Norbert Römer im Interview "Schwarz-Gelb wird eine Versprochen-Gebrochen-Koalition"

Düsseldorf · Der SPD-Fraktionsvorsitzende in NRW spricht im Interview mit unserer Redaktion über die neue Landesregierung, die AfD und eigene Fehler.

 Sozialdemokratisches Urgestein: Norbert Römer (70) vor einem Bild von Helmut Schmidt im SPD-Fraktionsflur des Düsseldorfer Landtags.

Sozialdemokratisches Urgestein: Norbert Römer (70) vor einem Bild von Helmut Schmidt im SPD-Fraktionsflur des Düsseldorfer Landtags.

Foto: dpa

Norbert Römer kommt gerade vom Ältestenrat, in dem seit Neuestem auch die AfD sitzt. Nichts ist noch im Landtag, wie es vorher war. Der 70-Jährige allerdings hat sich nach einem internen Machtkampf erneut zum SPD-Fraktionschef in NRW wählen lassen.

Herr Römer, warum sind Sie unverzichtbar?

Römer Das bin ich selbstverständlich nicht. Nach überwiegender Meinung in der Fraktion bin ich aber der Richtige, der den Übergang in die Opposition gestalten soll.

Ein Drittel Ihrer Fraktionskollegen hat gegen Sie gestimmt, die denken offenbar anders…

Römer Zwei Drittel waren der Meinung, dass ich der Richtige bin. Nach der Wahlniederlage kommt es jetzt darauf an, dass ich meine Erfahrung mit einbringe.

Warum dann diese halbherzige Lösung, dass Sie nach nur einem Jahr den Fraktionsvorsitz schon wieder abgeben?

Römer Es war der Wunsch der Fraktion, einen neuen Rhythmus zu finden, um den Übergang zu gestalten. Wir wählen jetzt nach einem Jahr einen neuen Fraktionsvorstand statt nach 18 Monaten. Dazu gehört auch, dass wir nach weiteren zwei Jahren dann diejenige oder denjenigen wählen, die oder der Armin Laschet im Landtag herausfordern wird.

Mit Ihnen, dem neuen Parteichef Michael Groschek und der künftigen Generalsekretärin Svenja Schulze haben drei Verantwortliche der abgewählten rot-grünen Landesregierung in der Partei wieder Spitzenämter übernommen. Die Jusos werfen Ihnen vor, Sie alle hätten ja schon in den vergangenen sieben Jahren die Regierungspolitik nicht richtig vermitteln können. Können Sie diese Kritik nachvollziehen?

Römer Nach dieser Logik hätte 1998 die ehemalige Bundesministerin Angela Merkel nicht CDU-Generalsekretärin und Parteivorsitzende werden dürfen, der ehemalige Landesminister Armin Laschet nach 2012 nicht Oppositionsführer. Ich habe nicht den Eindruck, dass die CDU ihre Personalentscheidungen von damals bereut. Im Übrigen: Der geschäftsführende SPD-Fraktionsvorstand besteht jetzt aus zehn Personen, fünf sind neu, fünf sind erfahren. Das ist eine gute Mischung.

Wie lange geben Sie der schwarz-gelben Landesregierung angesichts ihrer knappen Mehrheit von nur einer Stimme?

Römer Das werden wir sehen…

Bekommt der voraussichtliche Ministerpräsident Armin Laschet bei seiner Wahl am kommenden Dienstag auch Stimmen der SPD-Fraktion?

Römer Nein, das schließe ich aus.

Wie gehen Sie künftig damit um, wenn die AfD im Landtag künftig auch SPD-Anträge unterstützt?

Römer Wir machen unsere Parlamentsarbeit nicht von der AfD abhängig. Die SPD steht für Weltoffenheit, die AfD für Nationalismus. Es gibt keine Gemeinsamkeiten mit dieser Partei.

Der schwarz-gelbe Koalitionsvertrag liegt auf dem Tisch. Wo sehen Sie die zentralen Schwachstellen?

Römer Dieses Papier ist weder ein Arbeitsprogramm noch ein politischer Vertrag. Das ist ein politischer Comic mit vielen Sprechblasen. Wichtige Fragen werden nicht gelöst, zuvorderst die Finanzierungsfragen. Die Vereinbarung dieser Zufallskoalition lässt nur einen Schluss zu: Schwarz-Gelb ist auf das Regieren nicht vorbereitet.

Welche Fragen sind es, die Sie noch vermissen?

