Nordrhein-Westfalen Jeder fünfte Jugendliche ohne Lehre

Düsseldorf · Die Bemühungen, junge Leute in NRW ohne Warteschleifen in Ausbildungen zu vermitteln, laufen bisher weitgehend ins Leere. Die Landesregierung ist vom Erfolg auf lange Sicht dennoch überzeugt.

 Hannelore Kraft bei einem Rundgang bei der Konferenz zum Landesprogramm "Kein Abschluss ohne Anschluss".

Hannelore Kraft bei einem Rundgang bei der Konferenz zum Landesprogramm "Kein Abschluss ohne Anschluss".

Foto: dpa, wok hjb

Die NRW-Landesregierung ist noch weit von ihrem Ziel entfernt, jedem Jugendlichen nach dem Schulabschluss eine konkrete Berufsperspektive zu vermitteln. "Knapp 20 Prozent aller Jugendlichen in NRW verbleiben dauerhaft ohne Ausbildung", sagte Norbert Wichmann vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) in Düsseldorf. Dieser Anteil sei seit Jahrzehnten recht konstant.

Auch in diesem Jahr zeichnet sich der Agentur für Arbeit zufolge in NRW bisher keine Wende zum Positiven ab: 23.627 Bewerber waren demnach im August, einen Monat vor Ende des Berufsberatungsjahres, noch ohne Lehrstelle. Hinzu kommen weitere 14.831 Jugendliche, die zwar notfalls eine Alternative haben, aber eigentlich eine Lehrstelle suchen. Ihnen standen insgesamt nur 21.749 Stellen gegenüber.

Kraft wertet "Kein Abschluss ohne Anschluss" als Erfolg

Die Zahlen zeigen, dass das 2012 gestartete Vorzeigeprojekt der Landesregierung "Kein Abschluss ohne Anschluss" bisher in der Fläche kaum erfolgreich ist. Zwar haben inzwischen mehr als ein Drittel der Jugendlichen im zehnten Schuljahr eine Potenzialanalyse, verschiedene Praktika und Beratungen in der Schule durchlaufen, wie das Projekt sie vorsieht. Im landesweiten Ausbildungsmarkt schlagen sich diese Bemühungen aber noch nicht nennenswert nieder.

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) wertete "Kein Abschluss ohne Anschluss" dennoch als Erfolg. "Der erhebliche Aufwand ist mehr als gerechtfertigt", sagte Kraft am Donnerstag bei einer Zwischenbilanz. NRW-Arbeitsminister Rainer Schmeltzer (SPD) verwies zur Begründung auf Erfolge in jenen sieben Modellkommunen, die das Projekt vor vier Jahren als erste starteten. Dort gebe es weniger unversorgte Bewerber und unbesetzte Ausbildungsstellen als im Landesdurchschnitt. Allen Beteiligten sei von Anfang an bewusst gewesen, dass es einen langen Atem brauche, um auch flächendeckend Erfolge zu erzielen. Zudem würden erst 2018/19 alle Schüler von dem Programm erreicht.

Finanziert wird "Kein Abschluss ohne Anschluss" aus Mitteln des Landes (15 Millionen Euro), des Bundesbildungsministeriums (18,5 Millionen Euro), der Agentur für Arbeit NRW (13 Millionen Euro) und der Landschaftsverbände (3 Millionen Euro). Zusätzlich kommen neun Millionen Euro vom Europäischen Sozialfonds — insgesamt sind es also mehr als 58 Millionen Euro jährlich, die in das Projekt fließen.

Handwerkskammer: Verhalten bei Jobwahl hat sich verändert

Die Lage am Ausbildungsmarkt in NRW hatte sich laut Agentur für Arbeit im jüngsten abgeschlossenen Ausbildungsjahr gegenüber früheren Jahren deutlich verschlechtert. So lag die Gesamtzahl der Ausbildungsverhältnisse 2014/15 auf dem niedrigsten Stand seit 2006. Auf einen Bewerber entfielen in NRW 0,78 Ausbildungsplatzangebote. Dies ist im Vergleich der Bundesländer laut Arbeitsagentur der zweitschlechteste Wert nach Berlin.

Der DGB in Düsseldorf macht dafür unter anderem die Betriebe verantwortlich, sie böten zu wenige Stellen an. Zugleich müssten sie die Ausbildung attraktiver machen, etwa durch eine höhere Vergütung. Der Düsseldorfer Handwerkskammerpräsident Andreas Ehlert rechnete vor, dass die Ausbildungsvergütungen seit 2014 im Schnitt um 15,7 Prozent gestiegen sind. Es gebe zwar viele unversorgte Bewerber, aber auch viele Betriebe, die ihre Stellen nicht besetzen könnten: "Das Verhalten der jungen Leute bei der Jobwahl hat sich dramatisch verändert." Im Handwerk gebe es rund 130 Ausbildungsberufe, aber die jungen Leute entschieden sich immer nur für die gleichen fünf oder sechs.

(RP)
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