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Die NRW-Wahl und das Thema Innere Sicherheit Gewerkschaft will 1700 zusätzliche Polizisten

Düsseldorf · Die Polizeigewerkschaft ist genauso alarmiert wie viele Bürger, die sich etwa wegen der zunehmenden Zahl von Wohnungseinbrüchen Sorgen machen. Ex-Innenminister Burkhard Hirsch (FDP) warnt vor einer Überbewertung der Vorratsdatenspeicherung: Sie bringe nicht mehr Sicherheit.

Vorratsdatenspeicherung: Fragen und Antworten
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Fragen und Antworten zur Vorratsdatenspeicherung

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Foto: dapd, Thomas Kienzle

Vorweg Stimmen aus der NRW-Landeshauptstadt zur Inneren Sicherheit: "Es gibt immer mehr Einbrüche, dagegen sollte die Polizei etwas tun, zum Beispiel nachts öfter auf Streife gehen." — "Allein gehe ich abends nicht raus, man weiß nie, was passiert." — "Mehr Polizisten würden Düsseldorf bestimmt nicht schaden." — "Vor allem in den Parks sind zu wenig Polizisten unterwegs." — "Die Polizei unternimmt nicht genug, etwa bei Schlägereien."

Bei der Gewerkschaft der Polizei (GdP) schüttelt man den Kopf, aber weniger über Aussagen wie die eingangs zitierten, vielmehr darüber, wie das Thema Innere Sicherheit auch in diesem kurzen NRW-Wahlkampf politisch an den Rand gedrängt wird. Der Sprecher der GdP in NRW, Stephan Hegger, fasst die Irritation zusammen: "Schon im Landtagswahlkampf 2009 hat Innere Sicherheit fast keine Rolle gespielt, auch diesmal ist sie wieder nur ein Randthema."

Dabei gehört die Gewährleistung von Innerer Sicherheit zu den politischen Kernaufgaben des Staates im Allgemeinen und der Bundesländer im Besonderen. Der GdP-Repräsentant erinnert mit einem Schuss Wehmut daran, dass NRW einst für andere Bundesländer Vorbildfunktion gehabt habe, etwa was die Bekämpfung des Organisierten Verbrechens betraf: "Viele kamen zu uns nach NRW, um von unseren Erfahrungen und Methoden zu lernen." "Jetzt", so bilanziert Hegger, "ist Nordrhein-Westfalen bei der Inneren Sicherheit zurückgefallen, wir müssen das bevölkerungsreichste Bundesland wieder nach vorne bringen."

Lob für Kraft und Rüttgers

Rückblende: Ein SPD-Bundesparteitag, am Rednerpult stand Bundesinnenminister Otto Schily (1998—2005). Der im linksliberalen Milieu als "roter Sheriff" schlecht Beleumundete sagte einen Satz, bei dem es nicht wenigen Delegierten die Sprache verschlagen haben dürfte: "Law and Order, Recht und Ordnung, das sind sozialdemokratische Werte, liebe Genossinnen und Genossen."

Was Schily, immer wieder Wilhelm von Humboldts Verweis auf das Zwillingspaar Freiheit und Sicherheit zitierend, mit seinem Satz ausdrücken wollte, dürfte Bürgern, bei denen eingebrochen wurde, die abends an der Haltestelle angepöbelt oder in der U-Bahn belästigt oder bestohlen wurden, schnell einleuchten: dass Freiheit der Sicherheit bedarf, dass derjenige unfrei ist, der sich nicht sicher fühlt vor Rechtsbrechern.

Wir wissen nicht, wie die Sozialdemokratin Hannelore Kraft damals auf den Genossen "Sheriff" reagiert hat. Aber für die GdP jedenfalls ist klar, dass die Ministerpräsidentin mittlerweile die hohe Bedeutung der Inneren Sicherheit für die Bürger begriffen hat. Nur wünschen sich die Praktiker der Polizei mehr "Butter bei die Fische", sprich jährlich 1700 Neueinstellungen. Nur so sei zu gewährleisten, dass keine Wachen geschlossen werden müssen.

Die Polizeigewerkschaft lobt in dem Zusammenhang die Anstrengungen sowohl der SPD-geführten Regierung Kraft als auch die der CDU-geführten Vorgänger-Regierung Rüttgers. Aber bei Äußerungen des grünen Teils von Rot-Grün, genauer: des Grünen-Fraktionsvorsitzenden im Landtag, Reiner Priggen, stehen den Praktikern der Inneren Sicherheit die Haare zu Berge: Der Spitzen-Grüne rede "dummes Zeug" und kenne die Zahlen nicht, wenn er glauben mache, man könne 2000 Stellen bei der Polizeiverwaltung sparen.

Streitthema Vorratsdatenspeicherung

Die Bürger des Landes, in dem die Zahl der Wohnungseinbrüche so dramatisch steigt wie die Aufklärungsquote dieses Delikttyps gesunken ist (sie liegt unterhalb der 15-Prozent-Marke), schätzen solchen Zwist nicht. In Duisburg stieg 2011 die Zahl der Einbrüche gegenüber 2010 um 20 Prozent (in ganz NRW: 8,9 Prozent oder rund 45 000 Straftaten dieser Art). Die GdP: "Es kann nicht sein, dass die gemeldeten Einbruchs-Fälle nicht selten aufgrund der Überlastung der Polizei bloß verwaltet werden."

Auch das hauptsächlich Schwarz und Gelb spaltende, politisch umstrittene Thema Vorratsdatenspeicherung zwecks besserer Strafverfolgung lässt viele Bürger ungehalten fragen: Geschieht etwas, und wann geschieht endlich etwas? Während der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, Oberstaatsanwalt Christoph Frank, betont, dass die Vorratsdatenspeicherung zur effektiven Strafverfolgung dringend geboten sei, winkt ein angesehener Liberaler wie der frühere NRW-Innenminister Burkhard Hirsch ab.

Hirsch ärgert sich über Behauptungen etwa von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), wonach die FDP-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger eine Reform für mehr Innere Sicherheit blockiere und obendrein das europäische Recht missachte. Laut Hirsch ist es falsch, zu behaupten, das Fehlen der Vorratsdatenspeicherung bewirke eine Sicherheitslücke. Richtig sei, dass kein europäisches Land bei den einschlägigen Delikten eine höhere Aufklärungsquote habe als Deutschland.

Auch sei in keinem EU-Land mit Vorratsdatenspeicherung die Aufklärungsquote gestiegen und die Kriminalität geringer geworden. Im Übrigen, so der ehemalige NRW-Innenminister (und Bundestags-Vizepräsident), fordere das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber auf, bei einer eventuellen Neuregelung der Datenspeicherung "außerordentlich restriktive Vorkehrungen" zu treffen. Schließlich, so Hirsch, handele es sich um einen tiefen Eingriff in die Grundrechte aller Bürger.

Der CSU-Rechtsexperte im Bundestag, Stephan Mayer, wiederum versteht diese Position nicht. Es sei absurd, das Schreckgespenst des Überwachungsstaates an die Wand zu malen. Es sei ferner verantwortungslos, den Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden das wichtige Instrument der Vorratsdatenspeicherung vorzuenthalten.

(RP/das)
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