Festival in Neuss Vier Wochen Shakespeare

Neuss · Am kommenden Freitag beginnt in Neuss das Festival für den großen Dichter im maßstabsgerechten Globe-Nachbau an der Rennbahn.

Shakespeare-Festival 2016 in Neuss: das Programm
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Shakespeare-Festival 2016: das Programm

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Es ist Sommer (hoffentlich). Ein laues Lüftchen streicht durch die Bäume. Lässt die Blätter rauschen, trägt Kräuterduft und Gesprächsfetzen von den vielen Menschen, die überall an den Tischen sitzen oder auf Podesten hocken, über den Platz. Alles unter dem wohlmeinenden Blick von William Shakespeare. Dessen Büste auf hohen Stelen ist unverzichtbar, wenn das Team des Neusser Kulturamts die alte Wetthalle an der Rennbahn und den großen Platz drumherum in einen Ort verwandelt, der Shakespeares Beschreibung von Illyrien schon recht nahe kommt. Buchsbäumchen, Rosen, Rosmarin und Thymian, roter Samt, königliche Sessel und kleine Picknickinseln zaubern eine Atmosphäre wie aus einer Komödie des Dichters.

Wenn in Neuss das Shakespeare-Festival gefeiert wird, alljährlich für vier Wochen und dieses Jahr vom 27. Mai bis 25. Juni, ist das nicht nur ein Theaterfest. Es ist ein Gesamtkunstwerk, bei dem auf das Wohlbefinden der Besucher genauso viel Wert gelegt wird wie auf die Qualität der Aufführungen, die im Globe, einem maßstabgerechten Nachbau des Londoner Globe, gezeigt werden. Jedes Jahr geben sich Companys aus aller Welt die Klinke des Holzbaus an der Neusser Rennbahn in die Hand, und die Zuschauer strömen herbei - egal, ob "Hamlet" auf Koreanisch oder "Romeo und Julia" auf Englisch gespielt wird.

15 Produktionen sind zu sehen

Da nimmt man die harten Bänke im Globe in Kauf (darf aber wenigstens Getränke in Plastikbechern mit hineinnehmen), stört sich nicht am draußen vorbeiheulenden Martinshorn, empfindet Gewittergrollen gar als perfekte atmosphärische Ergänzung des "Sommernachtstraums" auf der Bühne. Aber ehrlicherweise sei auch gesagt: Neuss ist nicht Illyrien, und nicht immer ist es Sommer im Rheinland, wenn der Mensch es will. Aber Shakespeare in "seinem" Globe zu erleben, geht auch in dicker Jacke, und die Wetthalle, das stimmungs- und stilvoll hergerichtete Foyer gegenüber, hat eine Heizung. Dort hängen übrigens auch Bildschirme für die fußballbegeisterten Shakespeare-freunde.

Zum 400. Todestag von William Shakespeare hat sich Festivalchef Rainer Wiertz von der eigentlich schlichten Maxime leiten lassen, vor der Haustür nach Aufführungen und Theatertruppen zu schauen. So ist erstmals seit langer Zeit keine Produktion von einem anderen Kontinent dabei. Vier der insgesamt 15 Produktionen kommen aus dem Mutterland des Dichters, zehn aus Deutschland, eine aus Frankreich. Hier ein paar Tipps.

Tipps für Festival-Besucher

Neuheiten Zum Auftakt des Festivals gibt es kein Stück, sondern ein Varieté. Der Moderator, Autor und Musikwissenschaftler David Finkernagel hat Magie, Poesie, Artistik und Humor mit dem Blick auf Shakespeare zu einem unterhaltsamen Abend kombiniert. Mit namhaften Kollegen wie der Schauspielerin Corinna Kirchhoff oder dem Asasello Quartett. (27, 28. Mai um 20 Uhr und 29. Mai, 15 und 20 Uhr). Zum ersten Mal wird zudem eine Produktion für Kinder angeboten: "Der Sturm" mit Puppen vom Seifenblasen-Theater. Dafür wird ebenfalls erstmals die kleine Bühne in der Wetthalle bespielt. Zehn Vorstellungen stehen auf dem Spielplan, diverse Karten gibt es noch für die Vormittagstermine (9.30 Uhr) am 30. Mai, 6. und 13. Juni.

Wiederholungstäter So manche Company hat längst einen festen Fan-Kreis in Neuss. Manche hört aber irgendwann auf zu existieren - wie die Männertruppe Propeller Company von Edward Hall. Bea von Malchus dagegen tourt noch immer und zeigt in Neuss ihre schon vor sechs Jahren bejubelte Ein-Frau-Produktion "Henry VIII.", eine unterhaltsame Persiflage auf das Königsdrama.

Klassiker mal anders "Hamlet: Who's There?" hat Kelly Hunter ihre Inszenierung für das englische Flute Theatre betitelt. Denn anders als im Stück tritt Hamlets Vater nicht als Geist auf, um seinem Sohn von der Ermordung durch dessen Onkel zu erzählen und zur Rache anzuspornen. Der Vater wohnt im Sohn, was sich wie in Anfällen zeigt. Zudem hat Hunter das Drama auf sechs Personen und 90 Minuten komprimiert.

Deutsch und empfehlenswert Düster, aber gar nicht schwer, hat Bettina Jahnke, Regisseurin und Intendantin des Rheinischen Landestheaters Neuss (RLT), "Richard III." inszeniert. Alles ist schwarz gehalten, aber konzentriert auf das Gegenüber von zwei Polen. Hier Richard als Machtmensch, der mit diabolischer Freude alles zerstört, was ihm im Wege steht, und dort die machtlosen Frauen am Hofe, denen nur das Klagen und Verfluchen bleibt. Gleichwohl sind es auch ihre Stimmen, die ihn die Schlacht gegen sich selbst verlieren lassen. (30., 31. Mai, 20 Uhr sowie auch im RLT am 23., 25. und 29. Mai, 20 Uhr).

Entdeckung Das Festival d'Avignon ist der Treffpunkt für die internationale Off-Theaterszene. Dort sorgte die Compagnie 13 aus der Pariser Region mit ihrem "Marchand de Venise" für Aufsehen, so dass Wiertz die Franzosen sofort nach Neuss einlud. Das Drama um den Kaufmann von Venedig und Antonio hat Regisseur Pascal Faber auf 90 Minuten reduziert.

Parken Es gibt einen kostenfreien und großen Parkplatz (Zufahrt nur über Stresemannallee) am Globe.

Extratipp Auch bei ausverkauften Vorstellungen lohnt sich der Weg zum Globe nach Neuss. Häufig werden früh bestellte Karten wieder zurückgegeben, zudem gibt es immer ein Kontingent an sichtbehinderten Plätzen (durch Pfeiler oder ähnliches), das nicht im normalen Verkauf angeboten wird.

(hbm)
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