NRW-Finanzminister Walter-Borjans Der Mann, der 1,3 Milliarden Euro fand

(RP). NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) steht erneut in der Kritik. Erst zog das Verfassungsgericht beim Nachtragshaushalt die Notbremse, jetzt ist der Eindruck entstanden, er habe den Etat nicht im Griff. Heute muss Walter-Borjans dem Finanzausschuss erklären, wo er plötzlich 1,3 Milliarden Euro auftun konnte.

 Nordrhein-Westfalens Finanzminister Norbert Walter-Borjans will 2012 deutlich weniger Schulden aufnehmen.

Nordrhein-Westfalens Finanzminister Norbert Walter-Borjans will 2012 deutlich weniger Schulden aufnehmen.

Foto: dapd, dapd

Der Aufsichtsrat der West-LB tagt hinter verschlossenen Türen. Norbert Walter-Borjans (SPD), der Finanzminister von NRW, muss nicht ins Scheinwerferlicht. Eine Auszeit sei vielleicht nicht schlecht, heißt es bei der SPD im Landtag. Die Lektüre des Pressespiegels sei für den Parteifreund "nicht so schön" gewesen.

Es ist der Tag eins nach dem denkwürdigen Auftritt von Walter-Borjans vor der Landespressekonferenz. Am Dienstag hatte der Finanzminister überraschend vorgetragen, dass das Land im Nachtragshaushalt für 2010 1,3 Milliarden Euro weniger an neuen Schulden aufnehmen muss als bislang vorgesehen.

Die positive Nachricht wendete sich schnell zum PR-Desaster. Auf Nachfrage konnte Walter-Borjans nicht erklären, wie es zu der wundersamen Geldvermehrung kam. Ein Finanzminister, der den Etat nicht kennt, brauche Nachhilfe, kritisiert die Linkspartei. Selbst bei den Grünen geht man vorsichtshalber auf Abstand.

Die Opposition wird eindeutiger: Walter-Borjans habe den Landtag "getäuscht" und die verbesserte Kassenlage verschwiegen, hieß es bei der CDU. FDP-Fraktionschef Gerhard Papke verschärfte noch einmal die Gangart gegen den Minister. Das Chaos in der Haushaltspolitik müsse "selbstverständlich ein parlamentarisches Nachspiel haben", forderte er.

Mitleid von den Genossen

In der eigenen Partei gibt es Mitleid für den "armen Nowabo". Nowabo ist der Spitzname des Ministers, der sich aus den Anfangsbuchstaben seines Namens ableitet. "Das läuft derzeit ganz bitter für ihn." Was ist eigentlich schiefgelaufen? "Erst hat man kein Glück, dann kommt auch noch Pech dazu", bilanziert ein Spitzengenosse ironisch die Lage.

Kein Glück. Damit ist die Anordnung des NRW-Verfassungsgerichts gemeint, die der Landesregierung in der vergangenen Woche verboten hatte, neue Schulden aufzunehmen. Umstritten waren dabei vor allem die Rücklagen für die WestLB. Walter-Borjans wollte 1,3 Milliarden Euro zurückstellen, um mögliche Risiken abzufangen.

Als "Pech eins" werten die Sozialdemokraten, dass ausgerechnet diese Summe als Guthaben entdeckt wird. "Das war buchhalterischer Zufall", erklärt ein Finanzexperte. "Dummerweise sieht das jetzt so aus, als sei Walter-Borjans ein Trickser."

"Pech zwei": der Zeitpunkt der Bekanntgabe. Nur wenige Tage nach dem Warnschuss des Verfassungsgerichts. Hat der Minister die Zahlen nicht schon viel früher gekannt? Hat er gar das Gericht getäuscht? In Regierungskreisen weist man das zurück. Erst jetzt seien die Eckwerte des Haushalts, der mehr als 8000 Einzeltitel umfasse, vollständig gewesen. "Die Zahlen wurden in dieser Woche an den Bund gemeldet", heißt es. Deshalb habe es keine Alternative zur Bekanntgabe in dieser Woche gegeben.

Schlechtes Timing?

Walter-Borjans — nur ein Opfer von Zufällen und ungünstigen Umständen? Das ist wohl nur die halbe Wahrheit. Ausgerechnet "Nowabo", der als erfahrener Kommunikator galt, habe in den vergangenen Wochen diese Stärke verlassen, räumt ein Mitstreiter ein.

Die Grünen werfen Walter-Borjans vor, das Verfassungsgericht mit seinen Verlautbarungen unnötig provoziert zu haben. Deswegen hätten die Richter die juristische Notbremse gezogen — ein bis dato bundesweit einmaliger Vorgang. Auch auf die Pressekonferenz habe sich Walter-Borjans besser vorbereiten müssen. "Da hat ihn sein Instinkt verlassen", klagt ein Spitzen-Grüner. Ist "Nowabo", den neben dem Haushalt auch die Rettung der WestLB in Atem hält, derzeit schlicht überfordert?

Walter-Borjans wurde 2010 von der späteren Ministerpräsidentin Hannelore Kraft als Experte für Wirtschaft und Kommunalfinanzen ins Kompetenzteam der NRW-SPD berufen. Walter-Borjans ist ein alter Fahrensmann, schließlich war der gebürtige Krefelder schon Regierungssprecher von Johannes Rau. In Krafts Kabinett war er für das Amt des Wirtschaftsministers vorgesehen. Doch nach einer Absage musste Walter-Borjans als Finanzminister einspringen. Er habe als Kämmerer der Stadt Köln wertvolle Erfahrungen auf dem Gebiet gesammelt, sagte Kraft. Tatsächlich hatte er die Kämmerei in der Domstadt nur ein Jahr geleitet — und zwar kommissarisch.

Nach der Amtsübernahme geriet Walter-Borjans schnell als "Rekordschuldenmacher" von NRW ins Kreuzfeuer der Kritik. Um in dieser Rolle zu bestehen, müsse man ein harter Hund sein, sagt man in der SPD-Fraktion. Einer, wie es zum Beispiel Peer Steinbrück als Finanzminister war.

Feuerprobe im Finanzausschuss

Walter-Borjans ist wie sein einstiger Chef, Johannes Rau, ein Mann des Ausgleichs. Im Karneval war er in dieser Session schon als lustiger Pirat unterwegs. Fast ganz Köln scheint ihn zu duzen. "Ein netter Kerl", heißt es allerorten. Zu nett? Im Kabinett habe er sich nicht immer durchsetzen können, berichten Teilnehmer.

Steherqualitäten wird der Finanzminister heute in der Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses benötigen. Ab 12.30 Uhr will er den Landtagsabgeordneten einen Überblick über die "Ausgaben-Blöcke" geben, in denen weniger ausgegeben worden sei als veranschlagt, teilte sein Ministerium mit. "Unterstellungen" der Opposition, der Finanzminister habe "gegenüber Öffentlichkeit und Parlament Haushaltsdaten verschwiegen", weise man zurück, teilte eine Sprecherin des Finanzministeriums weiter mit.

(RP)
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