Ruhrtriennale Der Klang der Großstadt in Duisburg

Duisburg · Bei der Ruhrtriennale inszeniert Mathilde Monnier "Surrogate Cities Ruhr" von Heiner Goebbels.

Von allen Spielstätten der Ruhrtriennale ist die Duisburger Kraftzentrale der klarste und monumentalste Raum. Die Bochumer Jahrhunderthalle ist zwar insgesamt größer, aber sie wird immer nur partiell bespielt. In Duisburg kommen also Projekte besonders effektvoll zur Geltung, die so niemals in einem normalen Theater spielen könnten. Wie jetzt, gegen Ende von Heiner Goebbels' letzter Saison als Intendant, die Kreation "Surrogate Cities Ruhr", eine Choreographie von Mathilde Monnier auf seine eigene mehr als 20 Jahre alte, aus sieben Sätzen bestehende Symphonie der Großstadt.

Zwei steile Zuschauertribünen stehen einander in der gigantischen Halle im weiten Abstand gegenüber, in der Mitte sitzt, magisch beleuchtet und wie von einem anderen Stern heruntergebeamt, das 80-köpfige Orchester der Bochumer Symphoniker unter Steven Sloane mit einem ganzen Maschinenpark an wuchtigen Perkussionsinstrumenten.

Zwischen Orchester und Zuschauern ist viel Platz, schwarzer Tanzboden ist ausgelegt, der die ersten knapp 15 intensiven Minuten leer bleibt. Solange wirkt allein Goebbels' sogartig kulminierender Orchestersound, der den hektischen Rhythmus der Großstadt atmet, Maschinen- und Verkehrsgeräusche integriert, Fetzen menschlicher Laut - und Klangäußerungen und eine bedrohlich, albtraumartige Intensität entwickelt. Goebbels' sprechende Musik ist eine Reminiszenz an Vorbilder wie etwa Honeggers "Pacific 213" von 1924 und entwickelt - neben entspannten Blues-Momenten, hinreißend gesungen von Jocelyn B. Smith - zugleich doch eine ganz eigene, zeitgenössische Dramatisierung des Wahnsinns der Metropolen.

Wenn dieser Sound sich durch die Weiten der Industriehalle tastet, ist eigentlich schon alles gesagt. Aber dann hebt der Vokalist David Moss mit einem Text von Paul Auster an, und alsbald wimmeln 130 Akteure aller Altersgruppen auf die Bühne und kritzeln den Tanzboden mit Kreide-Mustern zu.

Es sind keine Tänzer, sondern Laien, die Mathilde Monnier die folgenden 70 Minuten bewegt: Schulkinder, Hip-Hop-Tänzer, Material-Arts-Vertreter und Mitglieder eines Standard-Tanzclubs. Sie treten in unterschiedlichsten Formationen auf, mal bauen Kinder Pappkartons mit Markenlogos zu lustigen Gebilden auf, dann malen Paare ihre Körperumrisse auf große Papierbögen, schließlich tanzen Senioren zu eisigen Heiner-Müller-Texten langsamen Walzer.

All diese Aktionen haben den Charme des Laienhaften und die Überwältigungskraft der puren Masse. Dennoch erreichen sie die Intensität von Goebbels' Metropolen-Horror-Vision nicht im Ansatz. Aber vielleicht sollen sie das auch gar nicht. Denn die Metropole Ruhr ist bis heute eine Behauptung, die sich nie eingelöst hat.

So bleibt das Ganze doch arg harmlos und wie viele der heute so angesagten partizipativen Projekte etwas betulich.

(RP)
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