Wiederbelebungsversuch in NRW FDP bejubelt Lindners Comeback

Düsseldorf · Bei der NRW-FDP ist die Neuwahl-Depression verflogen. Die Rückkehr des beliebten Jungstars Christian Lindner gibt vielen Liberalen die Hoffnung auf das politische Überleben der FDP zurück. Wie kam es zur Rückkehr des Ex-Generalsekretärs an den Rhein? Der Versuch einer Antwort.

FDP-Chef Porträt: Das ist Christian Lindner
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Christian Lindner – der Überflieger

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Foto: dpa/Focke Strangmann

Das Grand City Hotel in Mettmann, gestern Abend, kurz vor 20 Uhr. "Herzlich willkommen", steht auf einem Plakat am Eingang, das den FDP-Spitzenkandidaten Christian Lindner zeigt. Beim Bezirksparteitag der Düsseldorfer Liberalen warten die Delegierten auf den ersten öffentlichen Auftritt ihres neuen Hoffnungsträgers. Als er den Saal betritt, brandet tosender Beifall auf. "Mit ihm haben wir die Chance, wieder in den Landtag einzuziehen", sagt Jörg Schleifer aus Meerbusch, der seit 32 Jahren für die FDP Politik macht. "Ich freue mich, dass so ein Sympathieträger für uns ins Rennen geht."

Lindners Comeback liegt erst knapp 22 Stunden zurück. Rückblende: Donnerstagabend, 20.45 Uhr im NH-Hotel Düsseldorf. Die Mitglieder des FDP-Landesvorstands warten schon eine Dreiviertelstunde darauf, dass die Sitzung beginnt. Doch das Sechs-Augen-Gespräch, zu dem sich Parteichef Daniel Bahr und der Fraktionsvorsitzende Gerhard Papke mit Lindner in den "Raum Lissabon" zurückgezogen haben, dauert noch an. Gerade will Vize-Chefin Angela Freimuth ohne das Trio anfangen, als die drei den Raum betreten. Die Spannung ist enorm.

Die Rettung der Partei

Daniel Bahr ergreift das Wort und holt zunächst weit aus. Er spricht von der schwierigen Ausgangslage für die Liberalen bei der Landtagswahl. Nun dürfe es keine Egoismen geben, alle Kraft müsse in die Rettung der Partei investiert werden. Endlich verkündet er, man sei übereingekommen, dass Christian Lindner als Frontmann der FDP in den Wahlkampf ziehen werde. Außerdem werde er auch gleich den Parteivorsitz mit übernehmen.

Viele Spitzenliberale sind völlig überrascht. Diese Wendung hatte kaum jemand für möglich gehalten. Wer hätte gedacht, dass Bahr sich zieren würde, selbst als Nummer Eins in den Wahlkampf zu ziehen? Dass Lindner nun einspringt, kommt für die meisten einem kleinen Wunder gleich. Viele hatten das Comeback erhofft, aber nicht für realistisch gehalten. Teilnehmer schicken Jubel-SMS aus dem Saal. "Jaaa! Attacke!", steht darin. Die Niedergeschlagenheit, die manchen nach der Neuwahlentscheidung ergriffen hatte, ist verflogen.

"Ich ziehe meinen Hut vor Bahr", sagt Dietmar Brockes, Bezirksvorsitzender der Liberalen am Niederrhein. Bahrs Verzicht sei nicht selbstverständlich und schaffe nun eine optimale Ausgangsposition. Niemand könne Lindner vorwerfen, einen Rückfahrschein nach Berlin in der Tasche zu haben. Selbst wenn die FDP den Einzug in den Landtag verpasse, werde man ihm sein Verhalten stets hoch anrechnen.

Nach Parteichef Philipp Rösler, der zu der Sitzung aus Berlin angereist ist, spricht dann Linder selbst zu der Versammlung. Er erinnert an die "tolle Zeit", die er als Abgeordneter von 2000 bis 2009 in Düsseldorf erlebt habe. Dann richtet er den Blick nach vorne. Wo können die Liberalen Rot-Grün stellen? Glaubwürdigkeit sei ein zentrales Thema, erklärt Lindner. Die FDP habe durch die Ablehnung des Etats der Landesregierung bewiesen, dass sie prinzipientreu sei. Die Mitglieder der Landtagsfraktion erheben sich und spenden Applaus.

