Finanzminister Walter-Borjans in Bedrängnis NRW braucht sehr schnell sehr viel Geld

Düsseldorf · Das Urteil zur Beamtenbesoldung bringt Finanzminister Walter-Borjans in Bedrängnis: Allein 2014 fehlen mindestens 400 Millionen Euro. Die Haushaltssperre allein hilft da nicht.

 Norbert Walter-Borjans (61) muss derzeit besonders streng rechnen. Unser Bild zeigt ihn bei einer Kampagne gegen Steuerbetrug mit Registrierkassen.

Norbert Walter-Borjans (61) muss derzeit besonders streng rechnen. Unser Bild zeigt ihn bei einer Kampagne gegen Steuerbetrug mit Registrierkassen.

Foto: dpa

Nordrhein-Westfalens Finanzminister Norbert Walter-Borjans schlägt gern mal zu. In den Sommerferien betätigt sich der SPD-Politiker mit Vorliebe als Hobby-Steinmetz. Doch seine Ferien musste der Minister in diesem Jahr verschieben, weil ihm der Verfassungsgerichtshof (VGH) in Münster einen Strich durch die Haushaltsrechnung gemacht und eine neue Besoldungsregelung angemahnt hat. Mit den beiden Nullrunden für die Beamten ab Besoldungsgruppe A 13 und anderen Sparmaßnahmen zulasten der Beamten wollte Walter-Borjans ursprünglich 1,3 Milliarden Euro einsparen.

Diese Rechnung geht nicht auf - der Minister muss nachzahlen. In welchem Umfang, ist noch eine Frage der Auslegung des Urteils. Experten rechnen allein für das laufende Haushaltsjahr mit Mehrkosten in Höhe von 400 Millionen Euro - unter Umständen rückwirkend für das vergangene Jahr mit weiteren 400 Millionen Euro plus erwartbare Mehrkosten im kommenden Jahr in ähnlicher Höhe. Es geht also mutmaßlich um einen Milliardenbetrag. Die zentrale Haushaltsfrage des bevölkerungsreichsten deutschen Bundeslandes ist daher: Woher soll das Geld kommen?

Nach der Sommerpause wird der Minister seine Antwort darlegen müssen. In einem ersten Schritt hat er bereits eine allgemeine Haushaltssperre erlassen: Ministerien und Landesbehörden dürfen nur noch Pflichtaufgaben erfüllen. Alles Weitere - etwa die Anschaffung eines Bürostuhls - ist entweder untersagt oder bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Ministers. Dem Rotstift fällt auch das traditionelle Sommerfest der Landesregierung in Berlin zum Opfer.

Doch das allein wird nicht reichen, um die Besoldungsanpassung gegenzufinanzieren. Dem Minister bleiben nicht viele Wege, um sich Luft zu verschaffen.

Einnahmen Er könnte die Grunderwerbsteuer anheben, die Immobilienkäufer an die Landeskasse zahlen müssen. Sie liegt jetzt bei fünf Prozent und könnte auf 6,5 Prozent steigen. Das würde zu Mehreinnahmen von etwa 200 Millionen Euro führen. Der Haken: Ein solcher Schritt könnte vor allem junge Paare davon abhalten, sich Wohneigentum zuzulegen. Das wäre weder sozial gerecht noch diente es der Baukonjunktur. Die Grunderwerbsteuer gehört zu den wenigen Steueraufkommen, die das Land eigenständig bestimmen kann.

Scheinbaren Rückenwind bekommt der Landeshaushalt durch die Ankündigung des Bundes, die Kosten für die Ausbildungsförderung Bafög ab 2015 komplett zu übernehmen. Bislang trägt der Bund 65 Prozent der Kosten; für den Rest sind die Länder zuständig. In der aktuellen Finanzplanung sind für den Landesanteil am Bafög rund 279 Millionen Euro pro Jahr vorgesehen - Gelder, die ab kommenden Jahr also frei werden. Allerdings will die Landesregierung auch dieses Geld nicht für die Beamten opfern. Es soll dem Bildungssystem zugute kommen und entsprechende Ankündigungen aus dem Koalitionsvertrag finanzieren. Das Finanzministerium nennt als Beispiele den Ausbau der offenen Ganztagsbetreuung, die Zuweisung an Kommunen für die schulische Inklusion und die weitere Finanzierung des Hochschulpaketes. "Die dafür geplanten Ausgaben übersteigen die mögliche Entlastungswirkung beim Bafög", so das Finanzministerium.

Einsparungen Wenn der Finanzminister den Bürgern keine zusätzlichen (Steuer-)Einnahmen zumuten will, muss er sparen. Möglich sind auch Personaleinsparungen. Die Personalkosten machen 40 Prozent des Landeshaushaltes aus. Doch hier kann es nur behutsame Schritte geben. Die Rechnung von Walter-Borjans, dass die 1,3 Milliarden Euro Zusatzkosten für eine höhere Beamtenbesoldung 14 000 Stellen im Landesdienst entsprechen, mag theoretisch richtig sein. Für die Praxis aber taugt der Vergleich nicht viel, denn Stellenabbau in einem solchen Umfang ist kurzfristig nicht möglich.

Schulden Bleibt als letzte Möglichkeit die Aufstockung der Neuverschuldung, die in diesem Jahr mit 2,4 Milliarden Euro angesetzt ist. Ein solcher Schritt wäre allerdings ein massiver Rückschlag für die Konsolidierung des Haushalts. Das Ziel von Rot-Grün, die Schuldenbremse 2020 zu schaffen, würde damit in weite Ferne gerückt.

(RP)
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