Analyse Die neue Macht der NRW-Grünen

Düsseldorf · Nach der Kommunalwahl in NRW sind die großen Parteien auf der Suche nach einem Koalitionspartner. Die Grünen reagieren selbstbewusst. Sie wissen, dass sie vielerorts das Zünglein an der Waage sind.

 Sven Lehmann und Monika Düker führen die Grünen in NRW.

Sven Lehmann und Monika Düker führen die Grünen in NRW.

Foto: dpa, rs lre

Mit einem "bombenstarken Ergebnis" für die FDP rechnete am Sonntag der Düsseldorfer CDU-Vorsitzende Thomas Jarzombek. Als klar wurde, dass daraus nichts mehr werden würde, griff der Mann zum Handy und schickte Grünen-Chefin Mona Neubaur eine SMS: "Schatz, wir müssen reden." Die Union brauchte einen neuen Bündnispartner — die Grünen. Deren Unterstützung benötigt sie vor allem auch bei der Stichwahl des Oberbürgermeisters. Amtsinhaber Dirk Elbers kam am Sonntag nur auf 46,1 Prozent.

Am 15. Juni wird er gegen seinen SPD-Herausforderer Thomas Geisel antreten, der knapp 38 Prozent erhielt. Im ersten Wahlgang hatten die Grünen noch eine eigene Kandidatin ins Rennen geschickt. Diesmal müssen sie sich entscheiden, wem sie ihre Stimme geben sollen: Elbers oder Geisel?

So wie in Düsseldorf Thomas Jarzombek buhlen jetzt vielerorts in NRW CDU und SPD um die Unterstützung der Grünen, die entsprechend selbstbewusst reagieren. "Wir sind eine starke Kraft vor Ort und werden in vielen Städten, Gemeinden und Kreisen die Politik der nächsten Jahre mitgestalten", so die Grünen-Landesvorsitzenden Monika Düker und Sven Lehmann.


Christdemokraten kriegen beim Gedanken an ein schwarz-grünes Bündnis längst keine Pickel mehr. Die alten Feindbilder sind passé. In Aachen beispielsweise bestand lange Zeit ein schwarz-grünes Bündnis, das auch gut funktionierte. Es zerbrach vor ziemlich genau einem Jahr, weil die CDU plötzlich doch nicht mehr einen Grünen — den Partner der grünen Schulministerin Sylvia Löhrmann — zum Schuldezernenten wählen wollte.

Jetzt ist in der Kaiserstadt eine Neuauflage dieser Kooperation möglich. CDU-Landeschef Armin Laschet, der selbst Aachener ist, hätte dagegen sicher nichts einzuwenden. Der frühere NRW-Integrationsminister hat keinerlei Berührungsängste bei den Grünen. Schließlich war er als Bundestagsabgeordneter Mitglied der beinahe legendären "Pizza-Connection". Dieser Kreis von Abgeordneten von CDU und Grünen traf sich regelmäßig in einem italienischen Restaurant in Bonn und schmiedete politische Zukunftspläne.

Die NRW-CDU muss mit einiger Besorgnis in die Zukunft blicken: Auf ihren traditionellen Koalitionspartner FDP kann sie sich spätestens seit Sonntag nicht mehr verlassen. Mit dem Ergebnis von 4,8 Prozent wäre den Liberalen der Wiedereinzug ins Parlament verwehrt, wenn es sich nicht um die Kommunal-, sondern um eine Landtagswahl gehandelt hätte.
Laschet kann nicht darauf bauen, dass die FDP bis zur NRW-Wahl 2017 Boden wettmacht. Der Vorsitzende der FDP in Bund und Land, Christian Lindner, ist zwar ein wortgewandter, sympathischer Mann. Aber das ist kein Garant dafür, dass die Menschen in NRW sich künftig verstärkt der FDP zuwenden.

Auf der Suche nach einem potenziellen Bündnispartner bieten sich für die CDU die Grünen an. Es gab und gibt durchaus Schnittmengen in ihrer Programmatik. Der von dem damaligen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU) forcierte Ausstieg aus der heimischen Steinkohleförderung stieß bei den Grünen auf ungeteilte Zustimmung. Unüberwindbare Gegensätze scheint es nicht zu geben. Auch in der Schulpolitik haben sich die Wogen geglättet, seitdem der frühere CDU-Landeschef Norbert Röttgen mit Rot-Grün den vielbeachteten Schulkonsens getroffen hat, der einerseits längeres gemeinsames Lernen ermöglicht und andererseits das gegliederte Schulsystem in NRW sichert.

Dass es im Januar in Hessen zu dem ersten schwarz-grünen Bündnis in einem Flächenland gekommen ist, kann die SPD nicht kaltlassen. Denn wenn das Bündnis klappt (und es sieht ganz danach aus), könnten weitere folgen. In Nordrhein-Westfalen hat Johannes Rau (SPD) 1995 erstmals mit den Grünen paktiert — eher widerwillig, wie ihm anzumerken war. Er sprach von "Feldversuch" (wobei ein solches Bündnis bereits 1985 in Hessen geschlossen worden war). Ab 1998 gab es auch im Bund Rot-Grün.

Die Anfangsjahre der rot-grünen Regierung in NRW verliefen alles andere als harmonisch. Zu den Flügelkämpfen zwischen "Realos" und Fundamentalisten bei den Grünen gab es vor allem Streit mit der SPD um das Braunkohleprojekt Garzweiler, das die grüne Umweltministerin Bärbel Höhn mit allen bürokratischen Finessen zu hintertreiben versuchte.

Es ist symptomatisch für das inzwischen weitaus entspanntere Verhältnis von SPD und Grünen, dass beide vor wenigen Wochen gemeinsam einer verdutzten Öffentlichkeit die Verkleinerung von Garzweiler II angekündigt haben. Gleichwohl kann es auch jetzt noch zu Auseinandersetzungen zwischen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und ihrer Stellvertreterin Sylvia Löhrmann kommen. Doch der Streit wird im Gegensatz zu früher nicht nach außen getragen. Die beiden Duzfreundinnen pflegen eine andere, kultiviertere Streitkultur als etwa der frühere sozialdemokratische Regierungschef Wolfgang Clement, dem heftige Wutausbrüche nachgesagt werden.

Auch auf kommunaler Ebene war es oft so, dass die Zusammenarbeit mit den Grünen stark von den handelnden Personen abhing. Gerade im Ruhrgebiet haben in traditionellen Denkmustern verharrende Sozialdemokraten mitunter Probleme, mit den Grünen klarzukommen. Umgekehrt fühlen die sich von den "Traditionssozis" oft herablassend behandelt.

Die Düsseldorfer Grünen sind dem Herausforderer von Elbers jedenfalls nicht besonders zugeneigt. Dieser habe sich für Fracking, also für die Erdgasförderung mit Wasserdruck und Chemie, ausgesprochen. "Da war er der Gasmann", stichelt Düker, die sich damit nicht abfinden mag.

(csi)
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