Interview mit NRW-CDU-Chef Armin Laschet "Größere Sorgfalt wäre möglich und angemessen gewesen"

Düsseldorf · Die vergangenen Tage waren für Armin Laschet (CDU) ein Desaster. Erst hatte die Notenaffäre wegen verschwundener Klausuren aus seiner Dozententätigkeit an der RWTH Aachen ihm schwer zugesetzt. Dann kam die Aufregung um eine steuerlich umstrittene Spendenquittung hinzu. Jetzt bezog er im Interview Stellung.

 Armin Laschet beim Redaktionsbesuch der Rheinischen Post.

Armin Laschet beim Redaktionsbesuch der Rheinischen Post.

Foto: Endermann, Andreas

Am Donnerstag erschien der nordrhein-westfälische Oppositionsführer zum Redaktionsgespräch im Pressehaus der Rheinischen Post. Die Redakteure der Print- und Onlineausgabe hatten viele Fragen und nahmen Laschet kräftig in die Mangel. Der gab sich offen und kämpferisch. "Ja, ich habe Fehler gemacht." Aber ein rechtliches oder moralisches Fehlverhalten müsse er sich nicht vorwerfen lassen. Er habe keine Steuern hinterzogen. Und er versprach, die Bewertung des Finanzamts offenzulegen.

Herr Laschet, haben Sie Steuern hinterzogen?

Laschet Nein.

Warum müssen Sie Ihre frühere Steuererklärung korrigieren?

Laschet Ich habe ein Buch geschrieben und den Reinerlös gespendet. Der Verlag hat die Spende einem gemeinnützigen Verein überwiesen. Dafür habe ich eine Spendenbescheinigung erhalten. Mein Steuerberater sagt, diese Spende hätte ich zu Recht steuerlich abgesetzt. Ob ich das Honorar gleichzeitig auch als Einnahme hätte versteuern müssen, wird derzeit von ihm mit dem Finanzamt geklärt.

Aber jeder weiß doch, dass man nur spenden kann, was man vorher eingenommen und auch versteuert hat…

 Armin Laschet im Gespräch mit unseren Redakteuren.

Armin Laschet im Gespräch mit unseren Redakteuren.

Foto: Endermann, Andreas

Laschet Ich habe kein Honorar erhalten, die Bücher verschenkt und den Reinerlös gespendet.

War es ein Fehler, eine Spendenquittung für etwas einzureichen, was Sie nicht selbst bezahlten?

Laschet Ich habe dem Finanzamt sämtliche Unterlagen zum Vorgang vorgelegt und warte auf deren Bewertung. Dem möchte ich nicht vorgreifen.

Ein Laie versteht das nicht. Sie haben das Geld nie besessen, aber trotzdem gespendet.

Laschet Ich wollte kein Honorar, sondern den Verein in seiner Arbeit unterstützen. So hat der Verein das offenbar auch wahrgenommen.

Wenn das Finanzamt Ihre Nachkorrektur als Selbstanzeige wertet, wird der Staatsanwalt gegen Sie ermitteln…

Laschet Ich schlage vor, dass wir nicht spekulieren, sondern jetzt das Finanzamt die Bewertung vornehmen lassen.

Im Rahmen einer Selbstanzeige können noch weitere Steuererklärungen von Ihnen überprüft werden. Kommt da noch was?

Laschet Nein.

 RP-Chefredakteur Michael Bröcker, Armin Laschet.

RP-Chefredakteur Michael Bröcker, Armin Laschet.

Foto: Endermann, Andreas

Haben Sie noch andere Steuererklärungen rückwirkend korrigiert?

Laschet Nein.

Experten sprechen vom so genannten "Spendentrick": Sowas kommt offenbar öfter vor. Ist unser Steuerrecht zu kompliziert?

Laschet Unser Recht ist, wie es ist. Es gilt für mich wie für jeden anderen.

Werden Sie der Öffentlichkeit mitteilen, wie das Finanzamt Ihre Steuerproblematik bewertet?

Laschet Ja.

Und dann ist da noch die Notenaffäre. Welchen Fehler haben Sie sich vorzuwerfen?

Laschet Es war im Nachhinein falsch, die Klausuren auf dem Postweg zur Hochschule zu schicken. Ich hätte sie persönlich übergeben oder per Einschreiben schicken sollen. Insgesamt gilt: Bei der Dokumentation und Überstellung der Studienleistungen an die Universität wäre eine größere Sorgfalt möglich und angemessen gewesen, auch und gerade meinerseits als verantwortlicher Lehrbeauftragter. Das bedaure ich.

Sie haben dann gegenüber dem Prüfungsausschuss Ende Januar den Eindruck erweckt, Ihre Notizen seien so gut, dass man damit die Arbeiten korrekt nachvollziehen könne.

Laschet Die zuständigen Stellen der Universität und ich waren uns im Januar einig, dass es für die Studierenden besser ist, wenn wir die Noten aus meinen Notizen und Vermerken rekonstruieren und nicht neu schreiben lassen. Die Noten habe ich am 18. Januar ausdrücklich "nach meinen Unterlagen und Notizen" übermittelt und darauf hingewiesen, dass ich hoffe, die Daten seien vollständig. Dies hat die RWTH mittlerweile auch bestätigt.

Man kann vermuten, Sie hätten das Nachschreiben der verloren gegangenen Klausur auch vermeiden wollen, um schlechte Presse für sich als Spitzenpolitiker zu vermeiden.

Laschet Nein, alleine das Interesse der Studentinnen und Studenten zählte. Für mich wäre ein Nachschreiben einfacher gewesen.

