Leander Haussmann "Bei mir ist alles aus dem Desaster entstanden"

Der Regisseur hat seine Autobiografie vor allem als Beschreibung eines vielfachen Scheiterns angelegt.

Düsseldorf Er ist ein Theatertier: Schauspieler und Regisseur Leander Haußmann. Von 1995 bis 2000 war der aus Quedlinburg stammende Schauspielersohn Intendant des renommierten Bochumer Schauspielhauses. An vielen großen Bühnen hat er als Regisseur gearbeitet, in Filmen wie "Männerpension" und "Sonnenallee" spielte er Hauptrollen. Jetzt hat Haußmann ein Buch geschrieben. "Buh" heißt diese kleinteilig und kurzweilig erzählte Autobiographie. "Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück" im Untertitel – dieser führte den Autor von Misserfolg zu Misserfolg. Als einen seiner größten Feinde beschreibt Haußmann die Langeweile.

Was ist Langeweile und was ist für Sie das Gefährliche an ihr?

Haussmann Das ist jetzt kein Geheimnis, aber ich bin ein hibbeliger Typ. Kein Mensch, der in sich ruht oder viel Geduld hat – mit anderen Menschen ebenso wenig wie mit sich selbst. Langeweile ist der Zustand, wo die Konfrontation, der Antagonismus, der Widerspruch sich versteckt. Die Menschen sind aber gegensätzlich, und wenn man Gegensätzlichkeiten austauscht, kann es zu Erkenntnissen kommen. Wenn ein Abend die hervorbringt, dann bin ich zufrieden. Es gibt ja aus den 60ern so eine Kultur des Streits, wo man sich nichts schenkt, aber danach auch nicht beleidigt ist und 30 Jahre nicht mehr miteinander spricht. Diese Kultur hätte ich gerne im Leben. Es gibt Floskeln, die machen mich fertig.

Zum Beispiel – "alles gut?".

Haussmann Diese Frage finde ich respektlos. Es ist klar, dass nicht alles gut ist. Gerade in unserem Alter. Es sterben die Eltern, es wird immer schwieriger, sich in dieser Welt zurechtzufinden. Und wenn man antwortet ,nö', dann bringt man den ganzen Kreislauf durcheinander, und die Leute fühlen sich provoziert.

Sind Erfahrungen langweilig, die ganz geradlinig zu einem Erfolg führen – und haben Sie deswegen nicht in das Buch gefunden?

Haussmann Das Buch ist ja nicht nur eine Autobiografie des Scheiterns. Hier geht es um Identifikation mit dem Leben. Die wenigsten Menschen empfinden sich als die großen Gewinner. Die, die es tun, sind Psychopathen. Für das Buch habe ich die besten Kritiken in meinem ganzen Leben bekommen. Aber viele protestieren: Er schreibt doch gar nicht über seine großen Erfolge am Schauspielhaus Bochum! So schwer hat er es gar nicht gehabt! Aber darum geht es nicht. Erfolg ist eine sehr subjektive Angelegenheit und sehr ambivalent. Til Schweiger und Matthias Schweighöfer, um jetzt mal die beiden erfolgreichsten Filmemacher zu nennen, die ich kenne, sind keine glücklichen Menschen.

Freuen Sie die guten Kritiken?

Haussmann Eigentlich ist Lob etwas, das ich in meinem Leben noch nie haben konnte. Ich versuche das dann kaputt zu machen. Vielleicht liegt das an meiner Biografie: Lob von Lehrern kenn' ich gar nicht. Dann habe ich eine Ausbildung gemacht, und es war auch alles Sch. .... Dann war ich bei der Armee – davon reden wir gar nicht. In der Schauspielschule sollte ich rausgeschmissen werden. In Weimar wurde ich rausgeschmissen, in Parchim auch. Also kann man sagen, dass bei mir immer alles aus dem Desaster entstanden ist und dass ich den Umgang mit dem Desaster auch gelernt habe. Ich gehe da aufrecht raus.

Sie haben die Jahre zwischen 40 und 50 einmal als Jahrzehnt der Krise beschrieben. Hadern Sie mit Ihrem Alter?

Haussmann Ich hadere nicht, ich stelle fest. Was mich nervt, sind eitle Geschichten: dass ich den Haarausfall meines Großvaters mütterlicherseits geerbt habe. Und dann kommt der Schildkrötenhals langsam dahergelatscht. Und plötzlich merkt man, man kann noch so viel Sport machen und sieht trotzdem aus wie Homer Simpson – wie so ein Flaschenkürbis. Plötzlich kommt der Tag, wo sich alles summiert.

Ist das dann ein Impuls, eine Autobiografie zu schreiben, als Zwischenfazit?

Haussmann Der Anlass war auch der Vorschuss und die Aussicht, dass ich nicht draußen arbeiten muss, nachdem mein Vater gestorben und mein Kind geboren war, dessen Geburt ich ja auch noch verpasst hatte. Es lag einiges in meinem Privatleben im Argen. Das Buch sollte erst eins über meinen Vater werden. Im Verlauf eines Jahres habe ich jedoch vom ausführlichen Beschreiben dieser Situation Abstand genommen. Ein Buch muss unterhaltsam sein, und man soll Spaß daran haben. Egal, wo man es aufschlägt, steht jetzt ein guter Satz, der einen in die Geschichten zieht.

(RP)
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