NRW-Grüne Gezähmte Rebellen

Neuss · Wie sich die NRW-Grünen in Zeiten wankender Mehrheiten auf die CDU zubewegen, war an diesem Wochenende auf dem Landesparteitag in Neuss zu beobachten.

 Katrin Göring-Eckardts Farbwahl hatte durchaus Symbolcharakter.

Katrin Göring-Eckardts Farbwahl hatte durchaus Symbolcharakter.

Foto: dpa, hk gfh

Ganz zu Beginn des Parteitages, da geht es bei den Grünen noch so zu wie immer schon. "Wenn Ihr Lust habt und Euch jetzt hinsetzt, wird die Marianne jetzt anfangen", versucht ein Delegierter seine Parteikollegen zur Ordnung zu rufen. Doch wie bei einer rebellischen Schulklasse braucht es noch ein paar Ermahnungen mehr, bis Ruhe einkehrt, damit der Parteitag der NRW-Grünen in Neuss beginnen kann.

Markenkern nicht aus den Augen verlieren

Es sind keine leichten politischen Aufgaben, die in diesen Tagen vor den NRW-Grünen liegen. In gut zwölf Monaten finden Landtagswahlen statt, und aktuellen Umfragen zufolge käme die rot-grüne Landesregierung in NRW zurzeit nicht mehr auf eine Mehrheit. Insbesondere, weil die AfD demnach mehr als zehn Prozent der Stimmen erhielte. In dieser Situation müssen die Grünen also den richtigen Umgang mit den Rechtspopulisten finden, zugleich das eigene Profil gegenüber der NRW-SPD schärfen, die wiedererstarkte FDP auf Abstand halten, sich aber möglichst auch andere Optionen für Koalitionen offenhalten, etwa für schwarz-grün. Und bei alldem den eigenen Markenkern nicht aus den Augen verlieren.

Rein optisch hat Katrin Göring-Eckardt diese Aufgaben bereits gelöst. Die Grünen-Fraktionschefin im Bundestag, als Gastrednerin geladen, erscheint vor der knallgrünen Bühnenkulisse in Neuss im rot-schwarzen Outfit. Mit einem klar dominierenden roten Anteil. Inhaltlich teilt die gebürtige Thüringerin sowohl gegen die CDU aus - als auch gegen die SPD. "Grund dafür, dass jetzt weniger Flüchtlinge nach Deutschland kommen, ist ein verdammt schmutziger Deal von Angela Merkel mit der Türkei", sagt Göring-Eckardt. Und den SPD-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel kritisiert sie wegen seines Lobes für den ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al Sisi.

Recht nahe an CDU-Positionen

Bei der Inneren Sicherheit jedenfalls, neben Mobilität das zweite Schwerpunktthema des NRW-Parteitages, kommen die Grünen nach den Vorfällen der Kölner Silvesternacht CDU-Positionen schon recht nahe. So buht denn keiner der rund 280 Delegierten, als sich ein grüner Redner auf dem Podium gegen eine Identifizierungspflicht für Polizisten ausspricht. Oder als ein anderer, der frühere Münsteraner Polizeipräsident Hubert Wimber, vorrechnet, dass NRW bei der Polizeistärke pro Kopf bundesweit den vorletzten Platz belegt und daher weitere Beamte für erforderlich hält. Dabei ist es noch gar nicht lange her, da waren "Bullen" für viele Grüne vor allem eines: Feinde.

Auch die Ausweitung der Videobeobachtung im öffentlichen Raum und Schulterkameras für Polizisten (Bodycams) sind für die Grünen von heute längst kein Tabu mehr. Nicht einmal eine Abstimmung darüber findet auf dem Parteitag mehr statt, Änderungsanträge wurden zuvor eingearbeitet. Während die Grünen in Neuss noch an den Positionen für das Wahlprogramm feilen, das im Dezember verabschiedet werden soll, wechselt die stellvertretende NRW-Ministerpräsidentin Sylvia Löhrmann schon jetzt in den Wahlkampfmodus. Die Grünen müssten in den kommenden Wochen mehr über ihre Erfolge reden: "Wenn Grüne einen Zaun aufstellen, dann diskutieren sie auch nachher noch darüber, ob es ein Jägerzaun oder ein Maschendrahtzaun ist." Damit meint sie wohl auch die eigenen Erfolge in der Landesregierung - und stellt sich erneut als Spitzenkandidatin zur Verfügung: "Ich bin sehr gerne im nächsten Jahr bereit, Eure Spitzenkanidatin zu sein, wenn Ihr denn 'ja‘ dazu sagt."

Mehrdad Mostofizadeh braucht drei Wahlgänge

Doch so weit ist es noch nicht. In Neuss wählen die Delegierten zunächst einmal nur den Landesvorstand neu. Die NRW-Doppelspitze aus Mona Neubaur und Sven Lehmann wird am Samstag mit starken Ergebnissen im Amt für zwei weitere Jahre bestätigt. Die 38-jährige gebürtige Bayerin erhält 90,5 Prozent der Stimmen und damit deutlich mehr als noch vor zwei Jahren (77,2 Prozent). Co-Vorsitzender Lehmann wird von 92,2 Prozent der Delegierten wiedergewählt, vor zwei Jahren bekam er 94,5 Prozent. Der 38-jährige Kölner, der den mitgliederstärksten Grünen-Landesverband seit sechs Jahren führt, hatte angekündigt, dass er Ende nächsten Jahres für den Bundestag kandidieren will. Schwerer hingegen tut sich ausgerechnet der NRW-Fraktionschef der Grünen, Mehrdad Mostofizadeh, bei der Wahl in den Landesvorstand. Erst im dritten Wahlgang kommt er auf eine Mehrheit von 56,3 Prozent. Insgesamt hatten sich 15 Kandidaten auf acht Plätze beworben.

Einer, der sich auch in den Landesvorstand wählen lassen will, ist Hermann Stubbe. Der Delegierte aus Saerbeck muss aber vor der Wahl zunächst eine entscheidende Frage aus dem Publikum beantworten: "Wie stehst Du zu einer schwarz-grünen Regierung in NRW?" Mit der Antwort tut sich der Mann mit dem langen Pferdeschwanz sichtlich schwer: "Bevor wir dieses Land gar nicht regieren, müssten wir wohl in diesen ganz, ganz sauren Apfel beißen, mein Ziel ist das aber nicht." Die Mehrheit der Delegierten wünscht sich offenbar mehr Offenheit für schwarz-grün — in den Landesvorstand wird Stubbe jedenfalls nicht gewählt.

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