Land kämpft um 70 Millionen Euro Bildungspaket: Nordrhein-Westfalen verklagt den Bund

Berlin · Das NRW-Arbeitsministerium zieht gegen die Bundesregierung vor Gericht. Es geht um 70 Millionen Euro, die von den Kommunen für Sozialleistungen eingesetzt wurden und die der Bund zurückfordert.

 "Das sehen wir nicht ein": Guntram Schneider (SPD).

"Das sehen wir nicht ein": Guntram Schneider (SPD).

Foto: Thomas Lammertz

Die Finanzierung des Bildungspakets für Kinder aus armen Familien sorgt für eine gerichtliche Auseinandersetzung zwischen Bund und Ländern. Bundesweit geht es um einen Streitwert von 284 Millionen Euro; NRW kämpft um 70 Millionen Euro. "Der Bund holt sich von uns 70 Millionen Euro, die längst für soziale Zwecke ausgegeben wurden. Das sehen wir nicht ein", sagte der nordrhein-westfälische Arbeitsminister Guntram Schneider (SPD) unserer Redaktion. Dass seine Klage insbesondere seine Parteifreundin, Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles, trifft, nimmt er in Kauf: "Da stehen die Interessen des Landes Nordrhein-Westfalen über Parteiinteressen."

Die Bundesregierung hatte das sogenannte Bildungs- und Teilhabepaket im Jahr 2011 eingeführt. Damals stand sie unter Handlungszwang: Das Bundesverfassungsgericht hatte festgestellt, dass in den Hartz-IV-Regelsätzen für Kinder nicht genug Geld für Bildung und sinnvolle Freizeitgestaltung vorhanden ist. Bezahlt werden können mit den zusätzlichen Mitteln beispielsweise Beiträge für den Sportverein, Klassenfahrten und Nachhilfe. Um das Paket hatte es ein heftiges Tauziehen zwischen der damaligen Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und den Bundesländern gegeben.

Voraussichtlich im Juni vor Gericht

In dem aktuellen Streit, der voraussichtlich noch im Juni vor dem Bundessozialgericht landen wird, geht es um die Praxis des Bundes, der sich zu viel gezahltes Geld zurückholt. So wurden im Jahr 2012 insgesamt 717 Millionen Euro für das Bildungspaket an die Länder gezahlt. Die gaben für die vorgegebenen Leistungen aber nur 433 Millionen Euro aus. Das Bundesarbeitsministerium hatte den Ländern im September mitgeteilt, die ausstehenden Millionen im April, Mai und Juni in drei Tranchen wieder einzuziehen. Das geschieht derzeit. Zwei Teilbeträge hat sich der Bund schon geholt.

Das Geld ist aber längst weg: "Die Mittel, die der Bund zurückfordert, wurden für die Beratung und Information der Menschen ausgegeben, denen die Hilfen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket zustehen", sagte Schneider. Sein Arbeitsministerium hatte die Städte und Gemeinden aufgefordert, nicht ausgegebenes Geld auf das nächste Jahr zu übertragen und unter anderem für Schulsozialarbeit einzusetzen. Die Kommunen sind am Ende die Leidtragenden: Ihnen reißt die Auseinandersetzung zwischen Bund und Ländern Löcher in die Kassen.

Auch andere Bundesländer sind über das Vorgehen der Regierung in Berlin empört. Niedersachsen und Brandenburg, ebenfalls SPD-regiert, wollen sich der Klage aus Düsseldorf anschließen. Mit weiteren Ländern ist NRW noch im Gespräch. "Wir haben beschlossen, nun gegen die Bundesregierung zu klagen. Wir sind guten Mutes, dass wir gewinnen", sagte Schneider. Außer Bremen und Hamburg sehen sich alle Länder mit Rückforderungen des Bundes konfrontiert.

Das Bundesarbeitsministerium beruft sich in dem Streit darauf, dass zwischen Bund und Ländern ein Ausgleich von zu viel gezahlten Mitteln vereinbart worden sei. Ein Sprecher erklärte, bei dieser Auffassung bleibe man.

(qua)
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