Düsseldorf Linke stimmt NRW-Haushalt zu

Die rot-grüne Minderheitsregierung von Nordrhein-Westfalen hat ihren Nachtragsetat durch den Landtag gebracht. Eine Abstimmungspanne bei den Linken verhalf ihr überraschend zur absoluten Mehrheit.

Düsseldorf: Linke stimmt NRW-Haushalt zu
Foto: dapd, dapd

Gunhild Böth, die Landtagsvizepräsidentin der Linken, war überrascht. Als sie um 14.12 Uhr die Abstimmung über den Nachtragshaushalt der rot-grünen Minderheitsregierung zur Abstimmung aufrief, stimmten nicht nur SPD und Grüne mit "Ja" — auch sechs der elf Linken-Politiker signalisierten per Handzeichen ihre Zustimmung. "Ein Regiefehler", sagte Linken-Fraktionschef Wolfgang Zimmermann zu der Abstimmungspanne. Eigentlich war Enthaltung geplant, wie es der Parteirat beschlossen hatte. Doch angeblich hatte man im lauten Plenarsaal nicht richtig verstanden, worüber abgestimmt wurde. Zu den Linken, die mit "Ja" stimmten, gehörten Zimmermann und Fraktionschefin Bärbel Beuermann. Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) amüsierte sich über die Panne: Unerwartet bekam der Nachtragsetat die absolute Mehrheit.

SPD, Grüne und Linke beschlossen eine Rekordneuverschuldung von 8,4 Milliarden Euro. CDU und FDP kündigten an, gegen den Etat eine Verfassungsklage einzureichen und per einstweiliger Verfügung den Vollzug des Nachtrags-Etats zu stoppen. Die von Hannelore Kraft (SPD) geführte Regierung verstoße "eiskalt" gegen die Verfassung, sagte FDP-Fraktionschef Gerhard Papke. Dies sei eine "Schande für die demokratische Kultur", wetterte auch CDU-Fraktionschef Karl-Josef Laumann. Rot-Grün wolle "noch einmal einen ganz dicken Schluck aus der Pulle nehmen". Laumann warf Rot-Grün vor, eng mit der Linkspartei zusammenzuarbeiten.

Die drei Parteien hatten sich auf einen Antrag verständigt, in dem die Einstellung zusätzlicher Betriebsprüfer gefordert wird. "Ihr Spiel ist durchsichtig und brandgefährlich", rief Laumann der Regierungschefin zu. Papke sprach von einer "verheerenden Bilanz" von Rot-Grün. Die Aufstockung der Risikorücklage für die WestLB-Papiere sei in diesem Jahr absolut unnötig. Der Nachtragsetat sei ein "bedrückendes Dokument der Verantwortungslosigkeit".

Sollten die Verfassungsrichter in Münster der Opposition Recht geben, wäre das eine herbe Schlappe für die Minderheitsregierung. Möglicherweise könne dies ein Anlass sein, um Neuwahlen zu beantragen, wird in Düsseldorf spekuliert.

Norbert Römer, Fraktionsvorsitzender der SPD, wies die Vorwürfe der Opposition zurück. Es sei die Regierung Rüttgers gewesen, die in ihrer Buchhaltung "getäuscht und getrickst" habe. Römer: "Wir müssen die schwarzen Löcher stopfen, die Sie uns hinterlassen haben." Es werde Jahre dauern, bis der hinterlassene "Murks" beseitigt sei.

Er mache sich Sorgen um den Zustand der CDU, betonte Römer. Die Union sei führungs- und orientierungslos. Das Land brauche aber eine funktionsfähige Opposition. "Strengen Sie sich an, damit Sie endlich wieder Ordnung in den Laden bekommen", rief Römer.

Gerade die Union, die sich zu ihrer Regierungszeit siebenmal eine Niederlage vor dem Verfassungsgericht eingehandelt habe, solle vorsichtig sein mit dem Ausdruck "verfassungswidrig", empfahl auch der Fraktionschef der Grünen, Reiner Priggen.

Linken-Fraktionschef Zimmermann äußerte Zweifel, dass es sich bei dem Nachtragsetat wirklich nur um eine "Abschlussbilanz" der schwarz-gelben Vorgängerregierung handle. "Aber verfassungswidrig ist das noch lange nicht", erklärte er. Seine Fraktion nehme die Neuverschuldung bewusst in Kauf; dafür trage die "neoliberale Einheitspartei" in Berlin die Verantwortung. Zimmermann kritisierte, SPD und Grüne hätten ihr Wahlversprechen, die Studiengebühren sofort abzuschaffen, gebrochen.

Walter-Borjans rechtfertigte die Neuverschuldung, die den von der Verfassung gesetzten Rahmen überschreitet: "Die Finanzkrise ist noch nicht vorbei, und das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht ist weiterhin gestört", sagte er. Auch die alte Landesregierung habe für das laufende Jahr eine solche Störung angenommen. "Es ist nicht nachvollziehbar, warum sie jetzt in der Opposition davon abrückt."

Wie angekündigt, nahm der frühere Ministerpräsident Jürgen Rüttgers gestern nicht an der Landtagsdebatte teil. Der CDU-Politiker war stattdessen zum Unmut etlicher Parteifreunde nach Rom zu einer Podiumsveranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung geflogen. Zwei weitere CDU-Abgeordnete und ein Liberaler fehlten wegen Krankheit. "Dies war nicht der Tag der Opposition", sagte ein CDU-Abgeordneter selbstkritisch und räumte ein: "Unser Auftritt muss besser werden."

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort