Kommunalwahl Thomas Kufen steht für schwarz-grüne Strategie

Essen · Als Thomas Kufen am Sonntagabend um 18.30 Uhr im Essener Rathaus zu seinen Anhängern stieß, hallte es immer wieder "Thomas, Thomas". Seine engsten Mitarbeiter und auch Oliver Wittke, den aus Gelsenkirchen kommenden Chef des CDU-Bezirkes Ruhrgebiet, umarmte er davor eng.

Thomas Kufen hatte am Sonntagabend allen Grund zum Jubeln.

Thomas Kufen hatte am Sonntagabend allen Grund zum Jubeln.

Foto: dpa, tba

Dann erklärt er seinen vorläufigen Sieg mit 42, 5 Prozent der Stimmen gegenüber 33,4 Prozent für den amtierenden Oberbürgermeister Reinhard Pass (SPD): "Es muss sich etwas ändern in der Stadt." Alle jubeln.

Etwas verhaltener ist die Begeisterung unter den rund 100 CDU-Anhängern, als der Oberbürgermeister-Kandidat sagt: " Erst die Stadt, dann die Partei." Und zum Schluss meint Kufen: "Wenn man mir jetzt noch ein Stauder gönnt, ist der Abend klar."

Der Erfolg von Kufen ist tatsächlich der Sieg eines neuen Typus von CDU-Politiker. Zur Wahlparty hat der 42-jährige seinen Lebensgefährten mitgebracht — der ist auch hauptberuflicher Kommunalpolitiker in der Union, aber in einer anderen Stadt. "Für Sie. Für Dich. Für Essen", lautete Kufens Slogan — das kann man zwar als etwas anbiedernd verstehen, kam aber offensichtlich besser an als Familienfotos des amtierenden Oberbürgermeisters auf seinen Wahlplakaten.

Kufen hat als langjähriger Fraktionschef der CDU im Stadtrat sich zeitig als schwarz-grüner Denker profiliert. Schon vor vielen Jahren verbündeten sich CDU und Grüne eng in der wichtigsten Stadt des Ruhrgebietes — so wurden Fixerstuben für Heroinsüchtige in der Stadt eingerichtet. Die Grünen haben mit Hilfe der Union zwei Dezernentenposten in der Verwaltung bekommen — dagegen ging die FDP zu ihrer Enttäuschung leer aus. Und für seine monatelange Tour durch alle Stadtteile heuerte Kufen mit Uwe Loch einen Radiomoderator als Partner für lockere Live-Interviews an, dem man seine eher alternative Einstellung direkt ansieht. "Ich habe noch nie die CDU gewählt", sagt Loch im Gespräch, "aber mit Kufens weltoffener Einstellung kann ich mich gut anfreunden und stelle ihn darum in unseren kleinen Talkshows gerne vor." Sein lockeres Auftreten hat Kufen, der meist ohne Schlips auftritt, den Wahlsieg bei der Stichwahl in zwei Wochen relativ sicher gemacht: Er liegt sowieso knapp zehn Prozent vor dem SPD-Kandidaten, die meisten Grünen-Funktionäre in Essen wollen nach Informationen unserer Redaktion massiv für Kufen Stimmung machen —ob es eine öffentliche Wahlempfehlung gibt, wird am Mittwoch entschieden. Die Grünen hatten bei der OB-Wahl 7,5 Prozent der Stimmen errungen.

Ein Trupp von Junge-Union-Mitgliedern will mit Thomas Kufen weiter die Bürger ansprechen - die SPD könnte die Wende also nur schaffen, falls die bei nur 34 Prozent liegende Wahlbeteiligung deutlich steigt. Aber genau dafür gibt es bisher keine Anzeichen. "Wir sind schon enttäuscht", sagt der aus Essen stammende Justizminister Thomas Kutschaty im Gespräch mit unserer Redaktion, "jetzt müssen wir schon sehr stark unsere Kräfte mobilisieren." Etwas härter sagt ein anderer Parteifreund die Wahrheit: "Die anderen haben nun mächtig Rückenwind, wogegen unsere Basis schon heute extrem demotiviert war." Die Zahlen bestätigen das: In vielen SPD-Hochburgen im Norden der Stadt lag die Wahlbeteiligung bei unter 25 Prozent, in den bürgerlichen Stadtteilen im Süden der Stadt gingen oft mehr als 40 Prozent der Wähler zur Urne.

Dabei ist der Sieg des CDU-Mannes Kufen mindestens ebenso eine Niederlage des SPD-Bürgermeisters Reinhard Pass. Der 1955 geborene frühere Betriebsratschef eines Unternehmens gilt als unflexibler Verwalter der hochverschuldeten Stadt, neue Ideen hatte er selten, es gab peinliche Skandale, am Ende bezeichnete ihn Parteichefin Britta Altenkamp öffentlich als "falsche Person" und versuchte einen anderen SPD-Spitzenkandidaten durchzusetzen - doch Justizminister Kutschaty blieb lieber im Kabinett und eine von extern angefragte Kandidatin ging in der parteiinternen Vorwahl mangels Erfahrung unter.

Die schwarz-grüne Strategie hat dabei auch mit Inhalten zu tun. SPD-Mann Pass betonte traditionell die Nähe zur Großindustrie und verteidigte auch die Anteile am Stromkonzern RWE, Kufen will dagegen viel stärker darauf setzen, dass Essen eine wichtige Dienstleistungsmetropole geworden ist und auch den öffentlichen Nahverkehr stärken. Standortförderung und Wirtschaftsförderung sollten Chefsache werden, die Stadt solle sich nicht nur als Energiehauptstadt profilieren sondern auch als Standort für Gesundheitsdienstleistungen speziell für Patienten aus Nahost oder Osteuropa. "Keine Branche hat mehr Mitarbeiter in der Stadt als das Gesundheitswesen", sagt Kufen, "dieses Pfund müssen wir mehr nutzen."

(kowa)
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