Düsseldorf Millionen für Flüchtlinge falsch an Städte verteilt

Düsseldorf · Bei der Erstattung der Kosten für die Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen hat das Land 2015 einen dreistelligen Millionenbetrag an die falschen Kommunen gezahlt. Ursache ist ein bürokratisches Verteilsystem, das die Wirklichkeit vor Ort verfehlt.

Flüchtlinge: Das sagen die NRW-Bürgermeister
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Flüchtlinge: NRW-Bürgermeister zur Lage in ihrer Stadt

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Foto: dpa, fg nic

Das Flüchtlingsgeld des Landes kommt zu erheblichen Teilen bei den falschen Kommunen an. Im laufenden Jahr erhielten 35 nordrhein-westfälische Kommunen zusammen 162 Millionen Euro zu viel ausbezahlt. Gleichzeitig erhielten 37 andere Kommunen zusammen 99 Millionen Euro zu wenig. Das ergaben Berechnungen unserer Redaktion auf der Grundlage von aktuellen Daten der Bezirksregierung Arnsberg, die landesweit für die Zuweisung von Flüchtlingen zuständig ist.

Auf Anfrage räumte das Innenministerium eine Schieflage ein. Zu den größten Profiteuren der Fehlsteuerung gehören die Städte Köln, Duisburg, Düsseldorf und Mönchengladbach. Das Land überwies ihnen 2015 je einen zweistelligen Millionenbetrag für die Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen, die dort gar nicht leben.

Zu den Verlierern gehören etwa Solingen und Remscheid, die jeweils mehrere Hunderttausend Euro zu wenig erhielten, weil dort mehr Flüchtlinge leben als geplant. Der Städte- und Gemeindebund fordert das Land zum Handeln auf: "Das darf natürlich kein Dauerzustand sein. Sonst fließen weiter Landesgelder in die Städte für Flüchtlinge, die gar nicht da sind."

Ursache der Fehlsteuerung: Die Bezirksregierung Arnsberg weist die Flüchtlinge den Kommunen gemäß einem Schlüssel zu, der auf Grundlage der Einwohnerzahlen und der Fläche der Kommune berechnet wird. Faktisch weicht die Zahl der Flüchtlinge, die sich dort aufhalten, aber davon ab. Denn den Flüchtlingen ist der Verteilungsschlüssel egal - sie dürfen leben, wo sie wollen. So gab es in Duisburg 2813 Flüchtlinge weniger als geplant - die Stadt lag damit 41 Prozent unter dem Soll.

Trotzdem weist das Land den Kommunen die Gelder auf der Grundlage des Arnsberger Schlüssels zu, wie ein Sprecher des Innenministeriums bestätigt: "Die Mittel werden den Gemeinden entsprechend dem Zuweisungsschlüssel ausgezahlt. Damit erhalten die Kommunen das Geld unabhängig von der tatsächlichen Anzahl der in der Kommune aufhältigen Flüchtlinge."

Laut Flüchtlingsaufnahmegesetz musste die Landesregierung jeder Kommune pro aufgenommenem Flüchtling eine sogenannte Flüchtlingspauschale in Höhe von 7578 Euro für das Jahr 2015 überweisen. Verrechnet man diesen Betrag mit der Differenz zwischen den formal zugewiesenen und den tatsächlich in der jeweiligen Kommune lebenden Flüchtlingen, kommen stattliche Beträge zusammen.

Das Innenministerium betont, dass die Geldzuweisungen dennoch rechtlich korrekt waren und auch keine nachträgliche Korrektur der Auszahlungen vorgesehen sei. Allerdings werde der rechtliche Rahmen nachgebessert: "Im Rahmen der Neustrukturierung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes 2017 wird auch das System der Mittelverteilung neu aufgestellt werden. Die Verteilung wird dann personen- und monatsgenau ab Zuweisung der Flüchtlinge in die Kommunen erfolgen. Hierfür wird eine neue Statistik implementiert werden", sagte der Sprecher. Im kommenden Jahr werde die Pauschale zwar von 7587 Euro auf 10.000 Euro pro Flüchtling erhöht, aber dennoch vorerst weiterhin nach dem bisherigen Verfahren an die Kommunen verteilt.

Mit den Nachbesserungen reagiert das Land offenbar auch auf den Vizechef der CDU-Landtagsfraktion, André Kuper. Der ehemalige Bürgermeister der Stadt Rietberg hatte als Erster auf die massiven Abweichungen hingewiesen und auch schon einen verzerrenden Einfluss auf die Landeszahlungen vermutet. Kuper fordert jedoch sofortige Konsequenzen: "Dass NRW-Innenminister Ralf Jäger erst 2017 auf den Fehler reagiert, ist untragbar. Das Land muss ihn schon im nächsten Jahr bei den Geldzuweisungen an die Kommunen ausgleichen."

Solingen und Remscheid kündigten nach Vorlage unserer Berechnungen eine Überprüfung der Landeszahlungen an. Der Kämmerer von Remscheid, Sven Wiertz, fordert mehr Tempo bei der Umstellung: "Wir erwarten, dass die Pro-Kopf-Pauschale des Landes bereits 2016 und nicht erst 2017 entsprechend den tatsächlichen Flüchtlingszahlen berechnet wird."

Düsseldorf und Köln, Mönchengladbach und Duisburg, die zu den Gewinnern des bisherigen Systems gehören, reagierten gestern zurückhaltend. Eine Sprecherin der Stadt Köln erklärte sowohl das Zahlenmaterial der Bezirksregierung als auch die zugrundeliegende Berechnung für unzuverlässig. Düsseldorf wollte sich gar nicht äußern.

(RP)
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