Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer Vom Problemkind abgeguckt

Düsseldorf · Die neue Landesregierung will mit Gebühren für Nicht-EU-Ausländer die Studienbedingungen verbessern. Experten sind allerdings nicht davon überzeugt. Ausgerechnet dort, wo das Modell bereits existiert, zeigt man sich skeptisch.

 Studenten im Hörsaal (Symbolbild).

Studenten im Hörsaal (Symbolbild).

Foto: dpa

Während der Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und FDP schien Christian Lindner nichts die Laune verderben zu können. Beide Parteien kamen in ihren Gesprächen rasch voran und erzielten zügig Ergebnisse. Auch bei den Verhandlungen über Hochschulreformen, eines der wichtigsten Themen des FDP-Wahlkampfs, war man sich schnell einig.

Und so lächelte Lindner vor zwei Wochen betont locker in die Kamera und verkündete stolz: "Der Protest war zu früh! Heute haben uns Studierende bei unseren Koalitionsgesprächen in Düsseldorf empfangen, die gegen die angeblich geplante Einführung von Studiengebühren demonstrieren wollten. Doch: Die kommen nicht!"

Es ist ein Thema, das eine lange Vergangenheit voller Debatten mit sich bringt: Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts führten 2005 zahlreiche Bundesländer allgemeine Studiengebühren ein, innerhalb weniger Jahre nahm eins nach dem anderen diese jedoch wieder zurück. Heute behelfen sich die Länder mit anderen Modellen. Mit Nordrhein-Westfalen fällt nun die letzte große Bastion des komplett gebührenfreien Studiums.

1500 Euro pro Semester

Nicht-EU-Ausländer, die in NRW studieren wollen, werden künftig zur Kasse gebeten. 1500 Euro sollen pro Semester fällig werden. Die Koalitionäre haben damit zwar nicht das hochschulpolitische Rad erfunden, die Grundidee hat man sich schließlich von den Grünen aus Baden-Württemberg abgeguckt, wo das Modell im Mai vom Landtag beschlossen wurde. Doch CDU und vor allem FDP versprechen sich viel von dem neuen Modell.

"Unser oberstes Ziel ist die Verbesserung der Studienbedingungen", erklärt Johannes Vogel, Generalsekretär der NRW-FDP. "Mit diesem Modell glauben wir, eine realistische und faire Lösung dafür gefunden zu haben." Wie auch im Süden Deutschlands soll es zahlreiche Ausnahmeregelungen geben. Für Flüchtlinge. Für Stipendiaten aus Dritte-Welt-Ländern. Und, und, und. Da sollte doch wirklich niemand meckern können — glaubt zumindest die FDP.

Allerdings: Ausgerechnet in Baden-Württemberg, wo das Modell unmittelbar davor steht, von der Theorie in die Praxis zu wechseln, ist man wenig überzeugt von den Plänen. "Durch diese Maßnahmen ein besseres Studium ermöglichen zu können, ist kaum realistisch", sagt Bastian Kaiser, Vorsitzender der Hochschulen für angewandte Wissenschaften Baden-Württemberg. Besonders kritisch sieht er die Verteilung der zusätzlichen Gelder. Gerade mal ein Fünftel der Gebühren kommt tatsächlich bei den Hochschulen an. Das soll in NRW allerdings anders sein: "Jeder eingenommene Cent soll direkt an die Hochschulen fließen", betont Vogel.

"NRW macht es besser — aber noch nicht gut"

Doch die Ausschüttung des Geldes ist nicht der einzige Punkt, der Kritik hervorruft: "Der Mehraufwand, der durch all die Prüfungen von Anträgen entsteht, ist ein Problem, das komplett auf die Hochschulen zurückfällt", kritisiert Kaiser. Durch die Ausnahmeregelungen werden Kontrollen von Aufenthaltsgenehmigungen und anderen Dokumenten erforderlich, die für die Universitäten mit den aktuellen Mitteln kaum zu stemmen wären. Inwieweit die finanzielle Entlastung die verwaltungstechnische Belastung in Zukunft aufwiegen kann, ist völlig unklar.

Auch Ulrich Müller vom Centrum für Hochschulentwicklung hält wenig von den Plänen von CDU und FDP: "Baden-Württemberg ist das völlig falsche Vorbild. Dieses Modell überzeugt überhaupt nicht. NRW macht es jetzt anders, NRW macht es auch besser, macht es aber immer noch nicht gut."

Die Landesrektorenkonferenz der Universitäten in NRW hält sich in der allgemeinen Bewertung des Modells noch zurück. Dass im Koalitionsvertrag nur von einer "allgemeinen Verbesserung der Studienbedingungen" die Rede ist, sorgt jedoch für Skepsis: "Die Universitäten haben sich in den letzten Jahren verstärkt um Internationalisierung bemüht. Diese Aktivitäten sollten nicht ausgebremst werden", fordert Gerhard Sagerer, der Vorsitzende der Konferenz.

FDP in der Bringschuld

Vom neu eingesetzten Wissenschaftsministerium wollte sich unmittelbar nach dem Amtsantritt noch niemand zur konkreten Umsetzung der Pläne äußern. Die FDP betont zwar, dass auch international Studierende merklich vom neuen Modell profitieren sollen, steht damit nun allerdings auch in der Bringschuld. Die Liberalen hatten im Wahlkampf vehement die Verbesserung der Studienbedingungen gefordert. Dieses Anliegen ist lobenswert. Und dass in Zukunft alle Gebühren direkt an die Hochschulen gehen sollen, ist dabei ein Schritt in die richtige Richtung.

Ob mit dem neu eingeführten Modell aber tatsächlich auch schon das Ende der Fahnenstange erreicht ist, bleibt fraglich. Horst Hippler, Präsident der Deutschen Hochschulrektorenkonferenz, erklärte bereits 2013, dass er angesichts steigender Studierendenzahlen und der Schuldenbremse mit einer Wiedereinführung der allgemeinen Studiengebühren rechne. Und auch heute halten einige Experten das Szenario hinter vorgehaltener Hand nicht für ausgeschlossen.

Die FDP reitet in den letzten Wochen auf einer kleinen Welle der Begeisterung. Doch die Fallhöhe ist groß. Auch wenn die Liberalen ihr eigentlich präferiertes Modell der nachgelagerten Studiengebühren, also der nachträglichen Zahlung von Beiträgen, sobald eine bestimmte Einkommensklasse erreicht wurde, gegen den Widerstand der CDU nicht durchsetzen konnten, werden es vor allem die Freien Demokraten sein, die zur Verantwortung gezogen würden, sollte der Widerstand gegen das gebührenpflichtige Studium auch im zweiten Anlauf zu groß werden. Am Ende könnte es also nicht der Protest, sondern Lindners Genugtuung sein, die zu früh kam.

(RP)
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