Hilferuf per Telefon

Das Polit-Talent Lindner ist wieder in seinem Element. Nach seinem Rückzug als Generalsekretär der FDP in Berlin war es etwas ruhiger um den Vordenker geworden. Erst vor Kurzem meldete er sich mit dem Anspruch zurück, Chef des mitgliederstarken Bezirks Köln zu werden. "Ich hatte große Zweifel, ob er den Weg zurück in die Provinz wagen würde", sagt ein Vorstandsmitglied. Schließlich habe Lindner noch viele Optionen in der Bundespolitik gehabt. Der 33-Jährige zeigte sich in langen Telefonaten mit seinen Vertrauten hin- und hergerissen. Viele Anrufer ermutigten ihn zur Kandidatur. "Du bist einer von uns. Nur Du kannst das schaffen", lautete ein Hilferuf.

Schließlich gab sich Lindner einen Ruck. Zu sehr fühlte er sich der Partei in NRW verpflichtet. Er hat Licht und Schatten in der Politik intensiv mit seinen Weggefährten in der Fraktion erlebt. Das Comeback von Jürgen Möllemann, dem die FDP im Jahr 2000 die Rückkehr ins Parlament verdankte. Damals zog Lindner mit 21 Jahren als jüngster Abgeordneter der Liberalen in den Landtag ein. Schließlich die Affären Möllemanns und dessen Sprung in den Tod. Zwei Jahre später, im Jahr 2005, gelang die Ablösung von Rot-Grün an der Seite der CDU. Lindner stieg zum Generalsekretär der NRW-FDP auf. Als er 2009 in den Bundestag wechselte, hinterließ er eine große Lücke. Fraktionschef Papke gab ihm mit auf dem Weg: "Du kannst jederzeit nach NRW zurückkehren."

Der Kapitän ist zurück

Nun ist der Wermelskirchener als Kapitän wieder da. "Ich melde mich zurück auf der Brücke", ruft er den Delegierten in Mettmann gestern Abend zu. Lindner greift wieder an. Der Motorsportfan (Ex-Porschefahrer mit Rennfahrerlizenz) hat nun knapp zwei Monate Zeit, um die FDP-Titanic vor dem Untergang zu bewahren. Manche glauben, dass der Spitzenkandidat das Wunder vollbringen kann. Im Jahr 2000, so erinnert man sich in Mettmann, habe die FDP vor der Wahl auch in den Umfragen bei drei Prozent gedümpelt. "Am Ende waren es über neun Prozent", sagt ein Delegierter. Die Liberalen sind wieder selbstbewusst.

Lindner prangert die Finanzpolitik der rot-grünen Minderheitsregierung an. "Es gibt keine guten Schulden", erklärt der ehemalige Generalsekretär. SPD und Grüne seien die "letzten Griechen Europas". Diese Politik habe die FDP nicht mittragen können. "Ich bin stolz, dass die Landtagsfraktion den Rücken gerade gemacht hat", sagt der Mann mit dem Dreitagebart unter großem Beifall.

Dann nimmt er NRW-Grünen-Chefin Monika Düker ins Visier. Die habe sich in Interviews kritisch über seine Kandidatur geäußert. "Die Grünen scheinen uns wieder zu fürchten", erklärt Lindner gut gelaunt. Er freue sich auf die Auseinandersetzung mit allen Grünen. "Auch mit Norbert Röttgen", fügt er hinzu. Der Saal lacht begeistert. Lindner spannt einen breiten Bogen seiner Wahlkampfthemen. Es geht um Industriepolitik, das Bildungswesen und den Ladenschluss. Rot-Grün wolle stolze Bürger zu "Staatsinsassen" machen. Die FDP lasse "die Bürger in Ruhe, aber nicht im Stich".

(RP/jre)
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