NRW-SPD Die Stunde des Thomas Kutschaty

Düsseldorf · Der neue Fraktionsvorsitzende kann sich zum mächtigsten Mann der SPD in Nordrhein-Westfalen aufschwingen, wenn er nun auch noch nach dem Parteivorsitz greift.

 Thomas Kutschaty (SPD) im Düsseldorfer Landtag.

Thomas Kutschaty (SPD) im Düsseldorfer Landtag.

Foto: dpa

Schon oft hat er an diesem Pult gestanden, aber noch nie als Oppositionsführer. "Ich spreche zum ersten Mal als Fraktionschef der SPD", sagt Thomas Kutschaty zu Beginn seiner Rede im Düsseldorfer Landtag und bietet dem politischen Gegner eine konstruktive Zusammenarbeit an. Das war es dann aber auch schon an Höflichkeiten.

Im Landtag geht es an diesem Tag um die Zukunft des Ruhrgebiets, und das ist ein Thema, das die NRW-SPD zu ihren ureigensten Herzensangelegenheiten zählt. Ebenso entscheidend ist für Kutschaty zurzeit aber, dass es hervorragend geeignet ist, um sich als neuer Oppositionsführer zu profilieren und bei den eigenen Genossen Punkte zu sammeln. Darauf könnte der 49-Jährige schon bald angewiesen sein: wenn es um den zweiten Spitzenposten in der NRW-SPD geht, den Parteivorsitz. In den nächsten Tagen wird sich entscheiden, ob Kutschaty auch nach dem Parteivorsitz greift und sich damit zum neuen mächtigen Mann des Landesverbands aufschwingt.

Ausgeschlossen hat der frühere NRW-Justizminister das bisher nicht. Und gute Chancen hätte er allemal, meinen viele Genossen. Denn der bisher einzige Anwärter auf den Posten des NRW-Parteichefs, Sebastian Hartmann, ist seit Dienstag schwer angeschlagen, weil auch er ein Wunschkandidat des alten Partei-Establishments ist mit all seinen Hinterzimmer-Absprachen. Hartmann sei durch das Ergebnis bei der Wahl des Fraktionsvorsitzenden schwer verunsichert, hieß es gestern. Am Dienstag wollte er sich nicht äußern. An jenem denkwürdigen Tag stürzte die SPD-Landtagsfraktion ihren Parteiveteranen Norbert Römer. Dessen Kandidaten Marc Herter ließen die Genossen glatt durchfallen. Völlig überraschend setzte sich stattdessen Kutschaty in der Kampfabstimmung als Fraktionschef gegen Herter durch.

Römer zog umgehend die Konsequenz: Noch am selben Abend legte der 71-jährige den Vorsitz des einflussreichsten nordrhein-westfälischen SPD-Bezirks Westliches Westfalen nieder. Auch als Schatzmeister der NRW-SPD will er nun doch nicht mehr kandidieren. Eine hochemotionale Sitzung sei das gewesen, heißt es. Als besonders infam hätten viele empfunden, dass es so viele Abweichler gab, die sich vor der Abstimmung nicht offen geäußert hätten. So soll Herter bei Probeabstimmungen zuvor 100 Prozent der Stimmen im Westlichen Westfallen bekommen haben. Dies habe Römer, der seit Jahrzehnten die Geschicke der NRW-SPD maßgeblich bestimmt hatte, als besonders harten Vertrauensbruch empfunden.

Nach dieser Zäsur haben sie dem Vernehmen nach noch viel zu klären im Bezirk Westliches Westfalen, zu dem so unterschiedliche Regionen wie das Münsterland, das Sauerland und das halbe Ruhrgebiet zählen. Ein neuer Kandidat als Schatzmeister muss gefunden werden, es böte sich Ibrahim Yetim an. Auch stellt sich die Frage der Stellvertreterposten im Parteivorstand. Da reklamieren die Jusos zum ersten Mal überhaupt einen Vize-Posten für sich und schicken Veith Lemmen ins Rennen.

Vor allem aber müssen die Westfalen jetzt schleunigst klären, ob sie einen Gegenkandidaten zu Hartmann nominieren wollen. NRW-Umweltministerin Svenja Schulze oder die bisher als neue Generalsekretärin vorgesehene Nadja Lüders zum Beispiel. Doch selbst unter die Westfalen mischen sich inzwischen einige, die es am liebsten sähen, wenn Kutschaty auch für den Posten des Parteichefs antritt. Sie wollen den Regionalproporz endgültig ad acta legen und dass die SPD schneller zu alter Stärke zurückfindet. Wenn beide Posten in einer Hand liegen, so meinen die Kutschaty-Unterstützer, sei die Schlagkraft größer. Wie groß das Lager derjenigen ist, die diese Lösung favorisieren, wisse zurzeit keiner genau, heißt es in der Partei. So kann Kutschaty zurzeit nur spekulieren, wie groß sein Rückhalt wäre. Eines ist jedoch klar: Ohne die Unterstützung zumindest einiger Genossen aus Westfalen hätte er kaum eine Chance. Eine Sitzung des SPD-Landesvorstands am Freitag könnte ein wenig mehr Klarheit bringen.

In der Zwischenzeit kämpft Kutschaty zur Abwechslung mal nicht gegen eigene Genossen, sondern gegen die Landesregierung. Deren Pläne für das Ruhrgebiet seien ziellos, inhaltsleer, ein wahres "Floskel-Bingo".

(RP)
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