Kunstmuseum Solingen Der vergessene Künstler Oscar Zügel

Solingen · Seine Kritik am Nationalsozialismus machte der Künstler Oscar Zügel in seinen Bildern deutlich. Die Nazis verbannten ihn aus der Kunstgeschichte. Bis heute ist er weitgehend unbekannt - trotz seines großen Talents.

Das Bild ist dunkel, rosa Flächen leuchten im Hintergrund. In die Farben ist ein Körper geritzt. Die Linien lassen ein einäugiges Gesicht im Profil erahnen: Es ist ein Mann mit unförmigen Armen und zwei riesigen Genitalien. Dieses Monstrum ist Joseph Goebbels. So hat ihn der Künstler Oscar Zügel (1892-1968)
gesehen. "Der Propagandaminister" malte er 1933.

Wie viele andere Künstler galt Zügel im Nationalsozialismus als "entartet" und ist heute ein weitgehend unbekannter Name. "Die Nazis wollten Künstler verbannen, aus der Kulturgeschichte entfernen - und wir praktizieren diese Verbannung heute noch, wenn wir diese Künstler weiter ignorieren", sagt Rolf Jessewitsch, der Direktor des Kunstmuseums Solingen, das Zügels Bilder noch bis zum 11. Mai zeigt.
"Viele Museen sind zunehmend kommerziell ausgerichtet, zeigen gern Künstler mit bekannten Namen. Deshalb fallen heute Unbekannte unter den Tisch, obwohl die Qualität da ist", sagt Jessewitsch.

Der spektakulären Fund der verschollen geglaubten Gurlitt-Kunstsammlung machte jüngst die Lücken in der Kunstgeschichte deutlich. Neben Werken von namhaften Künstlern wie Picasso, Matisse und Klee tauchten auch Maler auf, die auch für Kunstinteressierte ein weißer Fleck in der Geschichte sind. Darunter zum Beispiel der Expressionist Bernhard Kretzschmar (1889-1972). "Wegen Gurlitt guckt man jetzt wieder auf diese Bestände", sagt Jessewitsch.

Vor der Verbrennung durch die Nazis konnte ein großer Teil von Zügels Werken gerettet werden - von einer Mitarbeiterin der Staatsgalerie Stuttgart. Ruhm und Ehre blieben Zügel allerdings verwehrt. Über den Wert seiner künstlerischen Leistung ist sich Jessewitsch sicher: "Zügel war unter anderem mit Anni Albers, Willi Baumeister, Paul und Felix Klee befreundet. Er war einer von diesen.
Das macht seine Bedeutung deutlich." Zügels wohl größter Erfolg war 1951 eine Ausstellung im Palazzo Strozzi in Florenz. Dort hingen seine Gemälde neben Chagall, Klee, Kandinsky, Matisse und Picasso.

Einen einheitlichen Stil lässt Zügel nicht erkennen. Seine Malereien sind geprägt von der eigenen Lebensgeschichte und politischer Kritik. So zeigen frühe Werke aus den 20er Jahren seine hochschwangere Ehefrau. In "Steppenbrand" malt er fliehende Pferde, so wie er fast die Hälfte seines Lebens auf der Flucht war. Gleich drei Namen gab Zügel dem Bild mit einem roten Hakenkreuz-Kometen, der ein Inferno auslöst: "Sieg der Gerechtigkeit", "Untergang des Unstern Hitler" und "Zerstörung Stuttgarts".

Zügels Leidenschaft für die Malerei entwickelt sich bereits in jungen Jahren. Gegen den Widerstand der Eltern beginnt er mit Zeichnen und Malen. Nach einer Schreinerlehre und einem Studium an der Kunstgewerbeschule geht er an die Akademie der bildenden Künste in Stuttgart. Anschließend arbeitet er als freier Künstler.

Nach einer Razzia und aus Angst vor der Nazi-Verfolgung emigriert Zügel mit seiner Ehefrau und den Kindern nach Spanien und lässt sich in der Künstlerkolonie "Tossa de Mar" nieder. Wegen des spanischen Bürgerkriegs und der Franco-Hitler-Allianz reist er nach Argentinien aus. Dort stellt Zügel sein künstlerisches Schaffen fast ein und arbeitet aus der Not heraus als Farmer.

Später kehrt er nach Spanien zurück, wo er in seinem Haus trotz Plünderung noch ein Teil seiner Werke findet. 1951 reist Zügel nach Stuttgart, in der Hoffnung, in Deutschland wieder ausstellen zu dürfen. Ohne Erfolg. Als "Vaterlandsflüchtling" wird er abgelehnt.

1980 - zwölf Jahre nach seinem Tod - wird Zügels Werk in Stuttgart ausgestellt. Die Ausstellungsstücke in Solingen sind zum Großteil aus dem Bestand des "Oscar-Zügel-Archivs" in Balingen. Wenn die Bilder in Solingen abgehängt werden, verschwinden sie erst einmal im Archiv, "bis sie vielleicht wieder einmal entdeckt werden", sagt Jessewitsch. "Da haben wir in den letzten Jahrzehnten aus unserer Kulturgeschichte etwas rausgeschmissen, was eigentlich hineingehört."

(lnw)
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