Halbzeit in NRW Forscher hat wenig Hoffnung für die Piratenpartei

Düsseldorf · Schlechte Umfragewerte, kaum noch parlamentarische Bühnen, Selbstzerfleischung und mediale Flaute - die Lage der Piratenpartei war schon besser. In Nordrhein-Westfalen haben die Parlamentsneulinge von 2012 nun die Hälfte der Legislaturperiode hinter sich gebracht.

 Politikwissenschaftler Ulrich von Alemann sieht schwere Zeiten für die NRW-Piraten kommen.

Politikwissenschaftler Ulrich von Alemann sieht schwere Zeiten für die NRW-Piraten kommen.

Foto: dpa

"Klarmachen zum Ändern" lautet ihr Ziel für die Landtagswahl 2017. Das wird schwer, weiß auch Fraktionschef Joachim Paul. Das wird unmöglich, meint der Düsseldorfer Politologe Prof.Ulrich von Alemann. "Bei den Piraten habe ich keine Hoffnung", sagt der Wissenschaftler der Deutschen Presse-Agentur in Düsseldorf. "Ich glaube nicht, dass es denen noch einmal gelingen wird, in irgendeinem deutschen Parlament Erfolg zu haben." Paul von der Piratenpartei muss das anders sehen: "Es ist ernst, aber nicht hoffnungslos", sagt er der dpa. "Ich finde diese Abgesänge verfrüht. Man kann die Piraten nicht erst hochjazzen und dann so schnell wieder runterschreiben."

Die Fakten: Noch vor drei Jahren katapultierte der große Hype um die neue Partei die Piraten in bundesweiten Wähler-Umfragen auf Werte um 13 Prozent. "Das war eine politische Blase", stellt von Alemann fest. Heute verschwinden sie unter "Sonstige" oder dümpeln - wie in NRW - um die zwei Prozent.

Außer in NRW sitzen sie noch in drei weiteren Landesparlamenten, in Berlin, Schleswig-Holstein und im Saarland - überall mit sinkenden Zustimmungswerten. Zudem werden sie von einer Austrittswelle überrollt, die allein in NRW im vergangenen Jahr jedes siebte Mitglied über Bord spülte. Von einst fast 6500 politischen Freibeutern sind hier nicht einmal 5000 geblieben.

Als Hauptproblem sieht von Alemann das enge Themenspektrum der Partei. Netzpolitik, Transparenz, Urheberrechte, das sei zu wenig. Dagegen wollen die NRW-Piraten nach der Sommerpause Themen-Kampagnen setzen. Fünf Schwerpunkte seien bereits identifiziert, berichtet Paul. Neben Digitalisierung, Netzpolitik und Transparenz wollen die Piraten auch auf den Feldern Bürgerbeteiligung, Bildung und Sozialpolitik Flagge zeigen. Im Straßenwahlkampf sei die soziale Frage bei den Piraten vernachlässigt worden, stellt Paul fest.

Keine breite Bewegung in der Bevölkerung

Von Alemann ist skeptisch. Die Piraten seien "durchaus sympathische Idealisten", konstatiert er. Aber ihre Kernthemen seien bereits von anderen Parteien absorbiert worden. Anders als bei den Grünen in ihrer Gründungsphase sei es den Piraten nicht gelungen, breite Bewegungen hinter sich zu bringen. "Die Piraten werden eine interessante Episode bleiben im Parteiensystem Deutschlands, aber kein langfristiger Player." Protestwähler seien stets unterwegs zu neuen Ufern. "Diesen Wählern waren die Inhalte der Piraten völlig egal. Sie wollten ein Ausrufezeichen setzen gegen die sogenannten Altparteien."

Das können sie nun bei der erstarkenden Alternative für Deutschland (AfD) tun. "Das ist eine ziemliche Bedrohung", räumt Paul ein. Trotz der niederschmetternden Umfragewerte hegt er aber Hoffnung, die Kernwählerschaft der Piraten erweitern zu können. Die NRW-Fraktion sei auf dem Weg, sich zu professionalisieren und persönliche Reibereien zwischen den 20 Abgeordneten hinter sich zu lassen. Außerdem habe die Partei mit rund 130 kommunalen Mandaten noch eine gute Basis in NRW.

Paul will die Piraten als pro-europäisch profilieren, als Anti-Klientel-Partei und als politische Kraft, die sich nicht in das Rechts-Links-Spektrum zwängen lässt. Über Grundsätze wird der Landesverband Mitte April auch bei einem Parteitag in Gelsenkirchen debattieren.

Dass die Piraten bis 2017 dennoch in der Bedeutungslosigkeit versinken könnten, bestreitet Paul nicht. "Nein, ich bin da gar nicht frei von Angst", gesteht der promovierte Biophysiker. "Ich bin Realist". Populismus für Wählerstimmen werde es bei den Piraten aber nicht geben. Wenn sie untergingen, sei das zwar schlimm. "Aber dann haben wir aus unseren Herzen keine Mördergrube gemacht."

(lnw)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort