Ex-Unions-Spitze Friedrich Merz soll Brexit-Berater für NRW werden

Düsseldorf · Friedrich Merz übernimmt Aufgaben für die NRW-Landesregierung: Der frühere Fraktionschef der Union im Bundestag wird Brexit-Beauftragter. Unumstritten ist das nicht: Die Wirtschaft lobt seine Expertise, die Opposition sieht in ihm einen Lobbyisten für Steuer-Tricks.

 "Ich werde ehrenamtlich für die Landesregierung arbeiten": Friedrich Merz. (Archiv)

"Ich werde ehrenamtlich für die Landesregierung arbeiten": Friedrich Merz. (Archiv)

Foto: dpa, bom mac cul

Die Meldung, dass Friedrich Merz neuer Brexit-Beauftragter der NRW-Landesregierung werden soll, verbreitete sich gestern wie ein Lauffeuer in der Union. Kaum einen Ex-Protagonisten aus den eigenen Reihen vermisst die Parteibasis so sehr wie den konservativen Sauerländer, der seine Bierdeckel-Steuerreform nicht durchsetzen konnte und sich ab 2004 schmollend in Trippelschritten fast ganz aus der Partei zurückzog.

Merz bestätigte den Bericht der "Bild": "Das mache ich ausschließlich im Rahmen meiner beruflichen Tätigkeiten", sagte er zu seiner neuen Aufgabe, "ich werde ehrenamtlich für die Landesregierung arbeiten und verstehe mich als Beauftragter nicht nur für den Brexit und Großbritannien, sondern auch für die Beziehungen zu Nordamerika." Dort sehe er Potenzial, auch beim wirtschaftlichen Austausch mit Kanada. Er freue sich, der Landesregierung helfen zu dürfen. Aber Merz betont: "Ein politisches Comeback ist damit nicht verbunden."

So schmerzhaft diese klare Absage an die Rückkehr in den politischen Alltag für die bürgerlich-konservativen Merz-Fans in der Union auch ist: Sie deckt sich mit der Einschätzung zahlreicher CDU-Insider. Merz ist 61 Jahre alt und inzwischen unter anderem Aufsichtsratschef des deutschen Ablegers des weltweit größten Vermögensverwalters Blackrock. Er war Partner der internationalen Rechtsanwaltskanzlei Mayer Brown und hat sich als Multi-Aufsichtsrat unter anderem beim Versicherungskonzern Axa, der Bank HSBC Trinkaus und der Deutschen Börse einen Namen gemacht. Finanzielle Anreize kann die Politik ihm kaum noch bieten.

Politische Karrieremotive hat der 1,98-Meter-Mann wohl auch keine mehr. Obwohl die Parteibasis Merz bei seinen selten gewordenen Reden auf Parteiveranstaltungen noch immer umjubelt. Aber innerlich scheint er mit seinem Dasein als Spitzenpolitiker schon abgeschlossen zu haben, als er 2002 den entscheidenden Machtkampf gegen die spätere Kanzlerin Angela Merkel verlor: Damals verdrängte sie den fulminanten Redner, Wirtschafts- und Finanzexperten von der Fraktionsspitze. Danach zog Merz sich auch von allen anderen Spitzenämtern in der Union zurück. Bemerkenswerterweise stand er in der Öffentlichkeit jedoch auch danach stets loyal hinter Merkel.

Auch wenn Merz seine neue Funktion als Brexit-Berater des NRW-Minsterpräsidenten nur ehrenamtlich wahrnimmt: Wenig Arbeit wird er damit nicht haben. Großbritannien ist nach den Niederlanden, China und Frankreich der viertwichtigste Außenhandelspartner Nordrhein-Westfalens - Waren und Dienstleistungen im Wert von gut 20 Milliarden Euro wechseln jährlich über den Ärmelkanal. Fast alle großen NRW-Firmen haben bedeutende Niederlassungen in England, umgekehrt prägen britische Unternehmen wie Vodafone, BP und der Naturkosmetik-Spezialist die NRW-Wirtschaft. 26.700 Briten leben in NRW.

"Das ist nur zu begrüßen"

Andreas Schmitz, Präsident der IHK Düsseldorf, verdeutlicht die Brisanz des EU-Austritts der Briten für NRW: "Wir fürchten, dass es angesichts fehlender Verhandlungsfortschritte zwischen EU-Kommission und britischer Regierung zu einem harten Brexit kommen wird. Ab 1. April 2019 wären dann für jedes Export- und Importgeschäft Zollerklärungen abzugeben." Die Wirtschaft brauche dringend Klarheit: "Wenn dies auch von einer so anerkannten Persönlichkeit mit analytischem Sachverstand wie Herrn Merz formuliert wird, ist das nur zu begrüßen", so Schmitz. Ähnlich äußerte sich Luitwin Mallmann, Hauptgeschäftsführer von Unternehmer NRW. Merz sei in den USA und in Großbritannien eine "hochgeschätzte Persönlichkeit".

Die Opposition im Landtag ist kritisch. Grünen-Fraktionschefin Monika Düker sagte: "Blackrock, in dessen Diensten Merz steht, vertritt genau die fragwürdigen Steuervermeidungsgeschäfte, die gerade durch die "Paradise Papers" publik wurden und dem Gemeinwohl Hunderte Milliarden Euro entziehen." In den Brexit-Verhandlungen werde es auch um britische Steueroasen gehen. Der SPD-Landtagsabgeordnete Thomas Kutschaty fragte, wozu NRW einen Wirtschaftsminister habe, wenn Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) das Thema Brexit lieber an einen Lobbyisten delegiere. In Regierungskreisen heißt es, Laschet habe Merz vor einem dreiviertel Jahr gefragt, ob er eine Art Beauftragter im Wahlkampf werden könne. Das habe Merz unter Verweis auf seine berufliche Unabhängigkeit abgelehnt. Als Laschet nun erneut fragte, stimmte Merz zu. Er soll eine kleine Stabsstelle in der Staatskanzlei bekommen.

(RP)
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