Digital-Gipfel der RP "NRW ist Vorbild für China"

Düsseldorf · Profitiert das Industrieland NRW von der Digitalisierung? Siemenschef Joe Kaeser und Regierungschefin Hannelore Kraft diskutierten bei der Rheinischen Post.

Das war der Digitalgipfel der RP
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Foto: Andreas Endermann

Nordrhein-Westfalen bringt aus Sicht von Siemens-Chef Joe Kaeser sehr gute Voraussetzungen für den digitalen Wandel mit, weil NRW große Erfahrung mit dem Strukturwandel weg von der Kohle habe. Selbst China könne von NRW lernen, immerhin stehe dem Land gerade ein ähnlicher Umbau bevor, sagte Kaeser beim Digitalgipfel der Rheinischen Post, an dem auch Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) teilnahm. Darüber habe er zuletzt auch mit dem chinesischen Ministerpräsidenten Li Keqiang gesprochen. Er habe Li gesagt: "Bei uns in Deutschland gibt es ein Bundesland, das vor 30 bis 40 Jahren so etwas schon mal mitgemacht hat im Stahl und im Bergbau."

Die Herausforderungen durch den digitalen Wandel sind Kaeser zufolge aber noch größer als frühere Umbrüche. "Die Geschwindigkeit hat unglaublich zugenommen." Kaeser machte deutlich, dass die Digitalisierung nicht nur Gewinner hervorbringen wird: "Amazon hat ganze Branchen hinweggerafft." Auch im kalifornischen Silicon Valley gebe es deutlich mehr Verlierer als Gewinner. Dort würden voraussichtlich 90 Prozent der heutigen Start-Ups verschwinden. "Aber die zehn Prozent, die übrig bleiben, werden die Welt verändern", sagte Kaeser.

Im Silicon Valley herrsche Darwinismus pur. Auf der Seite der Verlierer sieht Kaeser tendenziell auch ältere Arbeitnehmer: "Wie gehen wir mit den 50-Jährigen um?" Requalifizierung spiele eine wichtige Rolle, werde aber von den Unternehmen derzeit selbst getragen.

"Google ist der Knecht im Auto"

Auf die Frage, ob nicht auch industrielle Ausrüster wie Siemens irgendwann nur noch Anhängsel der Internetfirmen seien, also Autos künftig etwa von Google abhängig sein könnten, reagierte Kaeser barsch: "Google ist der Knecht im Auto. Die Autofirmen nutzen Google, nicht umgekehrt." Der Dienstherr sei vielmehr das Navigationssystem von BMW oder VW.

Die durch die Digitalisierung möglich gewordene Vernetzung von Daten und auch Fahrzeugen sowie autonom fahrende Autos werden die Mobilität allerdings gravierend verändern. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hofft, dass sich dadurch Staus auf nordrhein-westfälischen Autobahnen verringern und weniger Unfälle passieren. Aus Kaesers Sicht kommt NRW bei der Beantwortung der Frage, wie sich Menschen künftig fortbewegen, sogar eine Schlüsselrolle zu: "Rhein-Ruhr ist die einzige Mega-City in Deutschland", sagte Kaeser. Mit einem schlüssigen Mobilitätskonzept könnte die Region Vorbild werden. Aufgabe der Politik sei es, im EU-Binnenmarkt oder bestenfalls weltweit einheitliche Standards für die Digitalisierung zu schaffen.

Ministerpräsidentin Kraft verteidigte die Pläne der Landesregierung für den Ausbau des schnellen Internets im Land: "Wir geben das Geld zielgerichtet aus." Zwar investiere NRW weniger als etwa Bayern. Dieses setze allerdings auf das so genannte Vectoring. Die Technik ist umstritten, weil dabei lediglich alte Kupferkabel aufgerüstet werden. In NRW würde man hingegen beim Ausbau-Programm für 3000 Gewerbegebiete vorrangig auf die leistungsfähigere Glasfasertechnik setzen. "Bis 2018 ist in NRW jeder ans schnelle Internet mit mindestens 50 Mbit angebunden", versprach Kraft. Gewerbegebiete hätten Priorität.

Kraft: Ethische Fragen nicht aus den Augen verlieren

An die Ministerpräsidentin gewandt sprach sich Kaeser für flexiblere Arbeitszeiten aus. Start-Up-Mitarbeiter arbeiteten zeitweise Tag und Nacht, setzten dann aber auch einmal drei Wochen aus, um ihr Leben zu genießen. Die Sozialdemokratin Kraft reagierte verhalten: "Wir haben auch eine Schutzfunktion für die Beschäftigten."

Sie mahnte zugleich an, im Zuge des digitalen Wandels ethische Fragen nicht aus den Augen zu verlieren. Etwa, wenn es um selbstfahrende Autos gehe. Während ein Mensch am Steuer auf Basis des Erlernten entscheide, ob er das Auto vor einem Hindernis nach links oder rechts ausweichen lasse, um etwa ein Menschenleben zu retten, kenne eine Maschine keine moralischen Erwägungen.

Ethische Fragen im Zusammenhang mit der Siemens-Schmiergeldaffäre werden auch für Kaeser seit Veröffentlichung der Panama-Papiere wieder aktuell. Ex-Siemens-Manager sollen demnach vor Jahren Schmiergeld in die eigene Tasche gesteckt und in Briefkastenfirmen geparkt haben. Siemens könnte nun versuchen, sich dieses Geld zurückzuholen. "Es wird geprüft werden müssen, ob Siemens daraus Ansprüche entstehen", sagte Kaeser. Siemens hatte gestern bereits Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt.

(RP)
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