Affäre Jan Böhmermann NRW will Beleidigungsparagraf vor Sommerpause kippen

Berlin · Die NRW-Landesregierung plant eine Bundesratsinitiative: Majestätsbeleidigung soll nicht mehr verfolgt werden. Dann könnte auch der Satiriker Jan Böhmermann nicht mehr belangt werden.

 NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) prescht vor.

NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) prescht vor.

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Eine Initiative aus Nordrhein-Westfalen könnte der Affäre um den Satiriker Jan Böhmermann eine überraschende Wendung geben. NRW will den Paragrafen 103 des Strafgesetzbuchs früher als die Bundesregierung abschaffen und damit verhindern, dass Böhmermann danach belangt werden kann. Der Paragraf stellt die Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter unter Strafe.

"Ich will eine Bundesratsinitiative einbringen, die das Ziel hat, den Straftatbestand der Majestätsbeleidigung sofort abzuschaffen. Dann könnte man Herrn Böhmermann auch nicht mehr deswegen verurteilen", sagte NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) unserer Redaktion. "Auf die besondere Empfindlichkeit von Herrn Erdogan darf die Justiz keine Rücksicht nehmen", betonte der Minister.

Merkel nutzte Richtlinienkompetenz

Die Affäre um Böhmermann und sein Schmähgedicht gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan hätte in der vergangenen Woche beinahe eine Regierungskrise ausgelöst. Die Bundesregierung musste entscheiden, ob sie dem Ansinnen Erdogans folgt und der Justiz die Ermächtigung erteilt, gegen Böhmermann wegen Beleidigung des türkischen Präsidenten zu ermitteln. Die zuständigen SPD-geführten Ministerien sprachen sich dagegen aus. Am Ende entschied die Kanzlerin kraft ihrer Richtlinienkompetenz, dem Anliegen der Türken nachzugeben.

Zugleich aber verständigte sich die Regierung darauf, den entsprechenden Paragrafen 103 aus dem Strafgesetzbuch zu streichen. "Allerdings will sie den Paragrafen erst im Jahr 2018 abschaffen. Damit will sie die Möglichkeit eröffnen, den Satiriker Böhmermann noch wegen Majestätsbeleidigung zu bestrafen", kritisierte Kutschaty, der die Sache über die Länderkammer nun erheblich beschleunigen will.

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Nach Informationen unserer Redaktion soll der NRW-Antrag bereits am 27. April in den Rechtsausschuss des Bundesrats und am 13. Mai in die Länderkammer eingebracht werden. In der NRW-Regierung hofft man, dass der Majestätsbeleidigungs-Paragraf somit noch vor der Sommerpause gestrichen werden kann. "Der Straftatbestand der Majestätsbeleidigung gehört abgeschafft. Es entspricht doch dem Menschenbild des Mittelalters, die Empfindlichkeit von einzelnen Staatsoberhäuptern auch noch unter den Schutz des Strafrechts zu stellen", sagte Kutschaty.

Rot-Grün verliert Mehrheit in Länderkammer

Hamburg und Schleswig-Holstein haben NRW schon ihre Unterstützung fest zugesagt, weitere Bundesländer hätten Zustimmung signalisiert, heißt es aus dem NRW-Justizministerium. Für die rot-grün regierten Länder eilt die Sache auch aus einem zweiten Grund: Sobald in Baden-Württemberg die neue grün-schwarze Regierung gebildet ist, verliert Rot-Grün seine Mehrheit in der Länderkammer.

Für die große Koalition in Berlin ist der Vorstoß aus NRW pikant: Wenn die Länderkammer die sofortige Abschaffung des Paragrafen 103 beschließen sollte, droht erneut ein Zerwürfnis zwischen Union und SPD. Das Votum des Bundesrats kann nur abgewendet werden, wenn der Bundestag dagegen stimmt. Angesichts der eindeutigen Positionierung vieler Sozialdemokraten ist es keineswegs sicher, dass sie die Bundesratsinitiative zurückweisen.

Selbst wenn der Satiriker Böhmermann nicht mehr über den alten Majestätsbeleidigungs-Paragrafen mehr belangt werden könnte, droht ihm dennoch weiterhin eine Strafe wegen Beleidigung. Der türkische Präsident hat Böhmermann auch über den normalen Beleidigungs-Paragrafen 185 des Strafgesetzbuches angezeigt. Dieser Weg steht jedem Bürger aus dem In- oder Ausland offen.

(qua)
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