Versteigerung WDR-Kunst nur im unteren Mittelfeld

Köln/London · Das Auktionshaus Sotheby's hat Kunstwerke aus dem Besitz des Westdeutschen Rundfunks versteigert. In drei Sitzungen kamen insgesamt 48 Werke unter den Hammer. Der WDR will seine prekäre Haushaltslage sanieren.

Versteigerung: WDR-Kunst nur im unteren Mittelfeld
Foto: Radowski

Von der Brexit-Debatte lässt die Londoner Kunstwelt sich offensichtlich nicht übermäßig beunruhigen. Denn bei den großen Auktionen für Impressionismus und Moderne wurden - vor allem beim hoch angesetzten "Evening Sale" - wieder einmal Rekordpreise erzielt. An die Spitze der insgesamt eingehämmerten 134,6 Millionen Euro setzte sich ein kubistisches Picasso-Porträt "Femme Assise", das auf 56,37 Millionen Euro(alle Preise mit Aufpreis)hochgetrieben wurde, gefolgt von Amedeo Modiglianis Bildnis seiner Muse Jeanne Hébuterne, das auf 50,1 Millionen Euro kletterte.

Die Preise für die Spitzenlose sind zwar zu relativieren, denn für beide Künstler wurden weltweit auch bereits weitaus höhere Preise erzielt. Sie sind aber Londoner Rekord innerhalb der letzten sechs Jahre und stehen für das Hochglanz-Umfeld, in dem die Spitzenstücke der vom WDR angebotenen Werke eher kleine Fische blieben.

Ohnehin hatten es nur zwei der 48 Werke, die aus der insgesamt etwa 600 Werke umfassenden Sammlung als verkäuflich eingeschätzt wurden in den noblen "Evening Sale" geschafft; der Rest wurde in zwei "Day Sale"-Sitzungen versteigert. Weit abgeschlagen von den Spitzenpreisen brachte Max Beckmanns motivisch außergewöhnliches Bild "Möwen im Sturm" (1942) es immerhin auf 1,069 Millionen Euro, und überstieg damit die untere Taxe, während Ernst Ludwig Kirchners "Alpweg" (1921) mit ebenbürtigen 1,1 Millionen Euro die obere Taxe sogar übertraf.

Im Vorfeld der umstrittenen Auktion hatte es noch geheißen, die Taxierung sei konservativ ausgefallen, was meint, dass man insgeheim gerade bei den Spitzenlosen wohl doch mit weit höheren Erlösen gerechnet hatte.

Tendenziell besser lief es beim "Day Sale", bei dem Werke wie Anton Räderscheidts "Rue d'Alesia" die obere Taxe von 15.000 Euro mit erzielten 19.480 Euro klar überholte. Ähnliches gilt für zwei Bilder von Georg Meistermann, die ihre obere Taxe von 10.400 Euro mit 12.500 Euro überstiegen, oder Ernst Ludwig Kirchners "Frau mit Zigarette", die ihre obere Schätzung von 12.000 Euro auf 14.610 Euro übertraf.

Die Vorgeschichte dieser Versteigerung ist lang und komplex: In den 1950er und 1960er Jahren begriff der WDR seinen Kulturauftrag in einem sehr umfassenden Sinn und erwarb damals die Löwenanteile seiner Sammlung nicht nur, um die Büro-Räume der Vorstandsetage zu verschönern. Es ging den Verantwortlichen darum, die Mitarbeiter in Redaktions- und Konferenzräumen und in den öffentlich zugänglichen Foyers mit einer Ästhetik zu umgeben, die dem progressiven, die Kultur mit gestaltenden Geist des Senders entsprach. Zudem fühlte man sich verpflichtet, die in der Nazizeit als entartet diffamierten Künstler der Klassischen Moderne als Akt der Wiedergutmachung zu unterstützen und später auch junge und jüngste Kunst gezielt zu fördern. Wie weitreichend der WDR sich seinerzeit als Kunstförderer im großen Stil begriff, unterstreicht auch die Tatsache, dass neben der eigenen Sammlung auch rheinische und westfälische Museen beim Ankauf von bedeutenden Werken halfen - etwa Bilder von Fernand Legér und Piet Mondrian im Museum Ludwig in Köln, oder die "Ollesheimer Madonna" für das Kölner Schnütgen Museum. Dergleichen wäre heute schwer vorstellbar.

In den 1990er Jahren wurde die Aufstockung der WDR-Sammlung mehr oder weniger eingestellt und die Sammlung geriet in Vergessenheit, bis Intendant Tom Buhrow im Oktober 2013 ankündigte, die WDR-Kollektion veräußern zu wollen, um die prekäre Haushaltslage des Senders zu sanieren. Auf etwa drei Millionen Euro bezifferte der WDR den Wert der Sammlung. Angesichts des mit 100 Millionen Euro angegebenen Haushaltsdefizits des Senders eine wahrlich marginale Summe.

Als kurz nach Buhrows Ankündigung die Pläne der Portigon-Bank (vormals WestLB) bekannt wurden, die hauseigene Sammlung zu verkaufen, entbrannte eine kontrovers geführte öffentliche Debatte, die auch die WDR-Pläne vorerst ins Stocken brachten. Auch Kulturstaatsministerin Monika Grütters mischte sich ein und wünschte sich einen "sensibleren" Umgang mit der öffentlich-rechtlichen Kunst.

Kritik wurde auch laut an der Wahl des Londoner Auktionshauses, statt eines der Kölner Auktionshäuser zu betrauen. Die Unkenrufe, dass die in London wenig bekannten rheinischen Künstler der Moderne dort keinen Absatz finden würden, haben sich indes nicht bestätigt. Für die Spitzenlose ist das Ergebnis allerdings bescheiden geblieben. Und die prekäre Haushaltslage des WDR bleibt prekär.

(RP)
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