Wirtschaftsbericht Industrie bleibt das Sorgenkind in NRW

Düsseldorf · Der lang erwartete Bericht von Wirtschaftsminister Garrelt Duin zeigt: Einstige Vorzeigeprodukte des Landes auf den Weltmärkten sind schon lange nicht mehr konkurrenzfähig.

 Ein Stahlarbeiter von ThyssenKrupp nimmt am Hochofen 8 in Duisburg eine Probe.

Ein Stahlarbeiter von ThyssenKrupp nimmt am Hochofen 8 in Duisburg eine Probe.

Foto: A3512 Roland Weihrauch

NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin machte es spannend. Eigentlich wollte der SPD-Politiker über den Wirtschaftsbericht seines Ministeriums schon am vergangenen Donnerstag informieren. Dann verschob er den Termin auf Freitag. Und dann noch einmal auf den gestrigen Montag. Zu verlockend war wohl die Aussicht, die ernüchternde Langfrist-Analyse wenigstens mit einer wirklich guten Nachricht zu garnieren - den jüngsten Wachstumszahlen.

Tatsächlich legte die NRW-Wirtschaft im ersten Halbjahr um 2,1 Prozent zu, ein überraschend starker Anstieg nach dem Null-Wachstum im Gesamtjahr 2015. Zu verdanken ist dies vor allem den Dienstleistungen. Deren Umsätze stiegen in NRW im zweiten Quartal sogar um 7,3 Prozent. Entscheidend trug dazu die Logistik bei, die vom Internethandel profitiert, sowie freiberufliche, wissenschaftliche und technische Dienstleistungen sowie die Informations- und Kommunikationstechnik.

Maschinenbau macht Sorgen

Die Industrieproduktion auf der anderen Seite sank hingegen in der ersten Jahreshälfte um 1,7 Prozent. "Neben den Grundstoffindustrien macht nun auch der Maschinenbau zunehmend Sorgen", sagte Duin.

Dass es die Industrie ist, die NRW nach unten zieht, wird auch in der Langfrist-Betrachtung deutlich. "Zwischen 2000 und 2014 war die Entwicklung in NRW komplett gegenläufig zum Bund", sagte Duin. Während in ganz Deutschland die Bruttowertschöpfung der Industrie in diesem Zeitraum um 25,5 Prozent zulegte, ging sie in NRW um 1,8 Prozent zurück. Die NRW-Industrie habe auch noch nicht nicht wieder das Niveau aus der Zeit vor der Finanzkrise von 2008 erreicht. Die Ursache hierfür sieht Duin vor allem in den Grundstoffindustrien wie Stahl, Energie oder Chemie. Ihr Anteil an der Wirtschaftsleistung liegt in NRW bei knapp 29 Prozent, im Bundesschnitt hingegen nur noch bei 19,8 Prozent.

Besonders alarmierend ist, dass die NRW-Industrie auf dem Weltmarkt mit ihren Produkten immer weniger mithalten kann. Im Vergleich zum Bundesschnitt fällt NRW bei den Exporten immer weiter zurück: In Deutschland insgesamt stiegen die Ausfuhren seit 2008 um gut 21 Prozent. In NRW hingegen lag das Plus nur bei knapp sechs Prozent. Besorgniserregend ist dabei, dass die Exporte in technologisch fortgeschrittene Länder wie die USA, Japan, Korea oder Taiwan so niedrig seien: Während bundesweit fast jedes fünfte exportierte Produkt in die USA geht, liegt dieser Anteil in NRW nur bei 6,6 Prozent.

"Gerade bei den Grundstoffindustrien haben andere Länder aufgeholt", erläuterte Duin diese Entwicklung. Ostasiatische Länder etwa könnten viele Produkte inzwischen in derselben Qualität herstellen. Dagegen sei die exportstarke deutsche Autoindustrie in NRW kaum vertreten. Hinzu komme in den USA die günstige Energieerzeugung durch Fracking, die dazu führe, dass dort hergestellte Produkte teils konkurrenzlos günstig seien. In den vergangenen Jahrzehnten habe sich NRW noch auf seine sehr wettbewerbsfähige Grundstoffindustrie verlassen können. Diese Zeiten sind zumindest seit 2000 vorbei.

Patentanmeldungen weiter unter dem Schnitt

Der Wirtschaftsbericht fördert noch andere Schwächen zutage. Die Investitionsschwäche in der Infrastruktur und auf kommunaler Ebene etwa bremsen Duin zufolge das Wachstum zusätzlich. Und auch bei den Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E) und den Patentanmeldungen liege NRW weit unter dem Bundesschnitt. "Wir haben auch einen massiven Rückstand von privaten F&E-Investitionen", sagte der Minister und führte auch dies auf die große Bedeutung der Grundstoffindustrien zurück, die weniger forschungsintensiv seien.

Das Wirtschaftsministerium, das den Bericht in Eigenregie verfasst hat, hat auch die Entwicklung in den einzelnen Regionen des Landes analysiert. Demnach liegt Düsseldorf/Mettmann in absoluten Zahlen vorn, aber auch das Ruhrgebiet habe zugelegt. Das NRW-Kabinett wird heute über den Bericht beraten und daraus wirtschaftspolitische Schlussfolgerungen ziehen, kündigte Duin an. Er sehe trotz der vielen Defizite "gar keinen Anlass für Depression".

(RP)
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