Analyse Beamtenbesoldung: Wie geht es jetzt weiter?

Düsseldorf/Münster · Nach der vernichtenden Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs muss Rot-Grün ein neues Gesetz vorlegen. Die Richter haben zwar auch in eigener Sache mitentschieden, aber vorwerfen kann man ihnen das nicht.

Der Verfassungsgerichtshof (VGH) in Münster hat die Besoldungsregelung der rot-grünen Landesregierung verworfen und den Gesetzgeber - also den Landtag - aufgefordert, eine Neufassung vorzulegen. Wir klären die wichtigsten Fragen.

Was genau verlangt das Verfassungsgericht in seinem Urteil?

Der Staat muss für den Unterhalt seiner Beamten sorgen, muss sie ausreichend "alimentieren". Er muss dabei darauf achten, dass die Bezüge - dem Leistungsgrundsatz folgend - entsprechend der unterschiedlichen Wertigkeit ihrer Ämter abzustufen sind. Hier spricht man von einem Abstandsgebot. Wenn der Staat nur die unteren Gehälter gemäß den Tarifergebnissen anhebt, verringert sich der Abstand zu den nächsten Besoldungsgruppen. Das ist nach Ansicht des Gerichts "verfassungsrechtlich bedenklich".

Was hatte die rot-grüne Koalition im Landtag beschlossen?

Beide Fraktionen hatten mit ihrer Mehrheit durchgesetzt, dass die für die Tarifbeschäftigten des Landes ausgehandelten Zuwächse - 2,6 Prozent im Jahr 2013 und 2,95 Prozent in diesem Jahr - lediglich auf die Besoldungsgruppen A 2 bis A 10 zu übertragen sind. Für A 11 und A 12 sollte es lediglich ein Plus von je einem Prozent jährlich geben. Alle höher eingruppierten Beamten und die Richter sollten zwei Jahre lang keine Gehaltserhöhung bekommen.

Was hat das Gericht dazu gesagt?

Der VGH spricht von einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung. Wörtlich heißt es dazu in dem Urteil (Az.: VerfGH 21/13): "Da der Gesetzgeber eine Erhöhung der Besoldung in den Besoldungsgruppen A 2 bis A 10 in Höhe von 5,6 Prozent für sachgerecht gehalten hat, durfte er jedenfalls nicht schon von der Besoldungsgruppe A 13 an auf jede Erhöhung verzichten, sondern hätte zumindest für einen gleitenden Übergang sorgen müssen. Die Beschränkung der Besoldungserhöhung auf die Besoldungsgruppen A 2 bis A 10 beziehungsweise eingeschränkt bis A 12 ist in dieser Ausgestaltung nicht durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt."

NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) hat argumentiert, bei den Nullrunden handle es sich um keine Verschlechterung.

Dem widerspricht der VGH. Die Staffelung sei eben kein zeitlich begrenzter Sparbeitrag, sondern eine "Maßnahme, die sich auch bei weiteren linearen Besoldungsanpassungen fortsetzen wird, sofern der Gesetzgeber keine Korrekturen vornehmen wird".

Wäre denn mit solchen Korrekturen zu rechnen gewesen?

Bestimmt nicht. Denn dann hätte die Landesregierung bei einer der nächsten Besoldungsrunden ja die "besserverdienenden" Beamten bevorzugen müssen. Das erscheint unrealistisch und widerspräche auch der Grundintention, eine Menge Geld zu sparen.

Was haben die Beamten denn jetzt vom Land zu erwarten?

Laut VGH muss das Land die Tarifabschlüsse nicht eins zu eins auf die Beamten übertragen. Aber dass alle Besoldungsgruppen von der wirtschaftlichen Entwicklung profitieren müssen, ist hinreichend klargestellt worden. Auf alle Fälle werden die Nullrunden revidiert werden müssen. Offen ist noch, wie die Anpassung (auch für die Pensionäre) im Einzelnen aussehen wird.

Kann die Landeskasse das überhaupt verkraften?

Das VGH-Urteil stellt den Finanzminister vor riesige Probleme. Nicht auszuschließen, dass er zusätzliche Schulden machen wird. Das allerdings würde die Einhaltung der Schuldenbremse 2020 deutlich gefährden.

Die Richter haben auch über ihr Gehalt entschieden. Hätte daher nicht besser das höchste Gericht eines anderen Bundeslandes entscheiden sollen?

Nein. Das widerspräche einem ehernen Prinzip des Rechtsstaates, dem "Gesetzlichen Richter". Nach Artikel 101 des Grundgesetzes und den entsprechenden Landesverfassungen darf niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Ausnahmegerichte sind unzulässig. Das Grundrecht schützt vor unbefugten Eingriffen in die Rechtspflege, in der durch eine unabhängige Justiz von vornherein garantiert wird, welcher Richter zur Behandlung bestimmter Arten von Sachverhalten zuständig ist. Die Zuständigkeit ergibt sich aus den Prozessordnungen (Zivilprozess- und Strafprozessordnung), dem Gerichtsverfassungsrecht sowie der Geschäftsverteilung durch die Gerichtspräsidien zu Beginn eines Gerichtsjahres.

Was könnte man gegen eine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips des "Gesetzlichen Richters" tun?

Zunächst kommen die vorgesehenen Rechtsmittel (zum Beispiel Revision) in Betracht; sodann nach Erschöpfung des Rechtsweges die Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.

Ist es denkbar, die Entscheidung der sieben Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes in Münster wegen Befangenheit infrage zu stellen, weil auch ihre Richterbesoldung tangiert ist?

Die Ablehnung von Richtern wegen Besorgnis der Befangenheit ist grundsätzlich zulässig, wenn für einen vernünftig Denkenden Zweifel an deren Objektivität bestehen. Hätte einer der Richter in Münster fahrlässigerweise öffentlich in der anhängigen strittigen Sache der Beamtenbesoldung in NRW Stellung bezogen, käme gegen diesen Richter ein Befangenheitsantrag in Betracht. Aber den gesamten VGH für befangen zu erklären, weil schließlich seine Mitglieder von der Entscheidung indirekt profitieren, hieße, die Unabhängigkeit des obersten NRW-Gerichts zu bestreiten. Im Übrigen gilt: Außer dem obersten Spruchkörper in Münster könnte den Rechtsstreit niemand durch Gerichtsurteil entscheiden.

(RP)
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