Düsseldorf Mit Slevogt und Klee nach Ägypten

Düsseldorf · Die Kunstsammlung NRW in Düsseldorf lenkt den Blick auf den Orient: Was Max Slevogt als Impressionist und 14 Jahre später Paul Klee als Künstler der Moderne malten, trifft auf Video-Aufnahmen des Ägypters Wael Shawky.

 Ägypten aus der Sicht des Impressionismus: Max Slevogt malte 1914 sein Ölbild "Getreidehafen in Assuan".

Ägypten aus der Sicht des Impressionismus: Max Slevogt malte 1914 sein Ölbild "Getreidehafen in Assuan".

Foto: Kunstsammlung NRW

Die beiden ersten Bilder umreißen die gesamte Ausstellung: Links lässt der Impressionist Max Slevogt (1868-1932) einen "Sandsturm in der Libyschen Wüste" aufziehen, rechts erzählt Paul Klee (1879-1940) die "Legende vom Nil". Bei Slevogt blicken zwei in verschwimmenden Konturen gemalte Kamelreiter in eine helle, ockerfarbene Weite; bei Klee legen sich rätselhafte Piktogramme über quadratische Farbflächen in unterschiedlichen Blautönen. Der eine Maler löst sich spürbar von einer naturgetreuen Wiedergabe seiner Umgebung, der andere befindet sich bereits in einer künstlerischen Welt, in der Strichmännchen und Fisch, Halbkreis und Winkel nur mehr von fern an das erinnern, was wir Wirklichkeit nennen.

Wer in dieser Schau der Düsseldorfer Kunstsammlung NRW zuerst die linke Hälfte der langgestreckten Halle erkundet, folgt Slevogts Spuren durch den ägyptischen Sand, auch zu jenem hier abgebildeten "Getreidehafen in Assuan". Wen zunächst Neugier auf die rechte Hälfte packt, der erfährt als Erstes, wozu sich Klee von Ägypten inspirieren ließ, etwa zu dem gleichfalls hier abgebildeten, nahezu ungegenständlichen "Abend in Ägypten". Und wer beide Maler miteinander vergleichen möchte, kann unterwegs hin- und herpendeln.

Biografisch steht die Schau auf etwas unsicherem Grund, denn Slevogt war bereits 1914 in Ägypten unterwegs, Klee erst 1928/29, und es ist zwar wahrscheinlich, aber nicht erwiesen, dass Klee Slevogts Bilder kannte. Auch hat sich Klee vermutlich nicht von Slevogts Kunst inspirieren lassen, denn Klee hatte bereits die Grenze zur Moderne überschritten.

Das Verdienst der Düsseldorfer Ausstellung besteht darin, dass sie anhand ein und desselben Motivschatzes dokumentiert, wie sich der moderne Blick vom impressionistischen unterscheidet. Denn beide Künstler hatten dieselbe Route gewählt: die schon damals bei Touristen beliebte Strecke von Alexandria über Kairo und Luxor nach Assuan und zurück. Erstaunlicherweise spielen Postkartenmotive wie die Pyramiden und die Große Sphinx von Gizeh nur eine Nebenrolle. Slevogt setzt vorzugsweise Landschaften und Menschen ins Bild: Szenen mit orientalisch gewandeten Männern, die sich vor einem Kaffeehaus in Kairo niedergelassen haben, oder in einer schwarzen Kreidezeichnung eine sitzende verschleierte Ägypterin. Die leuchtenden Farben des Orients treten bei Slevogt erst ansatzweise hervor. Klees Bilder dagegen leben oft nahezu vollständig aus ihren Farben. Orange, Gelb, Rot und ein tiefes Blau beherrschen die Kompositionen. Landschaft ist zu Farbstreifen verdichtet wie im Aquarell "Monument im Fruchtland". "Feuer Abends", ein Ölgemälde, aus dessen dunklen Blau-, Violett- und Brauntönen ein Rot-Orange als untergehende Sonne leuchtet, gibt eine Topographie und zugleich eine Stimmung wieder, wie Touristen sie aus Ägypten kennen.

Für das Ägypten aus heutiger, noch dazu aus ägyptischer Sicht ist im Ausstellungsreigen der Kunstsammlung Wael Shawky zuständig, ein viel beachteter Teilnehmer der vorigen "documenta". In Kassel zeigte der Ägypter des Jahrgangs 1971 die ersten beiden Teile einer Video-Trilogie, die aus arabischer Sicht mit Hilfe von Marionetten die blutigen Kämpfe der Kreuzzüge schildert. Kindlich und grausam zugleich spielen die Puppen die bis in die Gegenwart wirkenden Ereignisse des Mittelalters nach.

Der vielzitierte "Zusammenprall der Kulturen" zwischen Abend- und Morgenland wird bei Shawky zur düsteren Nummernrevue, der man sich vor einer riesigen Leinwand aussetzen kann. Der dritte und letzte Teil soll im Oktober gleich nebenan im Grabbesaal der Kunstsammlung entstehen und vom 4. Dezember an vorgeführt werden.

Die Frage, wer im Film die Strippen zieht, an denen die Marionetten hängen, weist aus der Gegenwart unweigerlich ins Philosophische.

(RP)
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