Geburtshilfe Immer mehr Kreißsäle in NRW schließen

Düsseldorf · Im Bergischen Land schlossen innerhalb eines Jahres gleich drei Geburtskliniken. Wirtschaftliche Gründe sind oft die Ursache: Geburten kosten viel Personal, bringen aber wenig Geld ein.

 In NRW müssen immer mehr Geburtskliniken schließen.

In NRW müssen immer mehr Geburtskliniken schließen.

Foto: Arne Dedert

Allein im Bergischen Land haben im Laufe eines Jahres drei Kreißsäle geschlossen: In Wuppertal gab die Geburtsklinik des St.-Anna-Krankenhauses auf, das Krankenhaus Wermelskirchen folgte im März 2016. In Solingen hat die St.-Lukas-Klinik im Juni beschlossen, dass dort keine Entbindungen mehr stattfinden sollen. Frauen, die früher in dieser Klinik ihre Kinder auf die Welt gebracht hätten, orientieren sich nun in den benachbarten Kreis Mettmann zum St.-Josefs-Krankenhaus.

Eine Karte der Elterninitiative für sichere Geburtshilfe "Akte NRW" zeigt, dass das Bergische Land kein Einzelfall ist. 1991 gab es nach Angaben des Verbands noch 1186 Geburtskliniken, also Krankenhäuser, in denen Geburten stattfanden. 2014 noch 725.

Zahlen des statistischen Landesamts belegen: Die Zahl der Geburtskliniken in NRW geht ebenfalls kontinuierlich zurück. Lag sie 2011 noch bei 190, gab 2015 nur noch 172. Und auch 2016 werden die Zahlen weiter sinken — nicht nur im Bergischen Land.

Auch in Meschede steht die Geburtsstation des St.-Walburga-Krankenhauses vor dem Aus. 2015 gab es dort nur 500 Geburten, berichtet die WAZ. Erst ab 1000 Geburten sei eine Geburtsstation wirtschaftlich zu betreiben, heißt es nach dem Bericht in einer Erklärung der Krankenhausleitung. Auch in Gladbeck will das St.-Barbara-Hospital Ende 2017 schließen.

In Nordrhein-Westfalen regelt der Krankenhausbedarfsplan die Versorgung mit Geburtshilfe. Das Landesgesundheitsministerium sieht derzeit keinen Versorgungsengpass in der Frauenheilkunde und Geburtshilfe, teilt das Ministerium auf Anfrage unserer Redaktion mit. Der "Runde Tisch Geburtshilfe", an dem Ärzte, Hebammen, Politiker und Krankenhausbetreiber sitzen, empfielt in seinem Bericht, dass eine Klinik innerhalb von 20 bis 45 Minuten zu erreichen sein sollte.

Das wird jedoch in einigen Regionen schwierig, weiß Barbara Blomeier vom Hebammenverband NRW. "In ländlichen Regionen wie Ostwestfalen, dem Sauerland oder der Eifel liegt die nächste Geburtsklinik oft 45 Minuten entfernt."

Die Gründe für den kontinuierlichen Rückgang liegen vor allem darin, dass Krankenhäuser zunehmend als Wirtschaftsbetriebe geführt werden und kostendeckend arbeiten müssen. "Mit natürlichen Geburten lässt sich aber keine goldene Nase verdienen", sagt Blomeier. Für eine klassische Geburt mit angestellten Hebammen können Kliniken 1805,03 Euro bei der Krankenkasse abrechnen. Dieser Betrag kann sich nach Angaben des Hebammenverbands auf bis zu 4206,24 Euro erhöhen, wenn ein medizinischer Eingriff nötig wird.

