Haushaltsdebatte im Landtag Endabrechnung für Rot-Grün in NRW

Düsseldorf · Sind weniger neue Kredite schon gut, während der Gesamtschuldenberg aber noch wächst? Darüber streiten Regierung und Opposition. Wenige Monate vor der NRW-Wahl ist die Deutungshoheit heiß umkämpft.

NRW-Landtag: Haushaltsdebatte als Endabrechnung für Rot-Grün
Foto: dpa, fg vfd

"Wir beraten heute die Schlussbilanz von Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen." Gleich mit dem ersten Satz in der Haushaltsdebatte des Düsseldorfer Landtags macht der CDU-Abgeordnete Marcus Optendrenk am Mittwoch klar, worum es geht. Auf der Agenda steht nicht das übliche Geplänkel zwischen Regierung und Opposition.
Der letzte Haushalt vor der Landtagswahl am 14. Mai 2017 ist für alle Seiten Anlass zur Generalabrechnung.

Kein guter Tag für Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD), der den fast 73 Milliarden Euro umfassenden Rekordetat federführend zu verantworten hat. Den habe er auch nicht erwartet, räumt der 64-Jährige freimütig ein. Aber er geht seine Gegner an: Die zweite Lesung des Haushalts sei "zum Tag der ausgeleierten Gebetsmühlen mit immer gleichen, abgedroschenen Worthülsen" verkommen. "Diese ewige Miesmacherei ist Populismus."

Regierung und Opposition ziehen wenig überraschend zwei grundverschiedene Schlussbilanzen. Walter-Borjans Resümee klingt so: Seit ihrem Regierungsantritt 2010 habe die rot-grüne Koalition 200 Milliarden Euro für Bildung ausgegeben. Allein im Etat 2017 seien dafür 29 Milliarden Euro vorgesehen - 38 Prozent mehr als 2010. Für den Kindergartenbereich seien 2,8 Milliarden Euro veranschlagt - 1,5 Milliarden Euro mehr als 2010. Jeder dritte Euro des Landeshaushalts komme den Kommunen zugute, betonen die Grünen. Und bei all dem sei die Neuverschuldung seit 2010 so stetig wie nie zuvor um insgesamt 75 Prozent abgebaut worden.

Aus Sicht der Opposition liest sich das Zahlenwerk komplett anders: "Trotz Rekordsteuereinnahmen, historisch niedriger Zinsen und Bundeszuschüssen in Rekordhöhe will die rot-grüne Landesregierung im nächsten Jahr immer noch 1,6 Milliarden Euro neue Schulden machen", bemängelt Optendrenk. "Die Schulden des Landes belaufen sich inzwischen auf fast 144 Milliarden Euro. Seit 1973 haben wir 136 Milliarden Euro Zinsen bezahlen müssen." Das alles gehe auf Kosten der nachfolgenden Generationen. Die Auffassung der Regierung, eine "präventive Schuldenpolitik" für gute Zwecke könne sich langfristig rentieren, sei wie eine Seifenblase geplatzt.

FDP-Vizefraktionschef Ralf Witzel nennt Walter-Borjans gar einen "Schummelminister", der den landeseigenen Bau- und Liegenschaftsbetrieb, die NRW.Bank und den Pensionsfonds als Schattenhaushalte und Verschiebebahnhöfe nutze, um seine Zahlen zu schönen. Dabei bleibe der Ausgleich des Haushalts auf der Strecke. "Nach 40 Jahren Nettoneuverschuldung wäre eine schwarze Null möglich gewesen - Sie haben das politisch nicht gewollt."

Das will der Finanzminister nicht gelten lassen. "Das Land hat nicht nur auf Ausgleich zu achten, sondern auch Aufgaben zu erledigen." Eine "abrupte Vollbremsung" bei den Ausgaben, nur um einen Wettbewerb unter den Ländern zu gewinnen, sei problematisch. "Es gibt gute Gründe, warum die Länder bis 2020 Zeit haben, einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen."

Die Piraten können auf die Schuldenbremse gut verzichten. "Die Einhaltung der Schuldenbremse ist moralisch nicht zu rechtfertigen, solange Großkonzerne Steuern im Promillebereich zahlen", unterstreicht ihr haushaltspolitischer Sprecher, Nicolaus Kern. Statt an notwendigen Zukunftsinvestitionen zu sparen, müsse der Staat dringend dafür sorgen, dass er nicht länger durch großangelegten Steuerbetrug um Milliarden geprellt werde.

Der Finanzminister kann mit den vieldeutigen Kommentaren der Opposition wenig anfangen. "Wird das Land nun kaputt gespart oder sitzen wir im Schulden-Raumschiff?", gibt er zurück. Das Land sei trotz des schwierigen und langwierigen Strukturwandels vorangekommen, die gegenteilige Behauptung sei falsch. Dabei zählt er auch die kleinen Schritte: "2010 mussten 9,4 Cent von jedem ausgegebenen Euro geliehen werden - jetzt sind es 2,5 Cent."

(lsa/lnw)
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