Konferenz für das Ruhrgebiet Hoffen auf den Ruck im Revier

Düsseldorf · Eine Ruhr-Konferenz soll für das strauchelnde Ruhrgebiet die Wende bringen. Wieder einmal. An der Seite von Wirtschaftskapitänen und Wissenschaftlern will die Landesregierung neue Ideen finden. Die Opposition ist skeptisch.

 Feuerwerk vor dem Schacht IV in Moers.

Feuerwerk vor dem Schacht IV in Moers.

Foto: Klaus Dieker

Das Ruhrgebiet hat zwei Klischees geboren, die sich tiefer in das öffentliche Bewusstsein gegraben haben als jeder Zechenschacht. Das erste betrifft seine Menschen. Sie gelten als besonders ehrlich und solidarisch. Was Unsinn ist. Es gibt keinen einzigen Beleg dafür, dass Menschen im Ruhrgebiet weniger lügen als im Rest der Republik.

Sie sind auch nicht besonders solidarisch. Die 53 Kommunen im Revier beäugen sich im Gegenteil mit ausgeprägter Missgunst, wenn es um die Ansiedlung neuer Firmen geht oder um Fördergelder für ihre Kinos und Theater.

Eine regionale Identität über das Ortsschild hinaus, hat es im Revier nie gegeben

Die Gelsenkirchener mögen die Dortmunder nicht. Viele Dortmunder verleugnen ihre Identität als "Ruhris" sogar und möchten zum vornehmeren "Westfalen" gehören. Der Essener Süden will sich lieber heute als morgen vom verarmten Norden trennen, und mit Schmuddel-Städten wie Herne oder Castrop-Rauxel möchte das übrige Ruhrgebiet schon gar nichts zu tun haben.

Eine regionale Identität, die über das eigene Ortsschild hinausweist, hat es im Revier nie gegeben. Alle Versuche, das Kirchturmdenken der Ruhrkommunen zugunsten einer gemeinsamen Plattform für mehr Erfolg zu überwinden, sind weitgehend gescheitert.

Was eine wesentliche Ursache für das zweite Ruhrgebiets-Klischee ist: Das Bild von der Krisenregion, die den Strukturwandel nicht hinbekommen hat. In der das massenhafte Wegbrechen von Arbeitsplätzen erst in der Kohle- und zunehmend auch in der Stahlindustrie die Kaufkraft der Menschen und die Steuereinnahmen der Kommunen in den Keller gedrückt haben. Mit der Folge, dass die ganze Region seit 30 Jahren strauchelt und die Straßen, Schulen und Kindergärten hier noch schlimmer aussehen als im übrigen NRW.

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Dieses Klischee ist nah an der Realität: Anfang 2018 waren die Arbeitslosenquoten im nördlichen Ruhrgebiet fast überall zweistellig. Der NRW-Schnitt liegt bei 7,2 Prozent, der Bundesdurchschnitt bei 5,8 Prozent. "Das Ruhrgebiet ist ein Bremsanker für das ganze Land", fasst das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln die Lage zusammen.

"Eine Vision für das Ruhrgebiet"

Die schwarz-gelbe Landesregierung will das ändern. "Wir werden eine Vision für das Ruhrgebiet entwerfen", versprechen CDU und FDP im Koalitionsvertrag. Am kommenden Mittwoch will Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) vor dem Plenum des Landtages erklären, wie die Vision entstehen soll.

Laschet will eine Ruhrgebietskonferenz einberufen. Einen auf mehrere Jahre angelegten Prozess, bei dem Dutzende Fachleute in unterschiedlichen Foren Lösungen für das Revier erarbeiten sollen. "Ich hoffe auf erste umsetzungsreife Ergebnisse noch in diesem Jahr", so Stephan Holthoff-Pförtner (CDU) im Gespräch mit unserer Redaktion. Der Landesminister für Europa- und Bundesangelegenheiten soll den Prozess koordinieren.

Die Idee einer Ruhr-Konferenz ist nicht neu. Schon der ehemalige NRW-Ministerpräsident Johannes Rau (SPD) hatte 1979 dazu eingeladen. Damals stand am Ende der zweitägigen Tagung ein sieben Milliarden Mark schweres Förderprogramm, dem das Revier viel von seiner heutigen Hochschullandschaft verdankt.

Rund zehn Jahre später bat der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl zu einer "Montan-Konferenz", bei der es um weitere Fördermilliarden ging. Diesmal soll das Geld nicht im Vordergrund stehen. "Die neue Ruhr-Konferenz wird keine Geber- oder Krisenkonferenz. Wir sammeln Ideen und nicht Geld", erklärt Holthoff-Pförtner (CDU). Im Fokus stehe eine neue "Gründerkultur mit guten Ideen".

Die Methode: "Wir gliedern die thematische Arbeit in einzelne Foren, jeweils angeführt von einem Kabinettsmitglied und einem prominenten Vertreter aus Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft. Alle zwölf Landesminister beteiligen sich."

Noch sind die Tandem-Partner für die Landesminister nicht gefunden. Dem Vernehmen nach hofft die Landesregierung auf eine Beteiligung unter anderem von ThyssenKrupp-Chef Heinrich Hiesinger, Eon-Chef Johannes Teyssen und dem Duisburger Automobil-Wissenschaftler Ferdinand Dudenhöffer. Auch mit dem Regionalverband Ruhr (RVR) und dem Initiativkreis Ruhrgebiet ist die Landesregierung im Gespräch.

Holthoff-Pförtner: "Wichtig für die Ruhr-Konferenz ist, dass sie frei von politischen Farben organisiert wird." Das Vorbereitungsteam habe mit rund 40 Kommunalspitzen gesprochen, von denen nur zwei der CDU angehören: Die Oberbürgermeister von Hamm und Essen. "Trotzdem war die Resonanz durchweg wohlwollend", so Holthoff-Pförtner.

Opposition enttäuscht

Auf Landesebene hält sich die Begeisterung der Opposition allerdings in Grenzen. Norbert Römer, Fraktionschef der SPD im Landtag, sagte unserer Redaktion: "Was der Ministerpräsident bisher zum Thema Ruhrgebietskonferenz gesagt hat, ist altbacken und ideenlos. Es ist kein Konzept erkennbar, seine Vorstellung von einer Konferenz besteht offenkundig aus einer losen Reihe folgenloser Gesprächsrunden ohne inneren Zusammenhalt."

In der Tat hat die SPD schon im September ein Thesenpapier "Impulse für den Strukturwandel im Ruhrgebiet" vorgelegt, das konkreter ist als alles, was die neue Landesregierung zumindest bis jetzt zum Thema gesagt hat.

Dort schlagen die Sozialdemokraten zum Beispiel einen Altschulden-Tilgungsfonds für notleidende Kommunen vor, eine Umwidmung des ursprünglich für den "Aufbau Ost" gedachten Soli-Zuschlags für alle strukturschwachen Regionen in Deutschland, einen Bundesbeauftragten für Strukturwandel sowie mehr regulatorische Eingriffe, um auch für Geringverdiener das Wohnen im Ruhrgebiet bezahlbar zu halten. "Das sind konkrete Projekte, die das Ruhrgebiet nach vorne bringen", so Römer, "dazu sagt Laschet nichts."

(tor)
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