Kliniken haben aber sehr hohe Personalkosten und müssen Räume und Geräte für eine gute Versorgung vorhalten. "Die Leistungserbringung ist in der Geburtshilfe nicht planbar", teilt das Gesundheitsministerium mit. 24 Stunden, sieben Tage die Woche muss alles für eine gute Versorgung bereit sein, ohne dass klar ist, wann die schwangeren Mütter zur Geburt kommen. Das lohnt sich oft nur noch für Krankenhäuser mit sehr hoher Geburtsrate wie etwa das Florence-Nightingale-Krankenhaus der Diakonie in Düsseldorf-Kaiserswerth. Dort kommen im Jahr mehr als 2000 Kinder auf die Welt. Kleinere Krankenhäuser, die nur 300 bis 400 Geburten haben, müssen ihre Kreißsäle öfter schließen.

Ein weiteres Problem ist die Personalsituation. "Geburtshilfe ist ein harter Beruf", sagt Björn Lampe von der Niederrheinisch-Westfälischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. Er beobachtet, dass es oft zu wenig Hebammen und Ärzte gibt, die in der Geburtshilfe arbeiten wollen.

Das bestätigt auch Barbara Blomeier vom Hebammenverband NRW. "Viele angestellte Hebammen klagen über Überstunden, Unterbezahlung und Überlastung." Das gehe sogar so weit, dass Stellen, die ausgeschrieben sind, nicht besetzt werden könnten.

In einer Umfrage des Deutschen Hebammenverbands aus dem Herbst 2015 haben 89 Prozent der befragten angestellten Hebammen in Kliniken angegeben, Überstunden leisten zu müssen, rund ein Fünftel von ihnen muss sogar 20 Stunden mehr arbeiten in der Woche. Die Ursache: Häufig müssen Hebammen bis zu drei Frauen gleichzeitig bei der Geburt helfen. Deswegen wünscht sich der Hebammenverband, eine 1:1-Betreuung für Schwangere und eine faire Bezahlung, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern.

Im Bethesda Mönchengladbach gibt es einen Hebammenkreißsaal

Das Evangelische Krankenhaus Bethesda in Mönchengladbach macht vor, dass es auch für kleinere Geburtskliniken möglich ist, kostendeckend zu arbeiten. 2016 werden dort ungefähr 420 Geburten stattfinden, sagt Darius Salehin, Chefarzt der Gynäkologie und Geburtshilfe. Im Das Bethesda-Krankenhaus arbeitet mit sogenannten Beleghebammen. Diese freiberuflichen Hebammen lernen die werdenden Mütter schon in der Schwangerschaft kennen, bringen sie dann zur Geburt in den Kreißsaal und betreuen sie auch im Wochenbett. Derzeit arbeitet das Krankenhaus mit zwölf freiberuflichen Hebammen zusammen. Sie rechnen die Geburt direkt mit der Krankenkasse ab und bekommen kein Gehalt vom Krankenhaus, die Klinik beteiligt sich aber an den hohen Kosten für die Haftpflichtversicherung.

Weniger Personalkosten durch freiberufliche Hebammen

"Wir haben deutlich weniger Personalkosten", sagt der Chefarzt. "Wenn eine Schwangerschaft normal verläuft und es keine Anzeichen für eine komplizierte Geburt gibt, können Frauen ohne Risiko auch in einer Klinik ohne Kinderklinik ihre Kinder zur Welt bringen." Der Chefarzt beobachtet, dass immer mehr Eltern in Krankenhäusern mit angeschlossener Kinderklinik, sogenannten Perinatalzentren, ihre Kinder auf die Welt bringen wollen. "Wir richten unser Angebot an eine andere Klientel. Wir bieten die natürliche Geburt im Krankenhaus an."

Die Frauen profitieren von der engen Betreuung durch die Hebamme, die Hebammen können ihren Beruf so ausüben, wie er ihnen am liebsten ist, und das Krankenhaus macht keine Verluste mit einer kleinen Geburtshilfe. Im Bethesda funktioniert dieses Modell gut, die Geburtenzahlen steigen jedenfalls jährlich um etwa zehn Prozent.

(heif)
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