Römer Wir müssen CDU und FDP daran messen, was sie versprochen haben: Kinderarmut und Arbeitslosigkeit senken. Zwei bis drei Milliarden Euro einsparen und gleichzeitig investieren. Sie hatten versprochen, die Grunderwerbsteuer zu senken und die Staus zu reduzieren — davon will Schwarz-Gelb schon jetzt nichts mehr wissen. Stattdessen machen sie beim Baustellen-Management dasselbe wie wir, und die Grunderwerbsteuer wird eingefroren. Schwarz-Gelb ist von den eigenen Wahlversprechen überfordert. Das wird eine Versprochen-Gebrochen-Koalition.

Welche Rolle wird die SPD als Oppositionsfraktion ausfüllen — konfrontativ oder konstruktiv?

Römer Das schließt sich nicht aus. Wir werden eine starke Opposition sein, die Alternativen aufzeigt. Und wir werden sicherlich die Finger in die Wunden legen. Dafür gibt uns der Koalitionsvertrag schon eine Menge Vorlagen,

Muss es angesichts der Haushaltslage ein Sparpaket geben?

Römer Nein, aber jahrelang haben uns CDU und FDP mit Kritik bombardiert — und jetzt präsentieren sie selbst keinen einzigen Sparvorschlag.

Würde sich die SPD an einer Konferenz der schwarz-gelben Landesregierung zur Zukunft des Ruhrgebiets beteiligen?

Römer Darüber sind wir bisher nicht informiert worden. Uns war aber immer klar, dass die Kommunen im Ruhrgebiet besonderer Unterstützung bedürfen. Die haben wir ihnen in unserer Regierungsverantwortung gegeben.

Das ist nicht das einzige Thema, mit dem die SPD im NRW-Wahlkampf nicht punkten konnte. Woran lag es, dass sie ihr schlechtestes Ergebnis der Nachkriegsgeschichte erzielte?

Römer Wir sind einfach nicht durchgedrungen mit unserem NRW-Plan. Ganz offensichtlich haben uns zu wenige Menschen noch politische Gestaltungskraft zugetraut.

Hat Hannelore Kraft Fehler gemacht?

Römer Die Partei hat großen Respekt vor ihrer Entscheidung, sofort zurückzutreten. Wir haben sieben gute Regierungsjahre erlebt. Sie war das Gesicht der Partei in NRW und eine große Ministerpräsidentin.

Im Wahlkampf allerdings hat sich die SPD erstaunlich wenig um ihre Stammwähler gekümmert. Als es Proteste von Stahlarbeitern gegen eine mögliche Fusion mit der indischen Tata Steel gab, war Hannelore Kraft nicht dort…

Römer Die Landesregierung war mit Wirtschaftsminister Garrelt Duin sofort vor Ort, Hannelore Kraft hat viele Gespräche geführt. Auch jetzt reden wir mit Betriebsräten, Vorstand und IG Metall. Unsere Position ist ganz klar: Die Verantwortung für den Stahl gehört weiterhin nach Nordrhein-Westfalen. Thyssenkrupp Steel muss Bestandteil des Konzerns bleiben. Es herrscht große Unruhe in der Belegschaft, daher kommt es jetzt darauf an, Sicherheit zu schaffen. Ich sage ganz klar: Es muss nicht zu der Fusion kommen.

Wenn die traditionellen Wählermilieus im Ruhrgebiet wegbrechen, wie NRW-Parteichef Groschek sagt, wo verorten Sie dann die Wähler der SPD?

Römer Wir sind gut beraten, nicht darauf zu setzen, dass es eine Klientel gibt, die von uns nur abgeholt werden will. Vielmehr sollten wir uns auf Inhalte konzentrieren, die dann möglichst viele Wähler ansprechen.

War es ein Fehler, dass Martin Schulz sich nicht stärker in den NRW-Wahlkampf eingeschaltet hat?

Römer Ich habe Martin Schulz während des Wahlkampfs ganz oft hier erlebt.

Welche Lehren ziehen Sie dann aus der Wahlniederlage für den Bundestagswahlkampf?

Römer Wir müssen vier bis fünf klare Botschaften senden, die die Menschen verstehen. "Mit uns sinken die Renten nicht", kann zum Beispiel eine solche Botschaft sein.

Ist eine rot-rot-grüne Koalition im Bund denkbar?

Römer Die Linken sind aus meiner Sicht nicht regierungsfähig, zum Beispiel wegen der Europapolitik, aber auch wegen der Haltung des immer noch starken Wagenknecht-Flügels auch zur Nato.

Das Gespräch führte Kirsten Bialdiga.

(kib)
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