Wahlen in NRW CDU und SPD jagen sich Großstädte ab

Düsseldorf · Der Union gelangen am gestrigen Sonntag spektakuläre Wahlsiege; allerdings musste sie auch herbe Niederlagen einstecken. Die SPD nahm ihr Neuss ab. Doch eine Testwahl für die Landtagswahl 2017 war das nicht. Eine Analyse.

Stichwahlen in NRW: Gewinner und Verlierer
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Gewinner und Verlierer der Stichwahlen in NRW

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Die nordrhein-westfälische CDU hat in den Großstädten wieder Tritt gefasst. Geradezu sensationell mutet der Wahlsieg von Daniel Schranz in Oberhausen an. Der CDU-Fraktionschef im Stadtrat konnte gleich auf Anhieb die Hochburg der Sozialdemokraten erobern, nachdem die Genossen seit mehr als einem halben Jahrhundert im Rathaus das Sagen hatten. Nicht minder eindrucksvoll ist der Sieg von Ashok-Alexander Sridharan in Bonn, der sich mit über 50 Prozent gegen den SPD-Mitbewerber Peter Ruhenstroth-Bauer durchsetzen konnte.

Und dann Essen: In der Reviermetropole schnitt der CDU-Politiker Thomas Kufen (42) am besten ab und ließ den amtierenden SPD-OB Reinhard Paß (59) hinter sich. Hier wird es übernächsten Sonntag zur Stichwahl kommen.

Ein schwerer Verlust ist für die Union allerdings Neuss, wo sie nach dem Krieg ununterbrochen den Bürgermeister gestellt hat. Auch Leverkusen und Krefeld gingen für die CDU verloren. Landeschef Armin Laschet hatte das wohl kommen sehen, als er von dem "schwierigen Umfeld" in Krefeld sprach. Dennoch kann die NRW-CDU stolz sein auf ihre Erfolge in Bonn und Oberhausen und den Teilerfolg in Essen. Für die von Hannelore Kraft geführte NRW-SPD ist die gestrige erste Runde in Essen dagegen eine herbe Schlappe. Bereits 1999 hatte die Union die SPD aus dem Essener Rathaus vertrieben. Sollte sich das wiederholen, wäre dies für die Genossen ein Desaster.

Auf die Reviermetropole hatten sich die beiden großen Parteien fokussiert, nachdem die OB-Wahl in Köln wegen des Wahlzettel-Debakel überraschend auf den 18. Oktober verschoben worden war. Thomas Kufen hatte sogar die Unterstützung von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die in der Vorwoche zu einer Kundgebung nach Essen gekommen war und eindringlich für den "besten Oberbürgermeister dieser Stadt" geworben hatte. Paß hatte dagegen darunter zu leiden, dass ihn die SPD-Unterbezirksvorsitzende Britta Altenkamp als "falsche Person" für den OB-Posten bloßgestellt und auf eine Bewerberin gesetzt hatte, die jedoch in der Mitgliederbefragung unterlag. Falls Paß übernächsten Sonntag verliert, wird Altenkamp möglicherweise die Verantwortung für die von ihr mitverschuldete Niederlage übernehmen und den Essener Parteivorsitz niederlegen müssen, um einen Neuanfang zu ermöglichen.

Wie nicht anders zu erwarten, pickten die Landesparteien gestern Abend die für sie besten Ergebnisse heraus. Allerdings taugen diese Vorzeige-Resultate kaum als Prognose für die Landtagswahl, die im Frühjahr 2017 stattfinden wird. Denn die Oberbürgermeister- und Bürgermeisterwahlen sind in erster Linie Persönlichkeitswahlen. Im Wahlkampf kam es in den Kommunen entscheidend darauf an, wer wie glaubhaft seine Konzepte "rüberbringen" konnte. Die Zeiten sind längst vorbei, da die Bürger "durchgewählt", also bei sämtlichen Wahlen für ein und dieselbe Partei votiert haben. Auch diesmal dürften sich viele Wähler für diejenigen Kandidaten entschieden haben, die auf sie am überzeugendsten und sympathischsten wirken.

In Baden-Württemberg wird diesem Wahlverhalten längst gewissermaßen amtlich Rechnung getragen: Auf den Wahlzetteln zur Bürgermeisterwahl finden sich nur die Namen der Bewerber, nicht jedoch deren Parteizugehörigkeit.

In etlichen NRW-Kommunen ist diesmal ein Bewerber von mehreren Parteien und Gruppen unterstützt worden. Offen bleibt allerdings, ob ein solchermaßen gewählter Amtsträger nicht irgendwann in Konflikt mit einer der Parteien gerät, die für ihn gefochten haben.

Nicht nur in Essen, auch in zahlreichen anderen NRW-Kommunen gab es gestern noch keine klare Entscheidung. Deswegen kommt es auch dort am übernächsten Sonntag zwischen den beiden Kandidaten mit den besten Wahlergebnissen zur alles entscheidenden Stichwahl.

Seit 1999 dürfen in NRW auch 16-Jährige bei Kommunalwahlen mitstimmen. Auch Bürger der Europäischen Union konnten gestern an der Wahl teilnehmen. Inwieweit sie von ihrem aktiven Wahlrecht Gebrauch gemacht haben, ist derzeit aber noch nicht abzusehen. Fest steht, dass die Wahlbeteiligung insgesamt erwartungsgemäß niedrig ausfiel, zum Teil sogar katastrophal niedrig. Politikwissenschaftler hatten bereits vorhergesagt, dass weniger als 50 Prozent der Bürger dem Aufruf zum Urnengang folgen würden.

Der Grund wird vor allem darin gesehen, dass es sich gestern um eine "Solo-Bürgermeisterwahl" gehandelt hat, während im vergangenen Jahr, als in rund 60 Prozent der nordrhein-westfälischen Kommunen der Bürgermeister gewählt wurde, gleichzeitig landesweit auch Ratswahlen stattfanden. Allerdings fiel auch schon vor einem Jahr die Beteiligung mit 50 Prozent sehr mager aus - es handelte sich um die niedrigste Quote bei einer Kommunalwahl in NRW überhaupt. 1975 lag sie bei sensationellen 86,4 Prozent und 1994 bei 81,7 Prozent. Damals fanden allerdings gleichzeitig Landtags- beziehungsweise Bundestagswahlen statt. Aber selbst bei reinen Kommunalwahlen gab es in NRW schon mehrfach eine Wahlbeteiligung von mehr als 70 Prozent. Seit vielen Jahren weist der Trend jedoch nach unten.

Zur Besonderheit des nordrhein-westfälischen Kommunalrechts gehört, dass der (Ober-)Bürgermeister zwar Vorsitzender, nicht aber Mitglied des gewählten Stadtrates ist. Dazu schreibt der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte (Universität Duisburg): "Der Bürgermeister terminiert die Sitzungen, leitet diese, übt das Hausrecht aus und schlägt eine Tagesordnung vor. Bei Abstimmungen hat er zudem Stimmrecht. So gibt seine Stimme bei einer Patt-Situation den Ausschlag."

(hüw)
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