Schließungspläne Kein Geld mehr - katholische Schulen unter Druck

Düsseldorf · Das Erzbistum Hamburg will aus Geldmangel acht seiner 21 Schulen abgeben. Die Debatte um die Zukunft der katholischen Schulen ist längst auch in Nordrhein-Westfalen angekommen - nur wird sie nicht öffentlich geführt.

 Ein Lehrer befestigt ein Kreuz über einer Tafel in einem Klassenzimmer (Archivbild).

Ein Lehrer befestigt ein Kreuz über einer Tafel in einem Klassenzimmer (Archivbild).

Foto: Jan_Bauer/dpa

Erschütterungen katholischer Art in Deutschland gehen oft von Rom aus, bisweilen von den wichtigen Bistümern Köln und München. Hamburg ist eher selten das Epizentrum - obgleich Erzbistum, ist Hamburg mit seinen 400.000 Katholiken eine kleine Diözese. Neulich aber kamen von dort Nachrichten, die auch in NRW manchen erschrecken ließen: Das Erzbistum will acht seiner 21 Schulen schließen, aus finanziellen Gründen.

Mitte April will man konkretere Pläne vorstellen. Was bisher bleibt, über das Bistum hinaus, ist eine neue Nachdenklichkeit über den Stellenwert katholischer Schulen, die der Vorsitzende der Bischofskonferenz, der Münchner Kardinal Reinhard Marx, 2016 als "Kernstück kirchlichen Lebens" bezeichnete.

200 katholische Schulen in NRW

Knapp 200 der gut 5800 Schulen in NRW sind in katholischer Trägerschaft - jede dritte Privatschule. Etwa die Hälfte der katholischen Schulen betreiben die fünf Bistümer selbst. Diese Zahl ist im vergangenen Jahrzehnt sogar leicht gestiegen, ebenso die von den Diözesen aufgebrachten Mittel und die Zahl der Stellen. Und kein Bistum mag auf Anfrage Ähnliches sagen wie Hamburg: dass nämlich ein Teil seiner Schulen wirtschaftlich nicht gesund sei. Teils druckst man herum - Köln etwa verweist auf die stabile Nachfrage, Paderborn darauf, man könne Schulen nicht ökonomisch betrachten, "weil es grundsätzlich zuschussbedürftige Einrichtungen sind".

Nur das Essener Generalvikariat riskiert die Aussage: "Allerdings bedarf es angesichts der angespannten Situation des Bistums großer Anstrengungen, den Betrieb der Schulen nicht nur aufrechtzuerhalten, sondern auch weiter für eine hohe Qualität Sorge zu tragen." Insgesamt aber lautet der Tenor: Schulen stehen nicht zur Disposition. Köln hat sogar 20 Millionen Euro für eine neue Gesamtschule in Bad Honnef in die Hand genommen.

Diskussionen werden in NRW nicht öffentlich geführt

Das heißt aber nicht, dass in NRW die Diskussion um die Zukunft der katholischen Schulen nicht geführt würde. Nur eben nicht öffentlich. "Natürlich gibt es Finanzchefs, die sagen: Wir machen die Schulen alle platt", sagt etwa ein Insider, der hinzufügt, Geld sei nur der eine Aspekt. Der andere ist theologisch-politisch und führt etwa zu solchen Fragen: Wie lange lässt sich noch an den Schulen festhalten - angesichts schwindenden gesellschaftlichen Rückhalts der Kirchen, aber auch etwa der Aufgabe von Gebäuden? Wir muten den Leuten Mammutgemeinden zu, klammern uns aber an jede Schule, aus Prinzip?

Der naheliegende Einwand, dass die Kirche nirgends so direkt in die Gesellschaft wirken kann wie in ihren Schulen, hat die Debatte jedenfalls nicht verstummen lassen. "Ideell stellt all das kaum jemand infrage, aber wie viel davon ist realistisch umzusetzen?", fragt etwa Schwester Ulrike Michalski, Leiterin des Essener Gymnasiums Beatae Mariae Virginis (BMV), das von den Augustiner-Chorfrauen getragen wird: "Falls es jemals eine Zeit der Selbstverständlichkeiten gegeben hat, ist sie längst vorbei."

Ordensschulen in der Krise

Das BMV steht dabei für den Teil der Schulen, der besonders unter Druck steht: die Ordensschulen. Deren Zahl ist im Land seit 2006 von 31 auf 18 gesunken. "Noch sind sie eine relevante Größenordnung", sagt Schwester Ulrike - noch. Es gibt auch Beobachter, die sagen, die Orden gingen in die Knie. Und die Orden, die ebenso unter personeller Auszehrung leiden wie die Kirche insgesamt, haben es in Sachen Schule besonders schwer: Denn ein bischöfliches Gymnasium lässt sich auch komplett mit Laien betreiben. "Eine Ordensschule ohne Ordensangehörige kann ich mir schwer vorstellen", sagt BMV-Chefin Ulrike Michalski und fügt hinzu: "Im großen Stil kann derzeit niemand die Existenz von Ordensschulen sichern."

Dabei sind die Ordensschulen nicht unattraktiv. Im Gegenteil: Sie genießen oft einen exzellenten Ruf. Kein Wunder, dass über die Jahre die Bistümer viele Ordensschulen übernommen haben - etwa die Liebfrauenschule in Geldern, das Gymnasium St. Ursula in Düsseldorf oder noch 2012 St. Michael in Paderborn. Anderswo treten im Schulwesen eher neue Akteure auf, wie die Malteser in Willich (seit 2007) oder in Büren bei Paderborn (seit 2012). Im Sommer wird das Bistum Aachen die Angela-Schule in Düren übernehmen, zu dessen Gesellschaftern noch die Ursulinen gehören.

Wenn also katholische Schulen tatsächlich die beste Gelegenheit der Kirche sind, ihre Mission in einer zunehmend kirchenfernen Gesellschaft zu erfüllen (vieles spricht dafür), wenn katholische Schulen sogar so etwas wie eigene Gemeindeformen sind, ein Vorgeschmack auf die Zeit nach der Volkskirche, wie Schwester UIrike meint - wie lässt sich dann kirchliche Bildung stärken? Auch und gerade in den Bistümern? Jedenfalls nicht so wie kürzlich auf dem Deutschen Schulleiterkongress in Düsseldorf in Sachen evangelischer Kirchen: Da redete der hannoversche Landesbischof Ralf Meister in einem etwa halbstündigen Vortrag von "Markierungen", "Kontexten", "Kontingenz", "Resilienz", "Fragmentarität" - die große Verschwurbelung einer eigentlich ganz praktischen Debatte.

Vielleicht verweist Hamburg nicht nur auf das Problem, sondern auch auf die Lösung, oder zumindest einen Teil der Lösung: die Eltern. In Hamburg will eine "Schulgenossenschaft" versuchen, alle 21 bischöflichen Schulen zu übernehmen und wirtschaftlich zu betreiben. Ob das funktioniert, ist bislang unklar. Aber selbst wenn die Eltern generell als Träger überfordert sind: Bereitschaft zu (auch finanziellem) Engagement ist vorhanden, das beweisen etwa evangelische Schulen im Rheinland.

Für die Bistümer wird es auf Dauer nicht reichen, bloß auf die Quelle Kirchensteuer zu setzen. Oder, weniger materialistisch gesagt: bloß auf die eigene Institution zu vertrauen. Alternativen müssen her - sonst kommen doch noch die Plattmacher zum Zug.

(fvo)
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