Sicherheit in Fußballstadien Innenminister Jäger fordert Verbannung von Hooligans

Düsseldorf · Innenminister Ralf Jäger fordert Fans und Vereine auf, Gewalttäter rund um den Fußball zu ächten. Die Polizei könne die Gewalt nicht verhindern.

 NRW-Innenminister Ralf Jäger erntete für seinen Vortrag harsche Kritik der Opposition.

NRW-Innenminister Ralf Jäger erntete für seinen Vortrag harsche Kritik der Opposition.

Foto: dpa, mku fdt

Fußballstadien ohne Stehplätze, ohne Bier, ohne Bratwurst, statt ausgelassener Stimmung martialisch auftretende Polizeiblöcke - vorstellbar in Deutschland? Nicht für Nordrein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD). Um spanische oder englische Verhältnisse in sterilen, überteuerten Stadien zu vermeiden, müssten aber Vereine, Fans und alle Verantwortlichen im deutschen Fußball endlich die Reißleine ziehen und Straftäter im Fan-Trikot ächten.

"Wenn wir diese einmalige Fan-Kultur erhalten wollen, dann ist der Fußball in Deutschland in den nächsten Jahren am Scheideweg und muss sich neu orientieren", mahnt er am Donnerstag im Düsseldorfer Landtag. Nach den Hass-Attacken von BVB-Anhängern auf Leipziger Fans - selbst Frauen und Kinder waren am vorletzten Samstag mit Steinen und Dosen beworfen worden - wird über die fragile Balance zwischen Spaß und Sicherheit in den Stadien verschärft diskutiert.

Opposition macht Jäger verantwortlich

Die CDU brachte das Thema ins Landesparlament. Für sie und die FDP sind die Fußball-Krawalle nur eine weiteres Glied in einer Kette des Versagens von Minister Jäger in der Inneren Sicherheit. Die FDP zählt dazu auch die massiven Ausschreitungen von Hooligans gegen Salafisten 2014 und die Silvesternacht 2015/16 in Köln.

"Immer neue Tabu-Brüche - auch im Fußball - so kann man die Amtszeit des Innenministers zusammenfassen", bilanziert der FDP-Abgeordnete Marc Lürbke. SPD und Grünen weisen die Vorwürfe hingegen als "Skandalisierung" und "Wahlkampf-Inszenierung" zurück.

Für CDU und FDP gehört vor allem Jägers Konzept, sogenannte Nicht-Risikospiele mit reduzierter Polizeistärke zu begleiten, auf den Prüfstand. Statt eine Neubewertung vorzunehmen, verweigere Jäger aber jede Fehleranalyse und Selbstkritik, bemängelt der CDU-Abgeordnete Daniel Sieveke.

Koalition will Konzept nicht ändern

Die Koalitionsfraktionen sehen hingegen keinen Anlass, das "bundesweit beachtete Konzept" zu ändern. "Die Skandalisierung hält der statistischen Überprüfung nicht stand", stellte die Grünen-Abgeordnete Josefine Paul fest. In der Fußballsaison 2015/16 hätten 6,3 Millionen Fans 605 Bundesliga-Spiele besucht, 277 Menschen seien verletzt worden, 28 weniger als in der Vorsaison. Kein Konzept könne Gewaltausbrüche zu 100 Prozent ausschließen.

Bereits am kommenden Samstag steht im Dortmunder Borussen-Stadion die nächste Feuerprobe bevor: Zur Strafe für die Fan-Exzesse gegen Leipzig muss beim Spiel gegen den VfL Wolfsburg die berühmte Südtribüne leer bleiben. Niemand weiß, wie die 25.000 Fans, die sonst "die gelbe Wand" bilden, reagieren. Vorsichtshalber will die Polizei aber mit verstärkten Kräften anrücken.

Aus Jägers Sicht ist das Problem allein mit Polizei aber nicht zu lösen. "25 Prozent der Arbeitszeit unserer 18 Einsatzhundertschaften in Nordrhein-Westfalen müssen für Fußball aufgewendet werden", stellt er fest. "Das ist immer noch zu viel."

Jäger nimmt Vereine in die Pflicht

Jäger fordert von Vereinen und Fans Mitverantwortung ein, damit Fußball ein familienfreundliches Vergnügen bleiben kann. "Das Problem ist aber, dass selbst die vielen friedlichen Ultras niemanden aus den eigenen Reihen verraten würden, auch nicht, wenn derjenige schwerste Straftaten begeht."

Von den Vereinen erwarte er, dass jetzt alles getan werde, um Hooligans aus allen Stadien der 1. Bundesliga endlich auszuschließen. Entsprechende Signale gebe es immerhin. Am Donnerstag teilte die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) mit, dass dem Deutschen Fußball-Bund die Daten von 88 potenziellen Gewalttätern zugänglich gemacht wurden.

Oppositionsführer Armin Laschet bezweifelt, dass auch der Innenminister die notwendigen Konsequenzen ziehen wird. Beweis dafür sei ein vor Beginn der Landtagssitzung verteiltes und von Jäger überwiegend auch abgelesenes Rede-Manuskript. Dort werden die noch nicht gehaltenen Reden der CDU als "Wahlkampf" abgetan. Dies belege: "Ihnen ist eine Gabe abhanden gekommen, die ein guter Politiker braucht: Zuhören." Aus Jägers Sicht keine Blamage: "Das war so vorhersehbar, was Sie vortragen."

(sef/lnw)
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