Am 2. Juni sagten Sie, es gebe die Aufzeichnungen noch. Am Dienstag hieß es auf einmal, Sie hätten die Notizen weggeworfen. Ist es Ihnen nun recht, dass die Qualität der Notizen nicht mehr überprüft werden kann?

Laschet Nein. Ich hatte anfangs vermutet, dass es die Notizen noch gäbe. Nun weiß ich, dass ich sie so wie früher nicht weiter aufbewahrt habe.

Hätten Sie diesmal die Notizen als quasi amtliches Dokument nicht unbedingt aufheben müssen?

Laschet In den 15 Jahren zuvor habe ich sie auch nie aufbewahrt. Und die RWTH hat ausdrücklich festgestellt, dass ich die Notizen auch nicht aufheben musste.

Die RWTH hat nun nachträglich das Ergebnis der Klausur aufgehoben. Wie sehen Sie das?

Laschet Nach dem Verlust der Klausuren wollten der Prüfungsausschuss und ich den Studierenden das Neuschreiben ersparen. Über die jetzige Entscheidung der RWTH herrscht Konsens.

Diese Affären um Steuer und Noten werden Sie schwer belasten, oder?

Laschet Ich will alles zur Aufklärung beitragen. Irgendwann wird auch wieder über Politik geredet.

Haben Sie in letzter Zeit an Rücktritt gedacht?

Laschet Nein. Ich habe noch viele Ideen für Nordrhein-Westfalen, für die es sich zu kämpfen lohnt. Unser Land hat eine bessere Regierung verdient.

Bei der Klimaabgabe und den Länderfinanzen stehen Sie auf Seiten der Ministerpräsidentin. Warum schonen Sie sie?

Laschet Frau Kraft fühlt sich sicher nicht von mir verschont. Aber wenn es um das Land geht, stehen wir zusammen. Ich nenne jedoch die Tatsachen beim Namen: Nordrhein-Westfalen liegt oft hinter dem Bundesdurchschnitt. Der Grund sind die bürokratischen Hemmnisse, die die Landesregierung mit ihrer Überregulierung schafft.

Welche?

Laschet Das Tariftreuegesetz beispielsweise. Es schafft nur Bürokratie und gehört ebenso abgeschafft wie der Klimaschutzplan. Bei einem europäischen Zertifikatehandel für CO2 machen eigene Bundesländer-Regelungen keinen Sinn. Mit der Verdrängung von Arbeitsplätzen nach Niedersachsen ist dem Weltklima nicht gedient.

Hört sich an, als wäre Schwarz-Grün für Sie kein Thema.

Laschet Das hängt davon ab, wie sich die Grünen zur Landtagswahl aufstellen. Die aktuelle Politik der NRW-Grünen muss sich sicherlich ändern. Das gilt besonders in der Wirtschaftspolitik. Aber auch in der Bildungspolitik: Die Inklusionspolitik mit der Brechstange schadet unseren Kindern und ihren Bildungschancen.

Und wie halten Sie es mit einer Rückkehr zum Abitur nach neun Jahren?

Laschet Man muss die Sorgen der Eltern sehr ernst nehmen. Deshalb werden wir im Landtag nächste Woche jeden Versuch, die Volksinitiative einfach abzutun, ablehnen. Das Anliegen der Eltern muss weiter beraten werden. Darüber werden wir in den nächsten Monaten in der Partei intensiv nachdenken.

Würden Sie als Ministerpräsident Personal im Landesdienst abbauen?

Laschet Ja. Eine Verminderung des Personalbestandes ist möglich, wenn sich der Staat auf seine Kernaufgaben konzentriert und nicht versucht, alles Mögliche zu regeln.

Wann stellen Sie Ihr Kompetenzteam für die NRW-Wahl 2017 zusammen?

Laschet Ich konzentriere mich jetzt auf die vor uns liegenden Herausforderungen.

Welche Rolle spielt Friedrich Merz?

Laschet Ich schätze ihn, er unterstützt mich. Wir sind befreundet.

Werden Sie vor der Wahl eine Koalitionsaussage machen?

Laschet Nein. Wir werben für uns und unsere Positionen. Und wir wollen stärkste Kraft in Nordrhein-Westfalen werden. Aber ich bin auch davon überzeugt, dass alle demokratischen Parteien grundsätzlich miteinander koalieren können müssen.

Glauben Sie an eine Renaissance von Schwarz-Gelb?

Laschet Ich glaube an die Renaissance der FDP. Ich traue Christian Lindner zu, dass er die FDP in Nordrhein-Westfalen über fünf Prozent bringt.

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) stoppt die Einführung der Autobahn-Maut, weil die EU den Vorgang prüfen will. Ist die Maut vom Tisch?

Laschet Ich war immer skeptisch, ob die Maut mit europäischem Recht vereinbar ist. Dass Alexander Dobrindt so reagiert, finde ich anerkennenswert. Dies schafft Rechtssicherheit, so wie sie im Koalitionsvertrag vereinbart war.

Sind Sie für den Verbleib Griechenlands in der EU?

Laschet Ich bin wie die Bundeskanzlerin der Meinung, dass alles getan werden muss, um Griechenland zu halten. Dafür muss aber die griechische Regierung endlich liefern. Angesichts des Auftritts mancher Regierungsvertreter aus Athen verstehe ich diejenigen, die sagen: Es reicht!

Tritt Angela Merkel 2017 wieder an?

Laschet Ich weiß es nicht. Ich hoffe es.

Michael Bröcker, Detlev Hüwel, Reinhard Kowalewsky und Thomas Reisener führten das Gespräch.

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