzeptanz des Brauchtums. "Es ist schade, dass so etwas in dieser Häufigkeit auftritt", sagte Zeelen. "Grundsätzlich wird es aber immer Leute geben, die sich über alles und jeden beschweren."

Nicht nur in den Karnevalshochburgen Köln und Düsseldorf häufen sich die Beschwerden. Landesweit klagen Karnevalsgesellschaften über wachsenden Widerstand in der Nachbarschaft. So gab es in Kevelaer Ärger wegen der Lautstärke des Rosenmontagszugs. In Nettetal reagieren Anwohner seit Jahren empfindlich auf Musik in den Festzelten. In Kleve musste die Karnevalsgesellschaft "Brejpott-Quaker Kellen" wegen Anwohnerprotesten in diesem Jahr bei der Stadt eine Ausnahmegenehmigung für ihre Prunksitzungen beantragen.

"Die Toleranzgrenze ist niedriger geworden", sagte Bernd Gothe, Vorsitzender des Mönchengladbacher Karnevalsverbandes. Ihn ärgert es vor allem, dass die Anzeigen zumeist anonym getätigt werden. "Wer sich über laute Musik beschwert, sollte auch die Courage besitzen, seinen Namen zu nennen." Man könne schließlich über alles reden und gemeinsam eine Lösung finden, so Gothe.

Für Darius Dunker, stellvertretender Landessprecher der Linken, könnte eine Zunahme der üblichen Lautstärke in den Festzelten und höhere Bassanteile in den Musikanlagen ein Grund für die vermehrten Beschwerden sein. "Die Verlagerung von Festzelten in Gewerbegebiete oder ähnliche Orte kann in einigen Fällen ein Ausweg sein", betonte Dunker. "Es sollte niemand gezwungen sein, über Wochen hinweg regelmäßig überlaute Karnevalsveranstaltungen in der Nachbarschaft ertragen zu müssen." Besser wäre es aber, so Dunker, wenn beide Seiten aufeinanderzugehen würden, statt zu streiten.

Der Düsseldorfer CDU-Landtagsabgeordnete Peter Preuß wirbt für etwas mehr Gelassenheit: "M´r muss och jönne könne." Der Straßenkarneval sei Teil des rheinischen Brauchtums, betonte Preuß. "Und spätestens an Aschermittwoch ist alles wieder vorbei." Ähnlicher Meinung ist Robert Orth von der FDP-Landtagsfraktion, der selbst jahrelang an der Wegstrecke des Düsseldorfer Rosenmontagszuges gewohnt hat. "Es ist nicht immer Karneval. Das gehört im Rheinland einfach so dazu wie die Fronleichnamsprozession", erklärte Orth.

Mehr Toleranz erhofft sich auch Kölns Erzbischofs Rainer Maria Kardinal Woelki. Er weist darauf hin, dass Karneval einen Seiten- und Perspektivwechsel bedeute, der lehre, die Dinge mit anderen Augen zu sehen. "Wer richtig Karneval feiert, nimmt davon etwas mit in den Alltag, in dem das Recht des Stärkeren und die Macht des Geldes den Ton angeben", so der Erzbischof.

(RP)
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