Debatte um Grundschulrektoren Zu jung, um Schulleiter zu sein

Düsseldorf · Wer in NRW Rektor an einer Grundschule werden will, muss vier Jahre auf Lebenszeit verbeamtet sein. Die FDP plädiert für eine Verkürzung der Frist, die CDU für Einzelfallprüfungen. Das Amt ist bei Lehrern unbeliebt, denn es gibt kaum mehr Gehalt.

Schulen in NRW - Fakten im Überblick
Infos

Schulen in NRW - Fakten im Überblick

Infos
Foto: dpa, Julian Stratenschulte

Timo Kuhn* hat alles, was einen guten Grundschulrektor ausmacht: Er ist belastbar, hat Führungsqualitäten, kann gut mit schwierigen Schülern, kontrollwütigen Eltern und genervten Kollegen umgehen. Doch kurz nachdem sich der Anfang 30-Jährige auf eine Stelle als Schulleiter bewirbt, erhält er eine Absage von der Bezirksregierung: Er könne es erst wieder im kommenden Jahr versuchen, wenn er vier Jahre auf Lebenszeit verbeamtet ist. Den Posten bekommt am Ende wahrscheinlich eine Kollegin, die mehr Erfahrung hat. Kornelius Knettel hatte keine Mitbewerber, als er sich um den Rektorenposten bewarb. Die Grundschule an der Sonnenstraße in Düsseldorf leitet der 33-Jährige nun kommissarisch - bis er in anderthalb Jahren ganz offiziell Rektor werden darf. Mithilfe dieser Übergangslösung werden in der Landeshauptstadt derzeit 14 von 86 Grundschulen geleitet.

Festgelegt ist die Wartezeit für NRW in der sogenannten Laufbahnverordnung. Paragraf 53 legt fest, dass Grundschulrektor nur werden kann, wer "eine hauptberufliche Tätigkeit von vier Jahren" vorweisen kann. Eine Tätigkeit als Konrektor ist schon nach drei Jahren möglich. Doch viele Schulleiterstellen in NRW sind unbesetzt: Zum Stichtag 19. Februar 2015 waren von insgesamt 2825 Leitungsstellen 359 vakant - 12,7 Prozent der Grundschulen sind also ohne Rektor. Manche Stellen bleiben jahrelang unbesetzt.

Experten für mehr Flexibilität

Die Schulexpertin der NRW-CDU, Petra Vogt, spricht sich angesichts dieser Lücke für mehr Flexibilität aus: "Wenn es einen geeigneten Bewerber für eine Rektorenstelle gibt, sollte es nicht daran scheitern, dass es eine festgesetzte Frist gibt." In solchen Situationen müsse es eine Einzelfallprüfung geben, fordert Vogt. Denkbar sei, die Bewerber in einem gesonderten Verfahren zu testen. Bislang sind unter anderem eine Eignungsfeststellung und die Abgabe von Lehrproben notwendig. Vogt zufolge könnte es in bestimmten Regionen zudem sinnvoll sein, dass zusätzlich zu den Teilstandortlösungen Schulleitungen für mehr als eine Grundschule zuständig sind. Ein entsprechender Antrag der CDU-Fraktion wurde im Schulausschuss jedoch bereits abgelehnt.

Kritik an dem Antrag kam vom Deutschen Städtetag. Grundsätzlich werde eine Leitungsstelle an einer Grundschule unattraktiver, wenn das Gesamtsystem aus mehreren Standorten bestehe, sagte Klaus Hebborn, Bildungsdezernent des Städtetags. Es müssten unter anderem zwei Kollegien, zwei Schulkonferenzen sowie unterschiedliche Schulprogramme und -profile geleitet und gesteuert werden.

Die FDP zeigt sich gegenüber einer kürzeren Einstiegsfrist aufgeschlossen. "Ich kann mir durchaus vorstellen, das Mindestdienstalter zu senken - ich bezweifle, ob das wirklich vier Jahre sein müssen", sagte Yvonne Gebauer, schulpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion. Eine Fristverkürzung ist nach Angaben des Schulministeriums zurzeit nicht vorgesehen. "Es braucht Erfahrung, um etwa große Schulen zu managen", sagte ein Sprecher.

Widerstand vom Grundschulverband

Widerstand kommt vom Grundschulverband, der Interessenvertretung der Pädagogen. "Man sollte schon einmal das System durchlaufen haben, um als Schulleiter vernünftig handeln zu können", sagte Vorstandsmitglied Beate Schweitzer, selbst Rektorin in Mönchengladbach. Schweitzer ist grundsätzlich auch skeptisch gegenüber Quereinsteigern. "Das ist nicht das Gleiche, wie wenn man ein grundständiges Studium durchlaufen hat."

Für Gebauer müsse eine mögliche Fristverkürzung auch eingebunden sein in ein Maßnahmenpaket mit Anreizsystemen. "Zum Beispiel muss die Bezahlung besser werden, etwa über ein differenzierteres System von Zulagen." Nach Angaben der Lehrergewerkschaft GEW bekommen Leiter einer Grundschule mit weniger als 80 Schülern 155 Euro mehr als ihre Kollegen. Außerdem, so Gebauer, müsse die Politik vor allem besser auf die Wünsche junger Frauen eingehen, was die Vereinbarkeit von Familie und Beruf angehe. "Wenn es weder zusätzliches Geld noch zum Beispiel einen Platz in der Kita gibt, fragen sich viele Frauen zwangsläufig: Warum soll ich mir das antun? Die machen dann lieber Schule von acht bis eins."

* Name geändert

(jam)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort