Neuwahl in NRW Hannelore Kraft - die SPD-Regentin

Düsseldorf · Ministerpräsidentin Hannelore Kraft wird im Wahlkampf auf ihre umstrittenen "Tatkraft-Touren" verzichten und ihrem Herausforderer Norbert Röttgen vor allem eines entgegenhalten: "Ich bleibe hier in Nordrhein-Westfalen."

Hannelore Kraft - die alte und neue Ministerpräsidentin von NRW
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Johannes Rau, langjähriger NRW-Regierungschef (1978-1998), pflegte allzu wissbegierige Journalisten mit einem Bibelzitat abzuwimmeln. So beantwortete er einmal die Frage nach einer Kabinettsumbildung mit dem Hinweis auf Jakobus, Kapitel vier: "So der Herr will und wir leben, wollen wir dies oder das tun." Gern bediente sich der Prediger-Sohn auch der auf den Tag gemünzten Bibelverse der Herrnhuter Losung.

Genau das macht jetzt auch Hannelore Kraft, die erste Ministerpräsidentin Nordrhein-Westfalens. Als sie in dieser Woche Journalisten zu politischen Gesprächen zu Gast hatte, wartete die 50-jährige Mülheimerin, strahlend lächelnd, mit einem Spruch der Herrnhuter Losung auf: "Der Herr wird seinem Volk Kraft geben."

Kampf um stabiles Fundament

Doch auf diese Zuversicht allein wollen Kraft und ihre Mitstreiter nicht bauen. Sie werden vielmehr in den kommenden Wochen alles tun, damit Rot-Grün am Wahlabend des 13. Mai die Mehrheit hat und auf stabilem Fundament weiterregieren kann.

Im Wahlkampf wird die SPD ihre Plakate und Werbespots ganz auf ihre Spitzenkandidatin zuschneiden. "Sie ist authentisch. Sie ist unbestritten die Nummer eins. Sie ist unser Zugpferd", sagt SPD-Fraktionschef Norbert Römer, der gleich noch ankündigt, dass die SPD auf die im Sommer turnusmäßig fällige Anpassung der Diäten verzichten will.

Das ist gewiss kein Zufall, denn mit dem Thema Geld hatte die Opposition Hannelore Kraft arg in Bedrängnis gebracht. CDU und Linkspartei warfen ihr vor, mit ihren "Tatkraft-Touren" Steuergeld für parteipolitische Zwecke zu missbrauchen. Rund 20 000 Euro kostete ein solches Beisammensein bei Bier und Brezeln, zu der Kraft im vergangenen Jahr siebenmal eingeladen hat. Von Parteiveranstaltung, so die Regierungschefin, könne keine Rede sein, da die Gästelisten stets gut gemischt gewesen seien. Im Übrigen nehme sie dabei das Wort SPD kaum in den Mund.

Dennoch wollte ihr die CDU mit einem gezielten Sperrvermerk im Haushalt in diesem Jahr Ausgaben für "Tatkraft-Touren" untersagen. Doch das Vorhaben misslang, weil die FDP der Regierung Kraft noch eine Chance zur Nachbesserung einräumen wollte und sich im Haushaltsausschuss der Stimme enthielt. Dies wurde als Zeichen dafür gewertet, dass die FDP Rot-Grün beim Haushalt 2012 zur Mehrheit verhelfen wollte, um Neuwahlen zu vermeiden.

Doch solche Überlegungen sind mit der Selbstauflösung des Landtags hinfällig geworden. Auf "Tatkraft-Touren" will die Ministerpräsidentin im Wahlkampf gleichwohl verzichten — wohl in der Absicht, nicht unnötig anzuecken.

Förderung Jugendlicher im Fokus

Bei allen Auftritten wird Hannelore Kraft ihre Politik der "sozialen Prävention" verteidigen. Dahinter steckt die Annahme, dass Ausgaben für die Betreuung und Förderung von Kindern und Jugendlichen persönliche Fehlentwicklungen verhindern können und dem Staat damit später erhebliche "Reparaturkosten" ersparen. Auf ihrer Reise nach Kanada im vergangenen Jahr hat sich Kraft bei Besuchen in sozialen Einrichtungen immer wieder in ihrer Forderung bestärkt gefühlt, dass "kein Kind zurückgelassen" werden dürfe.

Sie muss sich aber vorhalten lassen, dass Förderprogramme für Kinder und Jugendliche nicht erst eine Erfindung der rot-grünen Landesregierung sind, sondern dass es längst ein breites Hilfsangebot gibt. Außerdem seien die finanziellen Einsparungen, die sich Kraft mittel- bis langfristig erhofft, überhaupt nicht messbar, wenden Kritiker ein.

Der Regierungschefin wird auch angelastet, trotz der enormen Staatsverschuldung kostspielige Wahlversprechen von 2010 umgesetzt zu haben. An erster Stelle steht die Beitragsfreiheit der Eltern für das letzte Kita-Jahr. Hiervon profitierten auch jene Eltern, die dies finanziell gar nicht nötig hätten, wird eingewandt. Kritisiert wird auch die Abschaffung der Studiengebühren, für die die Hochschulen eine nur unzureichende Kompensation aus der Landeskasse — also mit Steuergeld — erhielten.

Schon als Kanzlerkandidatin gehandelt

Wer Hannelore Kraft dies vorhält, bekommt zu hören, es sei die feste Überzeugung der Sozialdemokraten, dass Bildung für die Menschen kostenfrei bleiben müsse. Die Besserverdienenden würden ja über die Steuer zur Finanzierung des Bildungswesens herangezogen, wobei der Spitzensteuersatz erhöht werden müsse.

Seit 2007 ist Kraft Vorsitzende der NRW-SPD. Auf dem Bundesparteitag erhielt sie im vorigen Jahr als stellvertretende Bundesvorsitzende ein Traumergebnis von über 97 Prozent. Sogleich wurde sie als Kanzlerkandidatin "gehandelt". Doch solche Spekulation weist Kraft weit von sich: "Ich bleibe in Nordrhein-Westfalen." Hier schlage ihr Herz. Mit diesem Bekenntnis versetzt sie ihrem Herausforderer, CDU-Landeschef Norbert Röttgen, der nicht erklären mag, ob er seine Zukunft auch als Oppositionsführer im Düsseldorfer Landtag sieht, einen Stich.

SPD und Grüne werden im Wahlkampf zwar getrennt schlagen, aber mit dem gemeinsamen Ziel, das Bündnis fortzusetzen. Mit ihrer Stellvertreterin und Duzfreundin, der grünen Schulministerin Sylvia Löhrmann, versteht sich Kraft sichtlich gut. Vorbei die Zeiten, da sich SPD und Grüne in NRW immer wieder öffentlich befehdeten. Beide Frauen haben erkennbar einen neuen Stil in die Regierungszentrale gebracht. Gleichwohl ist längst nicht alles eitel Harmonie: "In der Koalition knirscht es manchmal ganz ordentlich", hat Hannelore Kraft berichtet.

Aus der Haut fahren kann sie auch. Unvergessen, wie sie den früheren CDU-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers nach dessen absonderlicher Rumänen-Schelte ("Sie wissen nicht, was Sie tun") im Landtag zusammenfaltete: "Johannes Rau stand für versöhnen statt spalten. Sie stehen für verhöhnen und spalten. Berufen Sie sich nie wieder auf ihn."

(RP/jre/top)
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