Künstler Gerhard Richter "Die Gesellschaft wird versaut"

Leverkusen · Der weltberühmte Kölner Künstler Gerhard Richter fordert den Erhalt des Leverkusener Museums Morsbroich: Eine Stadt müsse die "Kultur an sich" fördern, nicht aber Massenereignisse.

 Der Kölner Künstler Gerhard Richter hat einen offenen Brief an den Leverkusener Ob geschrieben.

Der Kölner Künstler Gerhard Richter hat einen offenen Brief an den Leverkusener Ob geschrieben.

Foto: dpa, abu jai hjb vfd

Leverkusen / Köln Der Maler Gerhard Richter wirft den Museen vor, sie suchten nur noch dem Publikum zu gefallen, und es gehe ihnen allein ums Geld. Dagegen sieht er das in seiner Existenz bedrohte Leverkusener Museum Morsbroich als Hort der "Kultur an sich", der unbedingt erhalten werden müsse.

Herr Richter, Sie haben sich in einem Offenen Brief an den Leverkusener Oberbürgermeister dafür ausgesprochen, dass das von Schließung bedrohte Museum Morsbroich erhalten bleibt, weil Sie dem Haus eng verbunden sind. Haben Sie sich damals um die Teilnahme an einer Ausstellung selbst beworben?

Richter Nein, beworben haben wir uns als junge Künstler nur einmal, bei Werner Schmalenbach, dem Gründungsdirektor der Kunstsammlung NRW in Düsseldorf, um zu sagen: Wir sind die Richtigen. Das hat natürlich gar nichts gebracht. Also war es sicher so, dass das Leverkusener Museum dann mich angesprochen hat.

Was bedeutete das für Sie?

Richter Das Museum war damals schon berühmt. Es hatte sich mit junger Kunst einen Namen gemacht, wie auch das Kaiser-Wilhelm-Museum in Krefeld. Ich war natürlich erfreut, dass sich jemand für meine Kunst interessierte. Und wenn ich jetzt höre, dass dieses Museum zur Disposition steht, finde ich das schon schrecklich. Immerhin handelt es sich um ein Kulturdenkmal. Wir haben eine hohe Verpflichtung, solche Museen zu erhalten.

Die Unternehmensberatung KPMG, die den wirtschaftlichen und damit auch den kulturellen Sinn des Museums in Frage stellt, argumentiert mit der geringen Nutzung des Hauses. Nur 3,6 Prozent der Leverkusener besuchen Morsbroich, 2014 kamen im Jahresschnitt lediglich 19 Besucher pro Tag. Das sind 6000 im Jahr, von denen aber nur 3000 Eintritt zahlen. Die übrigen sind Schüler und Teilnehmer von Bildungskursen.

Richter Das ist reines Quotendenken, das immer bestimmender wird, so dass die Museen mit allen Mitteln dem Publikum gefallen müssen, es mit Neuigkeiten und populistischen Parolen locken müssen. Es geht nur noch ums Geld. Eine Stadt sollte sich aber ein Museum leisten, das die Kultur, die Kunst fördert. Sonst sind sie doch nur Teil einer alles beherrschenden Unterhaltungsindustrie, die keine anderen Kriterien mehr hat als Wirtschaftlichkeit.

Eckart Köhn, Präsident des Museumsbundes, sagte zu den Schließungsplänen und zur Besucherzahl in 2015: "15.000 qualitativ gut betreute Menschen, die etwas mitnehmen für sich und damit in die Gesellschaft hineinwirken, können wichtiger sein als 300.000, die die hundertste Macke-Schau sehen."

Richter Das stimmt genau. Die Gesellschaft wird Schaden nehmen, wenn sie den Sinn ihrer kulturellen Institutionen nur noch darin sieht, ob sie sich rechnen.

Nun könnte man ja sagen: In Köln und Düsseldorf gibt es große Museen, die wie Leverkusen viel Gegenwartskunst zeigen. Allein in Düsseldorf sind das die Kunstsammlung NRW, die Kunsthalle, das Museum Kunstpalast, das KIT und teilweise das NRW-Forum und das Hetjens-Museum. Ist das nicht zu viel?

Richter Ja, das ist deshalb viel zu viel, weil wir das alles gar nicht mehr sinnvoll füllen können, oder "bespielen", wie man so sagt.

Und warum soll ausgerechnet das Museum Morsbroich erhalten werden?

Richter Weil von der Provinz schon oft sehr wertvolle Leistungen ausgegangen sind. Und ein kleines Museum in seiner Abgelegenheit hat eben einen sehr spezifischen Charakter und kann eine dementsprechende besondere Qualität darstellen. Diese sollte man erhalten und weiterentwickeln. Also ich habe es immer als etwas Besonderes empfunden, nach Morsbroich zu kommen und dort eine Ausstellung zu sehen. Das ist schon ein Wert, den es unbedingt zu erhalten gilt.

Von 13. März an wird im Museum Morsbroich eine Ausstellung mit dem Titel "Schöne Bescherung" eröffnet. Sie umfasst Bilder von Ihnen und von Sigmar Polke aus dem Bestand des Hauses. Werden Sie an der Eröffnung teilnehmen?

Richter Ich fürchte, nein - weil ich wegen anderer Verpflichtungen gar nicht da sein werde. Das hat nichts mit meiner generellen Abneigung gegen Eröffnungen zu tun. Die Ausstellung sehe ich mir aber auf jeden Fall an.

Und wie empfinden Sie den schon seit längerem feststehenden Titel "Schöne Bescherung" angesichts der jüngsten Diskussion?

Richter (lacht) Der Titel passt jetzt ja noch viel besser. Großartig!

(B.M.)
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