Ende der Zusammenarbeit mit Islamverband Ditib spaltet die Landesregierung in NRW

Düsseldorf · Das NRW-Innenministerium hat die Zusammenarbeit mit Deutschlands größtem Islamverband wegen eines Märtyrer-Comics beendet. Schulministerin Sylvia Löhrmann will dagegen weiter mit Ditib arbeiten.

 Der Original-Comic ist nur in türkischer Sprache erschienen. Er wurde von der türkischen Religionsbehörde Diyanet herausgegeben.

Der Original-Comic ist nur in türkischer Sprache erschienen. Er wurde von der türkischen Religionsbehörde Diyanet herausgegeben.

Foto: Grafik RP

Die Landesregierung kann sich nicht auf eine gemeinsame Position im Umgang mit dem umstrittenen Islamverband Ditib verständigen. Obwohl NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) die Kooperation mit Ditib wegen mangelnder Neutralität beendet hat, will das von Sylvia Löhrmann (Grüne) geführte Schulministerium die Zusammenarbeit zunächst fortsetzen.

Ditib war bis vor wenigen Wochen Träger des Kölner Standortes von Jägers Präventionsprogramm "Wegweiser", mit dem Jugendliche vor dem Abdriften in den gewaltbereiten Salafismus geschützt werden sollen. Jäger hat die Zusammenarbeit beendet, weil Ditib sich nicht von einem Comic der türkischen Religionsbehörde Diyanet distanzieren wollte, in dem der Märtyrertod verherrlicht wird.

Schulministerin Löhrmann hat damit hingegen keine Probleme: Ditib ist Mitglied eines achtköpfigen Beirats, der die Landesregierung bei den Vorgaben für die Gestaltung des Islamunterrichts an NRW-Schulen berät. Das soll auch so bleiben, wie Regierungssprecher Thomas Breustedt am Montag erklärte. Die Landesregierung habe noch in der vergangenen Woche "ausdrücklich betont, dass man den Dialog mit den islamischen Verbänden, insbesondere im 'dialog forum islam' und im Beirat für den bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht, fortsetzt".

Informationen unserer Redaktion vom Vortag, wonach die NRW-Regierung jetzt auch erwägt, im Schulbereich die Zusammenarbeit mit Ditib aufzukündigen, seien "falsch", so Breustedt. Im Umfeld der Landesregierung hieß es hingegen auch am Montag wieder, das Festhalten an der Ditib-Mitgliedschaft in dem Beirat sei nach Jägers Initiative noch schwerer als ohnehin zu begründen.

Die widersprüchliche Haltung der Landesregierung gegenüber Ditib ruft bei der Opposition großes Unverständnis hervor. FDP-Chef Christian Lindner sagte unserer Redaktion gestern: "Schulministerin Löhrmann hat offenbar Scheuklappen auf, wenn es um das Agieren der Ditib geht." Der unterschiedliche Umgang der Ministerien mit der Islam-Organisation sei "überaus irritierend". Lindner fordert ein Machtwort: "Jetzt ist Ministerpräsidentin Kraft gefordert." Auch der CDU-Innenpolitiker im Landtag, Peter Biesenbach, schüttelt den Kopf: "Wenn schon die jugendlichen Teilnehmer eines Anti-Terrorismus-Programms vor dem Einfluss von Ditib geschützt werden müssen, dann gilt das doch wohl für die Teilnehmer des NRW-Schulunterrichtes erst recht", argumentiert Biesenbach.

Auch unabhängig von der Comic-Affäre steht die Zusammenarbeit mit Ditib in der Kritik. Der Verband gilt als der verlängerte Arm des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan in Deutschland und kämpft hier gerade um die Anerkennung als Religionsgemeinschaft. NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hatte sich dazu zuletzt skeptischer als ihre Schulministerin Löhrmann geäußert. Aktuell wartet das Land aber noch auf die Ergebnisse eines Gutachtens, das die Möglichkeit einer Anerkennung Ditibs als Religionsgemeinschaft klären soll.

Ditib selbst weist Vorwürfe einer politischen Agitation und Fremdsteuerung regelmäßig zurück. Doch Fakt ist: Der Verband unterliegt der türkischen Religionsbehörde Diyanet. Sie ist direkt an das türkische Ministerpräsidentenamt angeschlossen. Innerhalb der Ditib besitzt der Chef der Diyanet Mitspracherecht — als Mitglied des Beirats, der den Vorstand kontrolliert.

Die strittigste Aufgabe der Behörde ist die Entsendung der Imame, also der Vorbeter in den deutschen Moscheen. Ditib ist der einzige deutsche Islamverband, der seine Imame direkt vom türkischen Staat bezieht und auch von diesem entlohnen lässt — was den Verband im Vergleich zu anderen islamischen Gruppierungen in Deutschland finanziell enorm entlastet. Derzeit halten sich hierzulande 970 dieser Vorbeter auf.

Politiker und Islamwissenschaftler sehen insbesondere diese Praxis der Imam-Entsendung nach Deutschland äußerst kritisch. Denn der türkische Staatsislam hat sich in den vergangenen Jahren von einer moderaten zu einer radikalisierenden Religion gewandelt. Dafür ist Experten zufolge nicht zuletzt die islamisch-fundamentalistische "Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung" (AKP) unter Führung Erdogans verantwortlich.

(RP)
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