Bizarre Rituale SEK-Skandal wird zur Groteske

Düsseldorf · Vier Monate nach dem ersten Medienbericht über das bizarre Aufnahmeritual bei einem Kölner Spezial-Einsatzkommando (SEK) streiten Politiker, Ministerialbeamte, Polizeifunktionäre und Anwälte noch immer um die Deutungshoheit. Seit der - inzwischen zweiten - Debatte am Donnerstag im Innenausschuss ist klar: Um die Sache geht es kaum noch.

So arbeitet ein Spezialeinsatzkommando (SEK)
Infos

So arbeitet ein Spezialeinsatzkommando (SEK)

Infos
Foto: dpa, mb htf olg

Die Fakten Die Staatsanwaltschaft hat gegen zehn SEK-Beamte ermittelt. Und hält fest: Zwei SEK-Anwärter mussten "auf dem Boden vor einem sitzenden Kommandomitglied knieend ein aus einer Tsatsiki-Knoblauch-Chili-Mischung hergestelltes Eis essen, welches ekelerregend schmeckte und das sich zwischen den Oberschenkeln eines der Kommandomitglieder befand".

Einer von ihnen übergab sich dabei. Die Staatsanwaltschaft listet weitere Ritual-Demütigungen auf. Unter anderem wurde den Anwärtern "nacheinander eine das gesamte Gesicht bedeckende Tauchermaske übergezogen und durch einen Luftschlauch Alkohol eingefüllt". Sie waren teilweise mit Handschellen gefesselt. Das Verfahren wird eingestellt, weil die Anwärter freiwillig mitmachten. Trotzdem verfügt Polizeipräsident Wolfgang Albers die Auflösung des SEK. Disziplinarisch lässt er weiter ermitteln.

Die Bagatellisierer Die Polizeigewerkschaften halten das Vorgehen von Albers für eine Vorverurteilung. Er dürfe das SEK nicht auflösen, weil das Ergebnis der disziplinarischen Ermittlungen noch nicht vorliege. Hinter vorgehaltener Hand relativieren sie das Ritual als Teil einer üblichen Praxis. Motto: Harte Jungs spielen eben andere Spiele. Ähnlich argumentieren die Personalräte im Kölner Polizeipräsidium, die der Auflösung des SEK ihre Zustimmung verweigern - mit noch unklaren Folgen für die Rechtskraft der SEK-Auflösung.

Die Regierungsparteien im Landtag wollen gar nicht mehr über das Thema sprechen, bis die Disziplinarverfahren abgeschlossen sind. Das kann inklusive Gegenklagen der SEK-Anwälte Jahre dauern. Im Kern fußt die Argumentation der Bagatellisierer auf der Einstellung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen.

Die Skandalisierer Innenminister Ralf Jäger (SPD) hingegen deckt das harte Vorgehen von Albers: "Das von der Staatsanwaltschaft festgestellte Verhalten ist losgelöst von der strafrechtlichen Relevanz eine Frage von Moral und Anstand und beamtenrechtlich in keiner Weise akzeptabel." Eine teilweise übertriebene Darstellung des Rituals vor dem Innenausschuss musste das Ministerium wieder zurücknehmen. Die CDU fordert den Rücktritt des SPD-nahen Polizeifunktionärs Albers. Zwischenzeitlich hatte sie ihm auch mangelndes Aufklärungsinteresse vorgeworfen, jetzt moniert sie dessen angeblich übertriebene Reaktion.

Die Folgen Wahrscheinlich wird es derartige Aufnahmerituale bei der NRW-Polizei nicht wieder geben - dafür hat der Fall zu hohe Wellen geschlagen. Das Innenministerium hat außerdem neue Kriterien für die Auswahl der Führungsbeamten bei den Spezialeinheiten des Landes angekündigt. Die Beamten des aufgelösten SEK will Albers - je nach ihrer Beteiligung am Ritual - entweder in andere SEK oder in den Streifendienst versetzen.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort